Positionen zum ‚Gesprächsleitfaden für die Einwanderungsbehörden‘ in Baden-Württemberg Die Diskussion um den auch als ‚Gesinnungstest‘ bezeichneten ‚Gesprächsleitfaden für Einwanderungsbehörden‘ reißt nicht ab. Im Sinne eines Meinungsspiegels sind nachstehend die Stellungnahme der beiden baden-württembergischen Diözesen sowie Berichte und Beiträge aus den Medien zusammengestellt. “ Presseerklärung Stellungnahme des Bischöflichen Ordinariats Rottenburg-Stuttgart und des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg … Die katholischen Kirchen in Baden-Württemberg begrüßen und pflegen gute Kontakte und nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Christen und Muslimen. Unbegründeten Vorbehalten und Vorurteilen auf beiden Seiten wirken sie entgegen. Sie unterhalten institutionell und persönlich gute Beziehungen zu Muslimen und unterstützen die Gespräche in den Christlich-Islamischen Gesellschaften und Dialoggruppen zu Fragen des Glaubens, zum Verständnis der Menschenrechte und zur Förderung des mitmenschlichen Zusammenlebens. Seit Jahren setzen sie sich für den islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ein und befürworten das Pilotprojekt islamischer Religionsunterricht für muslimische Kinder an den Schulen in Baden-Württemberg. Die Kirchen sind der Ansicht, dass im Einbürgerungsverfahren die Grundlagen unseres Gemeinwesens entsprechend dem seit 1.1.2000 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG § 10) anerkannt werden müssen. Sie haben Verständnis dafür, wenn die Möglichkeit geschaffen werden soll, im Einbürgerungsverfahren die Verfassungstreue in besonderen Fällen qualifiziert und effizient zu prüfen. Freilich müssen grundsätzlich alle Einwanderungswilligen gleich behandelt werden. Die öffentliche Diskussion über den vom baden-württembergischen Innenministerium vorgelegten Gesprächsleitfaden zeigt, dass einzelne Fragen als diskriminierend aufgefasst werden und der Leitfaden als pauschaler Verdacht gegen Muslime gewertet wird. … Kirchliche Experten haben das Innenministerium bereits im Februar 2005 auf informeller Ebene auf diese Problematik hingewiesen und entsprechende Bedenken vorgetragen. … Überdies sehen die Kirchen dringenden Korrekturbedarf, sollte der Leitfaden entgegen der wiederholten Betonung des Innenministeriums den Charakter eines reinen Fragebogens erhalten. Ein Gesprächsleitfaden, mit dem das Innenministerium die Arbeit der im Einbürgerungsverfahren tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren will, verfehlt dann sein Ziel, wenn er als Checkliste verstanden wird. Leitfragen bedürfen in hohem Maß der Erläuterung und Anpassung im Einzelfall, sollen sie den einzelnen einbürgerungswilligen Menschen gerecht werden. Die Kirchen waren und sind bereit, ihren genuinen Beitrag zur Integration ausländischer Mitbürger zu leisten. Dies geschieht nicht nur in der Förderung der Werte, von denen die Demokratie lebt, sondern auch im konkreten Einsatz für die Menschen anderer Herkunft mit den kirchlichen Fachdiensten der Caritas. Die Kirchen raten dringend zu einem Vorgehen, das die Integrationsprozesse mit Muslimen und anderen einbürgerungswilligen Menschen in unserer Gesellschaft nicht beschädigt, sondern nachhaltig fördert. “ Böhmer rechtfertigt Gesinnungstest “ Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hat den umstrittenen Einbürgerungstest in Baden-Württemberg verteidigt. … ‚Das Anliegen, das hinter dem baden-württembergischen Test steht, ist völlig gerechtfertigt‘, sagte sie der FTD. Wer Deutscher werden wolle, solle sich zur Gesellschaftsordnung bekennen. Eine Unterschrift reiche dazu nicht aus. … Bisher hatte Böhmer, die Staatsministerin im Kanzleramt ist, den Test als ’nicht zielführend‘ bezeichnet. Darauf verzichtete sie nun im FTD-Interview ausdrücklich. Allerdings müsse geklärt werden, ob mit dem Fragenkatalog auch persönliche Überzeugungen erfasst werden könnten. Insgesamt sei die Debatte um den Test aber positiv. ‚Auch wir Deutschen müssen uns mit dem eigenen, verfassungsrechtlichen Fundament beschäftigen‘, sagte Böhmer. Unterschiedliche Ansprüche Da die Bundesländer sehr unterschiedliche Ansprüche an Ausländer stellen, die Deutsche werden wollen, wurde zuletzt auch die Forderung nach einer bundesweiten Harmonisierung des Fragenkatalogs laut. Böhmer verwies auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht, die Einbürgerungspraxis zu vereinheitlichen. Sie vermied es aber zugleich, die Zuständigkeit der Länder in Zweifel zu ziehen. ‚Diese Regierung betrachtet Integration als eines der großen gesellschaftspolitischen Themen der Legislaturperiode‘, sagte sie. …“ von Leo Klimm und Ulrike Sosalla (FTD vom 23.01.2006) Neckar-Odenwald-Kreis verweigert Muslimen-Test „Nach der Stadt Heidelberg lehnt auch der Neckar-Odenwald-Kreis den Gesinnungstest für einbürgerungswillige Muslime ab. Muslime, die sich um einen deutschen Pass bemühen, müssen hier nicht mehr die Fragen des umstrittenen Gesinnungstest schriftlich beantworten. … Zudem gehe man davon aus, dass sich islamische Terroristen und solche, die es werden wollen, durch diesen Test kaum enttarnen lassen. Man entnehme dem Fragebogen lediglich Anregung zum Gespräch mit den Antragstellern, das dann hinterher mit einem schriftlichen Vermerk festgehalten wird. … Muslimische Verbände haben derweil erneut Widerstand gegen den umstrittenen Einbürgerungstest angekündigt. ‚Wir werden keine Ruhe geben, bis die Landesregierung den Test zurückzieht‘, sagte Mounir Azzaoui vom Zentralrat der Muslime in Deutschland in Stuttgart. Zugleich forderte die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) Ausländerbehörden auf, dem Beispiel Heidelbergs zu folgen und den aus ihrer Sicht ‚verfassungswidrigen Test‘ nicht anzuwenden. 