Erstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

AM FREITAG, 17.02.2006, BESCHLOSS DER DEUTSCHE BUNDESTAG EIN ERSTES GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES ZWEITEN BUCHES SOZIALGESETZBUCH. (SGB II) Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 17.02.2006 ein Änderungsgesetz zum SGB II beschlossen. Das Gesetz gleicht die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 01.07.2006 bundeseinheitlich auf 345,-€ an. Unverheiratete junge Erwachsene unter 25 Jahren bilden in Zukunft keine eigene Bedarfsgemeinschaft mehr und erhalten im elterlichen Haushalt als sonstige Erwerbsfähige in der Bedarfsgemeinschaft nur noch 80% des Regelsatzes. Für einen Umzug ab dem 17.Februar 2006 benötigen erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren die Zustimmung des kommunalen Trägers der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Ohne diese Zustimmung erhalten sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres keine Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie nur 80% der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Zur Historie: Vergangenes Jahr im November wurde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht. Am 13. Februar fand eine Sitzung des Ausschusses Arbeit und Soziales statt, in der Sachverständigen Meinungen sowie ein Änderungsantrag diskutiert wurden. Am 14. Februar folgte ein weiterer Änderungsantrag der Fraktionen der Regierungsparteien. Am 17. Februar wurde im Bundestag abschließend darüber beraten. Die für die Personengruppe der unter 25-Jährgigen relevanten Veränderungen und weitere Inhalte des Gesetzes hat Ludger Urbic vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und seiner Initiative „arbeit für alle“ in einem afa-Info zusammengefasst, welches als PDF-Datei im Anhang zur Verfügung steht. Ein zur Diskussion gestellter Kommentar von Silke Starke-Uekermann (Referentin BAG KJS) sowie eine Auswahl von Stellungnahmen zum entsprechenden Gesetzentwurf geben Einblick in den Themenbereich. Diverse Materialien sind den Anhängen zu entnehmen. Zur Diskussion gestellt: Kommentar von Silke Starke-Uekermann: Zum Beschluss eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch “ Benachteiligung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen * Leistungsansprüche für volljährige Kinder bei Auszug (§§ 20 Abs. 2a, 22 Abs. 2a und 23 Abs.6 SGB II) * Kürzung der Regelleistung für volljährige Kinder im Haushalt der Eltern (§ 20 Abs. 2 SGB II) Leistungsansprüche für volljährige Kinder bei Auszug Der Beschluss des Bundestages, das SGB II zu verändern hat tiefe soziale Einschnitte, vor allem für die Personengruppe der U25 zur Folge. Die Leistungseinschränkungen für die Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beziehen sich auf die Anpassung der Regelleistungen als Bestandteil einer Bedarfsgemeinschaft und die Einwilligung des Leistungsträgers für Umzug und Wohnungsausstattung. Die neue gesetzliche Regelleistung schränkt die Freiheit sowie die persönliche Entwicklung erheblich ein. Leistungsbezieher unter 25 Jahren müssen sich generell eine Einwilligung für einen Umzug einholen. Das gilt, unabhängig davon, ob sie aus dem elterlichen Haushalt ausziehen wollen oder aus einer schon alleine bewohnten Wohnung aus- und umziehen wollen oder aus einer eheähnlichen Gemeinschaft ausziehen möchten. Leistungsbezieher unter 25 Jahren können immer wieder auf die elterliche Wohnung verwiesen werden. Ohne Zustimmung des Leistungsgebers werden keine Unterkunftskosten übernommen und die Regelleistung auf 80% gekürzt. Im Vorfeld des Gesetzesbeschlusses wurde Kritik an der „staatlich- subventionierten-Auszugspraxis“ der U25 geübt und die Häufung rechtswidriger Inanspruchnahme von Sozialleistungen propagiert. Mit welcher Zielsetzung das geschah ist unklar. Die schwarzen Schafe, die rechtswidrig Leistungen in Anspruch nehmen, Einkommen verheimlichen oder die Erwirtschaftung zusätzlicher Einnahmen nicht angeben, mögen wohl in der Presse immer wieder plakativ hervorgehoben werden, sind aber keineswegs zu bremsen oder in ihrem Verhalten einzuschränken, dadurch das ganzen Personengruppen der Leistungsanspruch generell entzogen oder drastisch gekürzt wird. Mit der Härtefallregelung ist nicht ausreichend berücksichtigt, dass junge Erwachsene und Jugendliche (ALG II-Bezieher) den elterlichen Haushalt verlassen dürfen bzw. überhaupt umziehen dürfen, – wenn der Verbleib im Elternhaus oder im sozialen Umfeld den Jugendlichen in seiner/ihrer Entwicklung behindert oder für ihn/sie nicht länger zumutbar ist. – wenn eine Ablösung des jungen Erwachsenen/des Jugendlichen von der Familie seiner/ihrer Verselbstständigung dient oder – wenn eine berufliche Integration an einem anderen Wohnwort besser gelingt. Die Betroffenen sind auf die Auslegung der Ermessensgrundlage angewiesen und somit in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung vom Wohlwollen Dritter abhängig. Gerade Jugendliche/junge Erwachsene aus sozial schwierigen Verhältnissen sind kaum in der Lage eigenständig ihr Recht auf eine eigene Wohnung vor Gerichten durchzusetzen. Die Förderung der Eigenverantwortung bei jungen Menschen wird mit diesen gesetzlichen Regelungen gekappt. Bürgerliche Rechte werden aberkannt und Selbstbestimmung und Freizügigkeit werden eingeschränkt. Die Entwicklung in wichtigen Lebensphasen wird beeinträchtigt. Außerdem werden erwachsene Erwerbsfähige wie Minderjährige behandelt. Regelleistung für volljährige Kinder im Haushalt der Eltern Die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II wird ausgeweitet. Bis zu 24 Jahre alte Kinder werden mit zur Bedarfsgemeinschaft gerechnet und ihr Bezug der Regelleistung wird auf 80% gekürzt. Diese Ausweitung steht nicht im Einklang mit geltendem Unterhaltsrecht. Des weiteren haben Eltern keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Bedürftigkeit oder Erwerbsverhalten ihrer volljährigen Kinder. Und warum ein volljähriges Kind (80%) – Angehörige/r der Bedarfsgemeinschaft weniger Leistungen erhalten soll, als ein volljähriger Partner (90%) einer Lebensgemeinschaft ist unklar. Verbraucht ein junger Erwachsener oder Jugendlicher als Angehöriger weniger als ein junger Erwachsener oder Jugendlicher als Partner? Da liegt eine Ungleichbehandlung vor. Die Annahme des Gesetzgebers, dass sich volljährige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nicht ebenso an Kosten der Bedarfsgemeinschaft beteiligen, wie die Partner, ist spekulativ. Nur mal angenommen Ein junger Erwachsener/Jugendlicher wohnt außerhalb des Elternhauses, gerät in eine beruflich benachteiligte Situation und wird erstmalig ALGII-Empfänger. Zwecks einer Mietreduzierung will der volljährige Leistungsempfänger in eine eigene, aber preiswertere Wohnung umziehen. Die Genehmigung des Leistungsgebers wird dazu nicht erteilt, stattdessen wird auf den elterlichen Haushalt verwiesen. Damit wird der Jugendliche in eine Abhängigkeit zu seinen Eltern gebracht, die jedweder Entwicklung zu einem selbstständigen, mündigen Menschen widerspricht. Mit diesen gesetzlichen Neuregelungen öffnet man der Willkür Tür und Tor, junge Erwachsene wie Minderjährige zu maßregeln. Und überhaupt Eine gesellschaftliche Diskussion über die Verschlechterung und Eingriffe in das Leben von jungen Menschen, ist nicht gewollt. Weder