12. Kinder- und Jugendbericht Der 12. Kinder- und Jugendbericht ist unter dem Titel ‚Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule‘ veröffentlicht. Im Folgenden lesen Sie die Stellungnahme der Geschäftsstelle der BAG Katholische Jugendsozialarbeit dazu und wir haben den Jugendbericht auf die wichtigsten Hinweise in Bezug auf Jugendsozialarbeit durchgeschaut. Stellungnahme der Geschäftsstelle BAG Katholische Jugendsozialarbeit: “ Welche wesentlichen Botschaften enthält er für den jeweiligen Arbeitsbereich? Wir begrüßen den im Bericht zugrunde liegenden erweiterten Bildungsbegriff ausdrücklich. Er hebt das Bildungsverständnis aus einer verengten und den Lebens- und Lernwelten von Kindern und Jugendlichen gerecht werdenden Perspektive heraus und lässt somit auch die Bildungsaspekte schulbezogener Jugendsozialarbeit deutlich werden. Dies wird durch die Darstellung unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten aus der Sicht der Kinder und Jugendlichen und nicht aus der der Institutionen untermauert. Gerade für benachteiligte Jugendliche ist es wichtig, und hierbei unterstützen wir die Forderungen des Berichtes ausdrücklich, so früh wie möglich gute Betreuung zu erhalten und umfassend gefördert zu werden. Da dies leider im Elternhaus aus verschiedensten Gründen oft nicht ausreichend geschehen kann, ist gerade für diese Zielgruppe die Forderung nach einem umfassenden Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsangebote im Schulalter zu unterstützen. Denn Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen können und müssen so früh wie möglich und deutlich früher als bisher begegnet werden. Deshalb begrüßen wir auch den empfohlenen Rechtsanspruch für Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren. Die Katholische Jugendsozialarbeit begrüßt ferner den Blickwinkel, der auf die Überwindung oft recht starrer Institutionengrenzen gerichtet ist – in Hinblick auf die Zusammenarbeit der verschiedensten Einrichtungen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen. Wir begrüßen es, dass im Bericht die Bedeutung der Kooperation von Schule und Jugendhilfe für ein gedeihliches Zusammenwirken der verschiedenen Bildungsorte und Lernwelten der Kinder und Jugendlichen hervorgehoben wird. Dass ein deutlicher Bedarf besteht, diese Kooperationen verbindlich zu regeln und strukturell abzusichern, können wir aus unseren Erfahrungen bestätigen. Darüber hinaus entspricht es unseren Einschätzungen und Erfahrungen, dass hierfür entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch wir sehen Bedarf im Ausbau der fachlichen Qualifikation der Kooperationspartner/-innen in Schule und Jugendhilfe. Die Bedeutung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit für die Bildungsbiographie und den Lebenslauf insbesondere benachteiligter Jugendlicher wird im Bericht u. E. richtig erkannt und dargestellt, sowohl in ihrer notwendigen Eigenständigkeit als auch in ihrer Kooperations- und Vernetzungsfunktion. Wo sehen Sie sich in Ihrer Arbeit bestätigt und wo wird Ihren Anliegen widersprochen? Den außerschulischen Bildungsorten kommt ein weitaus größerer Stellenwert zu, als ihnen bisher eingeräumt wurde. Wichtig und richtig ist die Forderung nach einer verstärkten empirischen Bildungsforschung und deren Ausdehnung auf den vor- und außerschulischen Bereich. Bedauerlich ist, dass bei der schulbezogenen Jugendsozialarbeit weder auf die Finanzierungsfragen noch auf die strukturellen Rahmenbedingungen, die hierfür notwendig sind, eingegangen wird. Dies wäre aus unserer Sicht dringend notwendig, da hier großer Handlungs- und Klärungsbedarf liegt. Aus unserer Arbeit können wir die Forderung nach einem flächendeckenden Angebot an Kinderbetreuung auch für die unter drei Jährigen nachdrücklich befürworten. Ganztagsangebote sind gerade für Kinder und Jugendliche mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf ein wichtiges Angebot, um frühzeitig und nachhaltig die Kompetenzen und Fähigkeiten dieser jungen Menschen zu fördern. Benachteiligung beginnt nicht erst mit 14 Jahren, wenn die so genannten Benachteiligtenförderung