„Verloren in einem reichen Land ?“ Jahrestagung der BAG Katholische Jugendsozialarbeit 2005 – 22./23. Nov. 2005 in Schmochtitz /Sachsen Tagungszusammenfassung von Jürgen Döllmann, Referent Kolping Jugendberufshilfe: “ In der Eröffnung und Einführung wies Pater Otto, Vorsitzender der BAG Katholische Jugendsozialarbeit, darauf hin, dass es Ziel der Tagung sei, herauszufinden, in welchem Bereich man als katholische Jugendsozialarbeit gut aufgestellt sei. Ziel der Jugendsozialarbeit sei, zu benachteiligten jungen Menschen Vertrauen herzustellen. So solle nicht nur von Solidarität geredet, sondern auch gehandelt werden. Dazu müssten Ressourcen gebündelt werden, damit jungen Menschen das Gefühl gegeben wird, dass sie gebraucht werden. Die katholische Jugendsozialarbeit müsse glaubwürdig ihr Profil vermitteln. Jungsein heute – verloren in einem reichen Land ? In der Einführung von Prof. Christoph Fedke von der Fachhochschule Landshut benannte er 6 Leitthesen. Siehe Jugendsozialarbeit News 214 vom 28.11.2005 Anforderung an ein modernes Professionsverständnis der Jugendsozialarbeit Dr. Gerd Stecklinger von der TU Dresden gliederte seinen Vortrag in 4 Teile. 1.Sozialpädagogik und Sozialstaat. Dr. Stecklinger bezeichnete den Sozialstaat als Garant ökonomischen Wachstums und als Regulator der sozialen Integration mit dem Ziel, Erhaltung und Weiterentwicklung der sozialen Integration einerseits sowie Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit. Diese Veränderungen sind durch den sozioökonomischen Wandel hervorgerufen. Die daraus resultierenden Umbrüche in der Sozialstruktur sollen aufgefangen werden. Zugleich soll es zu einer Verbesserung der Bildungs-, Ausbildungs- und Sozialpolitik kommen. Vor allem auch durch den Anstieg der Ansprüche an den Produktions- und Dienstleistungsbereich. Weiterhin bezeichnet Dr. Stecklinger den Sozialstaat als Balance zu Konsumentenansprüchen (Erhaltung von Lebensniveau und Konsum), um Gruppenbefindlichkeit zu gewährleisten. In diesem Kontext hat sich die Sozialpädagogik entfaltet. In diesem Zusammenhang sind dann sozialpädagogische Hilfen gesellschaftlich institutionalisierte lebenslänglich orientierte Reaktionen auf Bewältigungsprobleme in der Folge gesellschaftlichen Wandelns. Er fordert eine gestaltungsoffene Sozialpädagogik, die institutionelle Gegebenheiten als Problem wahrnimmt. Daraus folgen Rechtsansprüche mit der Folge Festigung des Sozialstaats über die Politik der sozialen Erweiterung. 2. Sozialpädagogik und Sozialpolitik im Wandel. Die Verschiebung der gesellschaftlichen Problemlagen erfordert neue Antworten der Sozialpädagogik und Sozialpolitik. Als Beispiel nannte er die Entgrenzung des Sozialen (geringere Gesaltungsmöglichkeiten auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene), Risiken werden biographisiert. 3.Jugendarbeit und Jugensozialarbeit. Dort gilt es, die Ambivalenz von lebenslänglich notwendiger Sicherheit und gesellschaftlich gegebener riskanter Offenheit zu meistern. Als weiteres betonte er, dass es bei der Kinder- und Jugendhilfe um Lern- und Bildungsprozesse sowie um Bewältigung von Individuell- und Sozialproblemlagen gehe. 4. Entgrenzung von Jugend. Jugendliche werden heute durch die Ökonomie entwertet. Wie jemand seine Qualifikation erwirbt, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass man sie hat. Die öffentliche und politische Aufmerksamkeit ist zunehmend auf das Fördern und Fordern gerichtet, da diese Jugendlichen ihre erste Chance „verspielt“ haben. Dabei ist es auch zu einer Auflösung des „geschützten“ Entwicklungsraumes von Jugendlichen gekommen. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurde zu den Themen Verlierer im Kontext von Hartz IV ?, Abschied von der Soz.-Pädagogik ?, Orientierungslos zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen ?, sowie Innovationen in der Jugensozialarbeit – Qualifizierung durch Querschnittsaufgaben gearbeitet. In Arbeitsgruppe 1 berichtete Frau Dr. Pötter von der BAG Jugendsozialarbeit aus Bonn anhand verschiedener Thesen zu dem Bereich ‚Verlierer im Kontext von Hartz IV?