das Einbringen des Gesetzesentwurfes, noch des Änderungsantrages, noch die Anhörung im Ausschuss Arbeit und Soziales oder die abschließende Lesung im Bundestag erfüllen die Anforderungen an Transparenz. Kritische Bestandteile des Gesetzesentwurfes wurden mittels des Änderungsantrages erst kurz vor der Ausschusssitzung eingebracht. Im Schnellverfahren wurden am Freitag, 17.02.2006, die Änderungen durchgesetzt. Es wurde weder Sachverständigen noch Mitgliedern des Deutschen Bundestages und schon gar nicht der Bevölkerung eine angemessene Zeit zur Prüfung, Diskussion und Bewertung der Gesetzesänderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gegeben. Wenn es sich dabei noch um einen demokratischen Prozess handelt …?“ Silke Starke-Uekermann Referentin Übersicht über einige Stellungnahmen der Sachverständigen der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 13. Februar 2006 in den für Jugendarbeit relevanten Punkten. Deutscher Gewerkschaftsbund DGB: “ 1. Gesamtbewertung … übrigen Regelungen im SGB II-Änderungsgesetz zielen darauf ab, das im Koalitionsvertrag genannte Einsparvolumen in Höhe von 3,8 Mrd. Euro zu erzielen. Dies soll ausschließlich über Leistungskürzungen realisiert werden, nicht jedoch durch Verbesserungen bei der Eingliederung Arbeitsloser. Besonders negativ ist die Absenkung des Versicherungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die ohnehin geringen Rentenanwartschaften von Hartz IV-Empfängern werden nochmals halbiert … Die Ausdehnung der Bedarfsgemeinschaft auf volljährige Jugendliche unter 25 Jahren, die im Haushalt ihrer Eltern leben und die Einschränkungen beim Erstwohnungsbezug sind überzogen. Durch eine konsequente Anwendung des bestehenden Rechts und einige Klarstellungen ist eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen im Einzelfall auch durch weniger schwerwiegende Eingriffe in das Leistungsrecht möglich. Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen zur Verbesserung der Eingliederung Arbeitsloser und zur Beseitigung von Problemen an der gesetzlichen Schnittstelle SGB III/SGB II und beim Zusammenspiel der beteiligten Behörden und Träger. … Die im Koalitionsvertrag angekündigte bedarfsdeckende Ausgestaltung von Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe ist im Gesetzentwurf bisher nicht enthalten. Die von Sozialverbänden und Gewerkschaften angemahnte Öffnungsklausel bei der Regelsatzbemessung für besondere Einzelfälle fehlt im Gesetzentwurf ebenfalls. II. Bewertung von Einzelregelungen Zu § 7 Absatz 3: Der Gesetzentwurf will den Rechtsbegriff der Bedarfsgemeinschaft auf unverheiratete erwerbsfähige Kinder unterhalb von 25 Jahren ausdehnen, die im Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils leben. Die Neuregelung dient dazu, den volljährigen Kindern nicht mehr wie bisher den vollen Regelsatz zu zahlen, sondern nur noch 80 %. Begründet wird dies mit den Minderbelastungen, da einige Kosten der Haushaltsführung bereits durch die Eltern gedeckt seien. Der DGB hält die Neuregelung nicht für angemessen. Mit der Volljährigkeit verändert sich der Rechtsstatus Jugendlicher in vielen Bereichen. Dem wurde bisher auch u.a. in der Sozialhilfe Rechnung getragen. Unabhängig von der Frage, ob das Einkommen oder Vermögen des Jugendlichen zur Deckung des eigenen Lebensunterhaltes voll ausreicht, ist ein eigenständiger Sozialhilfe bzw. Grundsicherungsanspruch wichtig. … dokumentieren sich die Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen aber auch ihre Rechtsansprüche. Die geplante Neuregelung hingegen würde selbst volljährige Jugendliche, die über eigenes Einkommen verfügen, das aber insgesamt nicht