einsetzt. Die o.g. Maßnahmen sind deshalb aus der Sicht und den langjährigen Erfahrungen in der Benachteiligtenförderung zu begrüßen. Welche Fragen und Aufgaben stellen sich in Ihrem Arbeitsfeld für die Zukunft und deckt sich Ihre Wahrnehmung mit den Folgerungen im Bericht und in den Handlungsempfehlungen? Von den ersten Lebensjahren an muss Eltern und Kindern ein kohärendes Bündel an Bildungs-, Beratungs- und Erziehungsangeboten zur Verfügung stehen. Wenn Jugendsozialarbeit nicht mehr nur verspäteter Lückenbüßer für Versäumtes sein soll, sind aus unserer Sicht die Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten auch für Kinder unter drei Jahren flächendeckend einzurichten. Dies ist u. E. ein wichtiger Beitrag zur Prävention bzw. Abmilderung von individueller Beeinträchtigung und sozialer Benachteiligung. Die finanzielle und strukturelle Absicherung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit wird kaum thematisiert und ist mittel- bis langfristig zu klären. Kurzfristigen Initiativen und Projekten auf den unterschiedlichsten Ebenen fehlt es an Nachhaltigkeit. Wichtig ist deshalb, dass die schulbezogene Jugendsozialarbeit aus der „patch-work-Finanzierung“ in eine gesicherte Finanzierung übergeführt wird. Für die Zukunft müssen in diesem Bereich die Rahmenbedingungen, unter denen schulbezogene Jugendsozialarbeit arbeitet, in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner/-innen wie Schule, Kommune und den anderen Akteurinnen und Akteuren im Gemeinwesen geregelt werden. Der Bericht bleibt an dieser Stelle sehr vage und hat hierzu keine Empfehlungen erarbeitet. Die Qualifizierung der Fachkräfte in Schule und Jugendhilfe muss auch auf eine sinnvolle und effektive Zusammenarbeit der beiden Systeme ausgerichtet werden. Die Datenlage aus der empirischen Bildungsforschung hat besondere Defizite im Bereich von Schulmüdigkeit und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dieses Defizit muss im Sinne einer effizienteren und passgenaueren Weiterentwicklung sowohl von Schule und Kinder- und Jugendhilfe, als auch deren Zusammenarbeit behoben werden. Ein engeres Aufeinanderbeziehen und Zusammenwirken der Systeme allgemeine, außerschulische Bildung Schule, Jugendhilfe und Berufsbildung ist notwendig.“ Auszüge aus der Zusammenfassung des BMFSFJ des 12. Kinder- und Jugendberichts “ … Einleitung: Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule Deutschland hat mit Blick auf sein öffentliches Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot einen unübersehbaren Nachholbedarf. … mit … dem „männlichen Ernährermodell“, ließ sich die Halbtagsschule als Regelschule einigermaßen problemlos realisieren. … dass das bundesdeutsche Familienmodell der „Hausfrauenehe“ seine Selbstverständlichkeit eingebüßt hat und nicht mehr der entscheidende Maßstab für die Organisation des Aufwachsens von Kindern bleiben kann. … Die zu konstatierenden Veränderungen machen deutlich, dass sich die Lage der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien … verändert hat: … Dass „Familie “ von jungen Menschen nicht mehr ohne weiteres als lebbar, nicht mehr als eine ebenso selbstverständliche wie attraktive Lebensform angesehen wird, weist in diese Richtung. …, dass das Zusammenspiel von Beruf und Familie, von individuell bevorzugten und gesellschaftlich möglichen Mustern der Lebensführung nicht für uneingeschränkt machbar gehalten wird, dass die Lebensentwürfe von Frauen und Männern und die Bedarfe bzw. Bedürfnisse von Kindern zumindest nicht bruchlos kompatibel sind. … Alle Studien der letzten Jahre weisen darauf hin, dass neben den unbefriedigenden schulischen Leistungen vor allem die damit verbundene soziale Frage, d.h. die Überwindung der herkunftsabhängigen Unterschiede im deutschen Bildungssystem nicht wirklich gelöst wird. … In Anbetracht dieser Ausgangslage wird gegenwärtig in Politik und Öffentlichkeit die Ganztagsschule als die beste Antwort auf die Bildungs- und Betreuungsdefizite der deutschen Halbtagsschule betrachtet. … „Bildung von Anfang an“ wurde zu einem Leitgedanken, mit dem die Bedeutung der Bildungsfrage in den ersten