‘. Für sie sind die unmittelbaren Verlierer die Jugendlichen, deren Bedarfe nicht oder nicht ausreichend erkannt werden durch das Fallmanagement der Arbeitsagenturen. Weiterhin die Jugendlichen, die ausbildungsfähig sind aber in Maßnahmen der Berufsvorbereitung oder in Arbeitsgelegenheiten geschickt werden. Als drittes benannte sie Jugendliche, die sich den Anforderungen entzogen haben oder abgetaucht sind. Zu den mittelbaren Verlierern gehören viele Jugendliche, die einen besonderen oder erhöhten Betreuungsbedarf haben. Weiterhin sind für sie mittelbare Verlierer Jugendliche, deren Eltern keine Ansprüche nach dem SGB II haben oder die durch den Anspruch aus dem SGB II eine erhöhtes Armutsrisiko haben. Zu den Gewinnern zählen für sie die Jugendlichen, bei denen ein Anspruch auf sofortige Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit erfüllt sind und die einen eigenständigen Anspruch erhalten haben. Verlierer seien insgesamt auch eine ganze Generation von Jugendlichen. Die Arbeitsgruppe diskutierte anhand dieser Thesen die Bedeutung und Handlungsschritte für die Jugendsozialarbeit in den Bereichen Einrichtungsebene und Politikebene. Zusammenfassend kam die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, dass alle Ebenen verstärkt zusammenarbeiten und zusammenwirken müssen (interne- Austausch- und Rückkoppelungsprozesse). Das bedeutet für die Gruppe, niedrigschwellige Angebote stärken, Öffentlichkeit auf das Thema Jugend aufmerksam machen, die Qualität des Fallmanagements verbessern, die Schnittstellenproblematik SGB II/ SGB III/ SGB VIII klären und Lösungen finden. Weiterhin die stärke Vernetzung von Kooperation, ein Ressortübergreifendes Arbeiten, eine kreative Nutzung des SGB II sowie ein Informationsaustausch / Schulung Goodpractice für Fachkräfte. In der Arbeitsgruppe 2 wurde unter dem Oberbegriff Abschied von der Sozialpädagogik diskutiert, dass es eine Tendenz gäbe, Problemlagen zu individualiseren und dass es einen steigenden Bedarf an Sozialpädagogik bei komplexer werdenden Anforderungen gäbe und dass es auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen ankomme. Die Sozialpädagogen werden immer mehr als Allrounder gebraucht und eine politische Einmischung auf allen Ebenen sie äußerst wichtig. In der Arbeitsgruppe 3 wurde mit dem Ergebnis diskutiert, dass sich die Einrichtungen der Jugendsozialarbeit der Herausforderung stellen müssen, den veränderten Sozialisationsfaktoren mit neuen pädagogischen Konzepten und deren Durchsetzung zu begegnen. Weiterhin wurde betont, dass sich die Qualität der Jugendsozialarbeit nicht an Verwertungsinteressen der Wirtschaft messen lasse. Der Faktor „Arbeit“ ist vom Menschen aus zu denken und muss sich an ihren Bedürfnissen und ihrer Menschenwürde orientieren. Als drittes ist die sozialpädagogischer Absicherung der lebenslänglich orientierten und berufsorientierten Ausrichtung der Unterstützung der Integration JugendlicherVoraussetzung für die soziale Zukunft der Jugendlichen in der Gesellschaft und gleichzeitig politischer Auftrag für die Jugendsozialarbeit und ihre Organisationen und ihrer anwaltlichen Funktionen. In der Arbeitsgruppe 4 wurde unter dem Oberbegriff Innovationen in der Jugendsozialarbeit insbesondere zu dem Themenbereich Gender-Mainstreaming diskutiert. Entsprechende Ressourcen seien für diesen langjährigen Prozess bereitzustellen. Als weiteres Thema wurde in der Arbeitsgruppe der Punkt Diversity (Verschiedenheitlichkeit im Arbeitsprozess wahrnehmen) diskutiert. Da sind so Begriffe wie ethnische Herkunft, Hautfarbe, Alter, Gender-Mainstreaming aber auch biographische Angaben, geographische Angaben, Religion, Berufserfahrung, zu verstehen. In der Abschlussdiskussion wurden noch einmal Einschätzungen und Ergebnisse aus der Jugendpastoral formuliert. Dabei wurde die These einer Verabschiedung von einem im weitesten Sinne formulierten Bildungsbegriff benannt. Bei den „Globalisierungsjugendlichen“ wurde ein Verlust an Heimat, Orientierung und Bindungsfähigkeit festgestellt. Die zunehmende Flexibilität würde zu Haltlosigkeit führen (Lebensgrundsätze werden immer mehr in Frage gestellt). Durch die hohe Professionalisierung und hohes Fachwissen (Spezialisierung) würde es zu einem Verlust an ganzheitlicher Bildung kommen. Jugendsozialarbeit wurde auch als Ablegen eines Zeugnisses gewertet. Dies wurde dann auch als eine Art „Betrug“ an den Jugendlichen bezeichnet, die in christlichen Einrichtungen nicht immer christliche Werte vermittelt bekämen. Trotz demographischen Wandels würde Benachteiligung in unserem Land auch weiterhin Bestand haben. In der anschließenden Diskussion wurden Kontakte zur Jugendsozialarbeit zur Jugendpastoral angemahnt. Eine Einmischung müsse auch in die Kirche hinein (Pfarrgemeinde vor Ort) erfolgen.“
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