bedarfsdeckend ist, in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern einbinden. In diesem Zusammenhang ist das Vorhaben im Koalitionsvertrag wichtig, die dem ALG II vorrangigen Leistungen Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe bedarfsdeckend zu gestalten. Bisher gab es Fallkonstellationen, in denen trotz Ausbildungsbeihilfe der Lebensunterhalt nicht voll gedeckt werden konnte. Dies wurde u.a. auch vom Ombudsrat kritisiert. … Weitere Kürzungen jetzt für volljährige Jugendliche gefährden die Sicherstellung des persönlichen Bedarfs, der infolge von Reifung und Ausbildung höher liegt als bei Minderjährigen. Der DGB schlägt vor, für die Personengruppe der über 18-jährigen Haushaltsangehörigen einen eigenständigen Regelsatz (in Höhe von 90 % der Regelleistung) zu gewähren, ohne sie jedoch in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern zu integrieren. Sie gehören dann zur Haushaltsgemeinschaft. Diese Regelung macht einerseits die Selbständigkeit der Jugendlichen deutlich, berücksichtigt aber auch in angemessenem Umfang Einsparungen durch den Verbleib im elterlichen Haushalt. … Zu Nr. 6 c und Nr. 6 (§ 22) Die geplante Neuregelung sieht vor, dass Personen unter 25 Jahren, die ohne Zustimmung des SGB II–Leistungsträgers eine eigene Wohnung anmieten, nur 80 % der Regelleistung erhalten sowie keinerlei Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten haben. … Der DGB hält die jetzt vorgesehene Regelung für nicht verhältnismäßig, um den erwünschten Zweck (absichtliche Herbeiführung des Leistungsfalles) zu erreichen. Hier stünden auch andere Möglichkeiten zur Verfügung, ohne gleich für den gesamten Personenkreis der jungen Erwachsenen das grundgesetzlich geschützte Recht der freien Wahl des Wohnortes zu beeinträchtigen. … Durch eine konsequente Anwendung bestehenden Rechts wäre die Neuregelung entbehrlich. Jungen Erwachsenen bis zum 25. Lebensjahr, die ohne Zustimmung des Leistungsträgers umziehen, nicht nur die Unterkunftskosten zu verweigern, sondern zusätzlich die Regelleistung auf 80 % zu kürzen, ist nicht erforderlich. Wenn Unterkunftskosten nicht übernommen werden, werden hilfebedürftige junge Volljährige auch nicht ausziehen können, … Der DGB regt entsprechend dem SGB XII eine Beihilfe oder eine Darlehensgewährung je nach den Umständen des Einzelfalls an. …“ Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BDA: “ … In die richtige Richtung geht die geplante Verminderung der Anreize, als Jugendlicher durch Auszug aus der elterlichen Wohnung erhöhte Leistungen vom Staat zu erhalten. … Richtigerweise werden jetzt nicht nur Minderjährige in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern einbezogen, sondern auch junge Erwachsene, wobei gleichzeitig die Erstattung der Unterkunftskosten bei einem geplanten Auszug aus der elterlichen Wohnung an die Zustimmung des Leistungsträgers gebunden wird II. Im Einzelnen: … 2. Senkung des Regelsatzes für junge Erwachsene ist sachgerecht Zu Recht werden auch junge Erwachsene jetzt grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern einbezogen (Änderungen in den §§ 7, 9 und 11 SGB II). Fraglich ist allerdings, ob die Altersgrenze von 25 Jahren in solchen Fällen gerechtfertigt ist. …zukünftig nur noch 80 Prozent statt wie bisher den vollen Regelsatz erhalten. Das ist gerechtfertigt, da sich der Gesamtbedarf der Familie durch den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes nicht erhöht. … 4. Anreize zum Auszug von jungen Erwachsenen aus der elterlichen Wohnung werden zu Recht vermindert … (Einfügung eines § 22 Abs. 2a SGB II). Ohne Zusicherung des kommunalen Trägers zur Kostenübernahme für Miete und Erstausstattung der Wohnung bleibt auch der Regelsatz für unter 25-jährige bei 80 Prozent und erhöht sich nicht auf 100 Prozent, sofern diese trotzdem einen eigenen Haustand gründen.