Lebensjahren in den Mittelpunkt gerückt werden sollte und „Bildung ist mehr als Schule “ sollte zum Ausdruck bringen, dass Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen weitaus weniger ortsgebunden sind, als oft unterstellt wird. … In deutlichem Unterschied zu dieser altersmäßigen Anordnung von Betreuung, Erziehung und Bildung plädiert dieser Bericht für eine aufeinander abgestimmte Sichtweise für das gesamte Kindes- und Jugendalter. Infolgedessen muss „Bildung von Anfang an“ ebenso zu einem konzeptionellen Anspruch werden wie „Betreuung und Erziehung“ zu einem integralen Bestandteil einer auf ganztägige Angebote ausgerichteten (Ganztags-)Schule, so dass am Ende beides stimmt: „Bildung ist mehr als Schule “ und „Schule ist mehr als Bildung“. … Mit den Konzepten von Bildung und Betreuung im Rahmen von Ganztagsschulen … soll … nachhaltige Wirkungen erzielt werden. … Nur in einer konsequent komplementären Berücksichtigung des Dreiklangs von Bildung, Betreuung und Erziehung kann es gelingen, weiterführende Antworten auf die grundlegenden Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts für Deutschland zu finden. Teil A: Gesellschaftliche Bedingungen und konzeptionelle Grundlagen 1. Rahmenbedingungen des Aufwachsens … Veränderungen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen deuten auf die Notwendigkeit einer Um- und Neugestaltung des derzeitigen Systems von Bildung, Betreuung und Erziehung hin. … Neben der Familie haben altersspezifische Institutionen der Bildung, Betreuung und Erziehung im Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen ein großes Gewicht gewonnen. … Die vielfältigen Optionen, die sich Kindern und Jugendlichen heute für ihre Lebensgestaltung bieten, beinhalten Chancen …, bergen jedoch auch Risiken und Konfliktpotentiale und erfordern deswegen vorbereitende und begleitende Unterstützung. Die optionale Vielfalt der Erfahrungswelten und Bildungsmöglichkeiten steht jedoch nicht allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen offen und bietet nicht allen die gleichen Chancen zur Lebensplanung und Zukunftsgestaltung. Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie für Aneignungs- und Lernprozesse differieren nach sozialer und ethnischer Herkunft, nach Geschlecht und Region. … Anstrengungen für die Ermöglichung einer gleichberechtigten Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsprozessen sind vor allem erforderlich angesichts – der erheblichen Anzahl von Kindern, die in Armut leben, insbesondere der Kinder von Alleinerziehenden sowie aus Migrantenfamilien. Herauszuheben ist in diesem Kontext der enge Zusammenhang zwischen ökonomisch benachteiligten Lebenslagen von Familien und dem Bildungsniveau der Eltern. Er weist auf den hohen Stellenwert von Bildung für die individuelle Lebensbewältigung hin und wirft die Frage auf, wie derartige „Armuts-Bildungs-Spiralen“ durchbrochen werden können – der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den schulischen Leistungen der Heranwachsenden, den ungleichen Zugangsmöglichkeiten von Frauen und Männern zur Erwerbstätigkeit, zu hohen beruflichen Positionen und Gehaltsklassen sowie der nach wie vor bestehenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie. Dabei geht es nicht allein um die Verbesserung individueller, sondern auch gesellschaftlicher Perspektiven, denn die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass die wachsende Anzahl hoch qualifizierter Frauen aufgrund von Vereinbarkeitsproblemen von Beruf und Familie auf Kinder verzichtet – teilweise erheblicher sozialräumlicher Unterschiede im Zugang zu Bildungsorten und Lernwelten. Benachteiligt sind Kinder und Jugendliche, die in Stadtvierteln mit einer relativ homogenen Bevölkerungszusammensetzung aus niedrigen Sozialschichten – hierzu gehören auch viele Migrantenfamilien – aufwachsen, die in ländlichen Gebieten mit mangelnden Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten leben, sowie Kinder und Jugendliche aus strukturell benachteiligen Gebieten mit einem mangelnden Arbeitsmarktangebot, hohen Abwanderungsquoten und infrastrukturellen