30 Fragen zu Homosexualität und Stellung der Frau In dem 30 Fragen umfassenden Einbürgerungstest wird unter anderem nach der Einstellung zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, nach der Haltung zur Religionsfreiheit, der Blutrache oder den Terroranschlägen vom 11. September gefragt. … Eine Punktzahl zum Bestehen der Prüfung gibt es allerdings nicht. Entscheidend ist laut Innenministerium vielmehr der Gesamteindruck aus dem Gespräch. Rech sieht keine Diskriminierung der Bewerber Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte den Vorwurf der Diskriminierung zurückgewiesen. Es müsse aber erlaubt sein, Einbürgerungsbewerber darauf zu überprüfen, ob das abgegebene Bekenntnis zur Grundordnung auch tatsächlich ihrer inneren Einstellung entspreche, falls Anhaltspunkte für Zweifel vorliegen würden. ‚Dies geschieht selbstverständlich auch bei Nicht-Muslimen‘, betonte er.“ (swr.de vom 23.1.2006) Neue deutsche Gretchenfragen: Warum der Ausländerfragebogen Unsinn ist. “ Das Elend deutscher Ausländerpolitik – Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Das Elend deutscher Ausländerpolitik liegt darin, dass sie mehr für die Deutschen als für die Ausländer gemacht wird. Und es ist auch ein Kreuz mit der Einbürgerungspolitik, weil sie nicht für die künftigen Neubürger, sondern vor allem für die deutschen Wählerinnen und Wähler gemacht wird. Migrationspolitik hierzulande ist gern Wahlkampfpolitik – wie derzeit in Baden-Württemberg. Sie hat den falschen Adressaten. Und im Umschlag steckt auch noch falsche Politik, die auch denjenigen potenziellen Neubürger, der schon viele Jahre in Deutschland lebt, zur Gefahrperson erklärt. Fragen voller Misstrauen In Baden-Württemberg besteht diese Erklärung aus einem Fragebogen, der ‚Gesprächsleitfaden‘ genannt wird und mit dem seit 1. Januar die inneren Überzeugungen von Einbürgerungsbewerbern überprüft werden. … Kritisiert wird das Projekt nicht, weil gefragt wird – das ist selbstverständlich das geltende Einbürgerungsgesetz aus dem Jahr 2000 verlangt eine ‚innere Hinwendung‘ zur Bundesrepublik und eine Loyalitätserklärung zu ihr. Kenntnisfragen zur Verfassung waren schon bisher selbstverständlich jetzt geht es um einen Gesinnungstest. Er gibt aber Auskunft vor allem über die Gesinnung derer, die ihn konzipiert haben. Gefragt sind Lippenbekenntnisse … Der Fragebogen heischt nach Lippenbekenntnissen. Zunächst war es so, dass das Innenministerium in Stuttgart Zweifel an der Verfassungstreue bei Bewerbern aus allen 57 Mitgliedsstaaten der islamischen Konferenz zum Regelfall machte: Sie alle sollten, unter anderem, Fragen zu ihrer Einstellung zur Homosexualität oder zu Frauen als Vorgesetzten beantworten (womit auch viele deutsche Altbürger Schwierigkeiten gehabt hätten). Mittlerweile wurden die Behörden angewiesen, Zweifel an der Eignung von Muslimen zur Einbürgerung nicht mehr als Regelfall anzunehmen. An den Fragen selbst wurde nichts geändert. Sie beruhen letztlich auf der Erwägung, damit später eine Täuschung der Behörde konstruieren und die Einbürgerung widerrufen zu können. … Der Fragebogen ist institutionalisiertes Misstrauen, er ist ein Ausdruck von Heuchelei – also ein Nährboden für Rassismus. Der Integration dient der Gesprächsleitfaden nicht. … Vor allem aber ist er unsinnig. Der Unsinn wird manifest, wenn man sich entsprechende Fragen für einzubürgernde Amerikaner überlegt: ‚Sind Sie der Meinung, dass des Terrorismus verdächtigte Personen in CIA-Maschinen verschleppt werden dürfen?‘ “ Ein Kommentar von Heribert Prantl (SZ vom 23.1.2006) Mehrheit der Deutschen für Einbürgerungstests “ Mehr als drei Viertel (76 Prozent) der Bundesbürger befürworten Einbürgerungstests für Einwanderer, die die deutsche Staatsbürgerschaft anstreben. 21 Prozent sind dagegen, wie eine Emnid-Umfrage für den Fernsehsender N 24 ergab. … Der Zentralrat der Muslime in Deutschland bekräftigte unterdessen, man werde so lange keine Ruhe geben, ‚bis dieser Leitfaden zurückgezogen wird‘. …“ dpa, (Berliner Morgenpost vom 25.1.2006)
Quelle: Bischöfliches Ordinariat, Pressestelle http://www.ftd.de/pw/de/39823.html http://makeashorterlink.com/?U39E2138C http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/700/68632/ http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/01/25/politik/806344.html