“ Detlef Schütt, Kreis Coesfeld: “ II. Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD – Ausschussdrucksache 16(11)80 1. Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft für Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (§ 9 Abs. 2 SGB II) … Die Praxis hat gezeigt, dass die Prüfung, ob die Unterhaltsvermutung der vorgenannten Regelung greift, immer wieder auf Schwierigkeiten stößt, da Erklärungen der Leistungsberechtigten und vorgelegte Unterlagen oft ein widersprüchliches Bild der tatsächlichen Gegebenheiten in der Familie entstehen lassen. Insoweit erleichtert die im Änderungsantrag vorgesehene Regelung die tägliche Arbeit vor Ort und ist daher grundsätzlich wünschenswert. Ferner ist damit zu rechnen, dass innerhalb des Familienverbandes der Selbsthilfewille gestärkt wird. … Zukünftig wäre danach also auch Einkommen und Vermögen für Stiefkinder und Kinder des nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners, aber auch für Kinder des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft einzusetzen, soweit diese zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Besonders für den letzteren Fall wird die Umsetzung in der Praxis größere Schwierigkeiten bereiten. Bereits unter der derzeit geltenden Rechtslage wird von vielen Paaren bestritten, dass sie in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Die Nachweisführung, dass eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, gestaltet sich zurzeit äußerst schwierig. … Daher sollte vom Gesetzgeber eine Legaldefinition sowie Kriterien vorgegeben werden, aufgrund derer vermutet werden kann, dass eine eheähnliche Gemeinschaft besteht. … 2. Kindergeld als zu berücksichtigendes Einkommen (§ 11 Abs. 1 S. 3 SGB II) Durch die im Änderungsantrag vorgesehene Neuregelung wird das Kindergeld als Einkommen des dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zugerechnet, soweit es bei ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Diese Änderung folgt in konsequenter Weise der Änderung zum Einkommenseinsatz in der Bedarfsgemeinschaft. 3. Regelleistung für volljährige Kinder im Haushalt der Eltern (§ 20 Abs. 2 SGB II) Es wird begrüßt, dass künftig dem Haushalt ihrer Eltern angehörende volljährige Kinder bis 25 Jahre eine Regelleistung in Höhe von 80 v. H. erhalten sollen. … Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass Kinder, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Haushalt der Eltern lebten, genau ab Erreichen des 18. Lebensjahres an den Generalkosten des Haushaltes beteiligt werden. 4. Leistungsansprüche bei Auszug aus dem elterlichen Haushalt (§§ 20 Abs. 2a, 22 Abs. 2a und 23 Abs. 6 SGB II) Seit Einführung des SGB II haben häufig Personen unter 25 Jahre Leistungsansprüche geltend gemacht, die zuvor erstmals aus dem Haushalt der Eltern in eine eigene Wohnung gezogen waren. Dass die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in diesen Fällen von der Zusicherung des kommunalen Trägers abhängig gemacht werden soll, wird befürwortet. Der Wortlaut der vorgesehenen Regelung widerspricht jedoch der Begründung: Die Regelung bezieht sich auf jeden Umzug einer Person unter 25 Jahre, also auch auf Fälle, in denen bereits zuvor eine eigene Wohnung bewohnt wurde. Dann wäre der Absatz 2a lex specialis für alle Fälle der Umzüge von Personen unter 25 Jahren. Nach der Begründung müsste allerdings für den erstmaligen Auszug § 22 Absatz 2a gelten und für einen weiteren Umzug dann § 22 Absatz 