Ausdünnungen. Großräumige Disparitäten finden sich sowohl zwischen Ost- und West- sowie Nord- und Süddeutschland als auch zwischen und innerhalb von einzelnen Bundesländern. … Die Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsinstitutionen, einschließlich der Familie, stehen zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor der Aufgabe, sich selbst an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen … … dass die gesamte Dynamik und Entwicklung (des öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungssystems) inzwischen auch eine erhebliche arbeitsmarktpolitische Bedeutung erlangt hat … Diese Expansion des nichtschulischen Bildungsbereichs zeigt sich auch mit Bezug auf das jährlich für Bildung aufgewendete Finanzvolumen. So ist der im Rahmen der Bildungsfinanzberichterstattung erfasste Anteil für die Ausgaben für Tageseinrichtungen für Kinder sowie für die Jugendarbeit von 8,4% der Bildungsausgaben im Jahre 1975 (0,26% des BIP) auf 13,0% im Jahr 2001 gestiegen (0,52% des BIP), was umgerechnet etwa 11 Mrd. € entsprach. … 2. Bildung – ein konzeptioneller Rahmen Bildung wird in diesem Bericht als sozialwissenschaftlich fundierter Begriff definiert. Damit sind empirische, nicht-normative Aussagen über Bildung in Bezug auf konkrete Lebensbereiche, Entwicklungsanforderungen, Bewältigungsaufgaben, Gesellungsformen und Handlungsoptionen möglich. … Bildung … ist ein Prozess des Aufbaus und der Vertiefung von Kompetenzen in den dargestellten Dimensionen. Die vier … Weltbezüge beziehen sich …auf …: – kulturelle Kompetenzen … – instrumentelle Kompetenzen … – soziale Kompetenzen… – personale Kompetenzen … (2) Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen finden an vielen Orten statt … in Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, in der Gleichaltrigen-Gruppe, … Teil B: Bildungsprozesse im Kindes- und Jugendalter 3. Die ersten Jahre – Bildung vor der Schule … 4. Bildungsprozesse im Schulalter … die Schule kommt als neuer Bildungsort hinzu … Zugleich werden für die meisten Kinder und Jugendlichen auch Gleichaltrigen-Gruppen als neue Lernwelten nach und nach bedeutsamer. Ein nicht zu unterschätzender Teil von ihnen nutzt darüber hinaus die Lernangebote der außerschulischen Jugendarbeit, der Vereine und Verbände sowie der Kulturarbeit. Bildungsprozesse finden … auch im Kontext von Gelegenheitsarbeiten zu Hause oder in Gestalt von Schülerjobs statt. … … wird der Erwerb von bildungsrelevanten Ressourcen und Bildungskompetenzen in außerschulischen Bereichen zunehmend wichtiger. Das heißt, dass den Angeboten der außerschulischen Bildungsorte in Gestalt der Institutionen der Jugendhilfe… oder auch anderen Lernwelten (z. B. Schülerjobs, Medien) eine veränderte und erhöhte Bedeutung zukommt. … Weitere wichtige Lernwelten, die über die gesamte Schulzeit eine zentrale Rolle im Alltagsleben der meisten Kinder und Jugendlichen einnehmen, sind die Peers und die Medien. … Dabei zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringen ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen (z.B. Arbeiterfamilien, Familien mit Migrationshintergrund, von Armut betroffene Familien) in doppelter Weise benachteiligt sind: Sie haben nicht nur die schlechteren schulischen Bildungschancen, sondern auch weniger Zugänge und Möglichkeiten zum außerschulischen Bildungserwerb in der Welt der Vereine, Jugendverbände und der Kulturarbeit, der kulturellen Freizeitpraxen sowie der Medien. – … der Prozess des Bildungs- und Kompetenzerwerbs bei Kindern und Jugendlichen nicht nur vom formalen Bildungsort Schule, sondern ganz wesentlich auch von nicht-schulischen Einflüssen abhängig ist. … Neubestimmung des Verhältnisses von Schule und Jugendhilfe haben diese Erkenntnisse zur Konsequenz, dass neben der schulischen Bildung auch den Orten der außerschulischen Bildung ein weitaus größerer Stellenwert zukommt, als er in den bisherigen bildungspolitischen Diskussionen eingeräumt wurde. … Teil C: Bildungsangebote und -leistungen im Kindes- und Jugendalter 5. Bildungsangebote und -leistungen im frühen Kindesalter … 6. Bildungsangebote im Schulalter Mit Blick auf die Bildungsprozesse im Schulalter wird eine Vielfalt und Vielzahl von Bildungsorten und Lernwelten sichtbar, die allerdings nicht von allen gleichermaßen genutzt werden. … Dieses Zusammenspiel für die Bildung aller Kinder und Jugendlichen fruchtbar zu machen und in einer produktiven Weise zu gestalten, kommt wesentlich der Schule sowie der Kinder- und Jugendhilfe zu. … Mit der Jugendarbeit wird ein Bereich der Kinder- und Jugendhilfe thematisiert, der eine explizite, auch gesetzlich verankerte, Bildungsaufgabe hat. Bildungsangebote und -leistungen der Jugendarbeit weisen, im Gegensatz zu vielen formalen Bildungsinstitutionen, einen hohen Grad an Selbstorganisation durch Jugendliche auf. Sie sind durch eine Aneignungs- und Vermittlungsstruktur gekennzeichnet, in der lebensweltliche und sozialräumliche Bedingungen und Gegebenheiten zum unverzichtbaren Bestandteil gehören. … In der schulbezogenen Jugendsozialarbeit werden explizite Bildungsangebote sowie kompensatorische Leistungen für schulpflichtige Kinder und Jugendliche erbracht, um diese im Fall von Lern- und Schulschwierigkeiten zu unterstützen. Schulbezogene Jugendsozialarbeit hat deshalb den Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen in benachteiligten und erschwerten Lebenslagen als Maßstab und Kriterium ihrer Bildungsangebote und -leistungen. Ein weiterer Bezugspunkt ist der erfolgreiche Übergang von der Schule in Ausbildung und Arbeit. … Dennoch bestehen im deutschen Schulsystem erhebliche Unterschiede in der Förderung von Heranwachsenden unterschiedlicher sozialer Herkunft. So ist das Prinzip der Chancengleichheit in der Schule noch längst nicht verwirklicht im Gegenteil, herkunftsbedingte Benachteiligungen werden vom deutschen Schulsystem durch Benachteiligungen in der Bildungslaufbahn noch verschärft. … In der Jugendhilfe selbst betonen Jugendarbeit, Hort und schulbezogene Jugendarbeit unterschiedliche Akzente und Schwerpunktsetzungen. Damit ist zwar einerseits eine Vielfalt von öffentlichen Bildungsangeboten gegeben, sie stellt jedoch auch hohe Anforderungen an eine Organisation des Zusammenspiels. Hinzu kommt, dass Schule und Jugendhilfe über völlig ungleiche personelle und finanzielle Ressourcen verfügen. … Das Zusammenspiel von Bildungsangeboten und Lernwelten ist deshalb darauf anzulegen, Kindern und Jugendlichen unterschiedliche Kulturen, Weltdeutungen, Traditionen, Einstellungen und Orientierungen nahe zu bringen und ihnen zu ermöglichen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. … Bund und Länder haben dabei die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, um regionale Disparitäten auszugleichen. … Kooperation bedeutet dann, in einem gemeinsamen Prozess bedarfsgerechte Angebote zu entwickeln, d.h. Bildungsangebote im Sinne einer professionellen Dienstleistung zu erbringen, die alle Kinder und Jugendliche, gleich welcher Herkunft und sozialen Lage, als Ko-Produzenten ihrer Bildungsprozesse einbezieht. In diesen Prozess … müssen vom Grundsatz her alle Aufgabenbereiche und Handlungsfelder von Jugendhilfe und Schule einbezogen werden. … Die Gestaltung von Angeboten durch die Schule sowie durch die Kinder- und Jugendhilfe erfolgt in dem Projekt Ganztagsschule unter besonderen Voraussetzungen und unter spezifischen Rahmenbedingungen. … Auch wenn die Kinder- und Jugendhilfe im Vergleich zur Schule über deutlich weniger Ressourcen verfügt, kann sie doch wichtige Akzente bei der Gestaltung von Ganztagsschulen bzw. von Schulen mit ganztägigen Angeboten setzen. … Teil D: Zukunftsperspektiven für ein öffentlich verantwortetes System von Bildung, Betreuung und Erziehung 7. Auf dem Weg zu einem abgestimmten System von Bildung, Betreuung und Erziehung. Quantitative und qualitative Perspektiven … 1. Im Mittelpunkt stehen der Lebenslauf und die Bildungsbiografie der Kinder. Nicht die Erfordernisse und Interessen der einzelnen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungssysteme sind zentrale Ausgangspunkte bei den Überlegungen zu einer Um- und Neugestaltung des Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungssystems, sondern die Wirkungen, die sie unter der Zielsetzung erreichen, die Heranwachsenden bei der Entwicklung zu handlungsfähigen, kompetenten, sozialen und verantwortlichen Personen zu unterstützen. 2. Ausgangspunkt ist die Trias von Bildung, Betreuung und Erziehung. … 3. Grundlegend ist ein erweitertes Bildungsverständnis mit einer Vielfalt von Orten, Gelegenheiten und Inhalten. … 4. Es besteht eine öffentliche Gesamtverantwortung für eine „Bildung für alle“. … 5. Anzustreben sind tragfähige Zukunftskonzepte von Bildung, Betreuung und Erziehung in einem verbesserten Zusammenspiel … c) Die Beschreibung der Eckwerte im Bereich … der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule mündet in die Formulierung von Empfehlungen. … … Empfehlungen zur Bildung, Betreuung und Erziehung im Schulalter … 1. Die Realisierung eines umfassenden Bildungskonzepts setzt eine grundlegende Veränderung der Schule sowie ein Zusammenspiel von Schule und anderen Bildungsorten und Lernwelten voraus. … 2. Der umfassende gesellschaftliche Anspruch auf Bildung erfordert ganztägige Angebote für Kinder und Jugendliche im Schulalter. Sie sind schnellstmöglich und bestmöglich auf- und auszubauen. … 3. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten muss zu einer erweiterten Kompetenzentwicklung beitragen. Schwerpunkt muss die Verknüpfung unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten sein. … professionelle Dienstleistungen, Beratungs- und Unterstützungsangebote der Jugendhilfe sind stärker auf das System ganztägiger Bildung, Betreuung und Erziehung zu beziehen. 4. Maßstab des Aus – und Umbaus ganztägiger Angebote muss die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen sein. … 5. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten muss strukturell und personell gesichert werden. … In jedem kommunalen Jugendamt sollte ein eigener Arbeitsbereich „Jugendhilfe und Schule “ eingerichtet werden, … 6. Ganztagsschulen und ganztägige Angebote sollten von multiprofessionellen Teams mit einem aufgabenangemessenen Qualifikationsprofil aufgebaut und verantwortet werden. Erforderlich ist eine neue Form der Kooperation von Lehrpersonal und sozialpädagogischen Fachkräften. … 7. Die Entwicklung von Ganztagsschulen erfordert eine größere Selbständigkeit der Einzelschule und eine stärkere Vernetzung im Sozialraum. … Empfehlungen im Lichte der Herausforderungen für ein neues System von Bildung, Betreuung und Erziehung … beziehen sich auf das Kindes- und Jugendalter insgesamt. 1. Das Zusammenspiel und die Abstimmung der Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote für Kinder und Jugendliche sind zu verbessern. … 2. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsakteure und -gelegenheiten ist sozialräumlich auszugestalten und in kommunaler Verantwortung zu organisieren. … 3. Kommunale Bildungsplanung ist als integrierte Fachplanung aufzubauen. Verengungen und Begrenzungen der Teilsysteme Kinder- und Jugendhilfe sowie Schule sind zugunsten eines konsistenten kommunalen Gesamtsystems für Bildung, Betreuung und Erziehung zu überwinden. … Zentraler Akteur einer solchen Bildungsplanung muss die Kommune sein. … 5. Der Ausbau ganztägiger Angebote erfordert zusätzliche finanzielle Anstrengungen und eine Anpassung der Finanzierungsstrukturen. … Angesichts der prekären Finanzlage vieler Kommunen sind Möglichkeiten des finanziellen Ausgleichs zu schaffen. Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sind als Teil einer kommunalen Bildungslandschaft stärker einzubeziehen und unter Beteiligung der Länder sowie, wo dies verfassungsrechtlich möglich ist, des Bundes zu finanzieren. 6. Die Aus- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte muss reformiert werden. Die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ist auf Hochschulniveau anzuheben. In der Aus- und Weiterbildung von Sozialpädagogen bzw. Sozialpädagoginnen und Lehrkräften an Hochschulen ist der Bildungsbezug generell zu stärken, … Erforderlich sind gemeinsame Studienanteile für das Lehramts- und das Sozialpädagogikstudium. …“
Quelle: http://www.bmfsfj.de/doku/kjb/data/zusammenfassung.html