2 SGB II. Konsequent ist es, in Fällen, in denen die Zusicherung nicht erteilt werden muss, auch die Regelleistung bei 80 v. H. zu belassen und Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung nicht zuzubilligen. … “ Frank Jäger, Frankfurt/Main: “ 1. Zum aktuellen Anhörungsverfahren Diese Anhörung erfüllt nicht die Anforderungen an Transparenz und Fachlichkeit, die nach unserem Dafürhalten einem parlamentarischen Verfahren zwingend zugrunde liegen müssten. Kritische Bestandteile des hier zu behandelnden Gesetzesentwurfs wurden von der Regierung mittels Änderungsantrag erst kurz vor der Ausschussanhörung eingebracht. Weder Ausschussmitglieder noch Sachverständige hatten somit Gelegenheit, sich hinreichend vorzubereiten. Die hier vorliegende Stellungnahme, für die mit den oben genannten Voraussetzungen eine Abgabefrist von lediglich 24 Stunden gewährt wurde, kann somit nicht alle Aspekte bis ins Detail beleuchten. … Gegenstand des Änderungsantrages, der mit dem ursprünglichen Antrag kaum etwas gemein hat, erwecken die Eindruck, dass einschneidende Veränderungen im Leistungsrecht in Windeseile und ohne die gebührende öffentliche Debatte vorgenommen werden sollen und dass der Sachverstand von Fachleuten aus in sozialen Bereichen tätigen Verbänden und Organisationen bei der Sozialgesetzgebung nicht gefragt ist. Vor dem Hintergrund drastischer Einschnitte in das System der sozialen Sicherung und gravierender Mängel bei der Umsetzung von „Hartz IV“ müssen die Lebenslagen der Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II, deren Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe das Motiv für Veränderungen am SGB II sein – nicht fiskalpolitische Erwägungen – und die Bürgerinnen und Bürger müssen Gelegenheit bekommen, sich die Folgen angestrebter gesetzlicher Veränderungen zu deutlich zu machen. 3. Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 16(11)80) 3.1 Einbeziehung der unter 25-jährigen erwachsenen Hilfebedürftigen in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern In der öffentlichen Debatte der vergangenen Monate wurde der Eindruck erweckt, Eltern würden durch das SGB II von ihrer Unterhaltspflicht befreit, sobald die Kinder zu Hause auszögen. Diesen Eindruck ist falsch. Nach dem bürgerlichen Gesetzbuch sind Eltern sind Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern uneingeschränkt, gegenüber ihren volljährigen Kindern in der Regel nur eingeschränkt unterhaltspflichtig. … „Eingeschränkt unterhaltspflichtig“ bedeutet, dass Eltern mit ihrem Einkommen erst den eigenen angemessenen Unterhalt sicherstellen dürfen, bevor sie den Unterhalt ihrer Kinder ganz oder teilweise bestreiten müssen. Mit dem SGB II wird diese eingeschränkte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber volljährigen Kindern auf junge Erwachsene unter 25 Jahren beschränkt, die eine Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben. Das Risiko der Eltern bei Erwerbslosigkeit der erwachsenen Kinder mit abgeschlossener Ausbildung für deren Unterhalt aufkommen zu müssen, wurde damit gemildert, wenn auch mit den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 SGB II nie ganz beseitigt, und die Eigenständigkeit von jungen Erwachsenen mit abgeschlossener Ausbildung anerkannt. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit gerade bei jungen Menschen bedeutet diese Regelung einen Fortschritt gegenüber den entsprechenden Regelungen des BSHG und den noch bestehenden Regelungen des SGB XII. Diesen kleinen Fortschritt will der vorliegende Gesetzesentwurf zurücknehmen. Er sieht vor, dass volljährige junge Menschen, die im Haushalt der Eltern leben, keine eigene Bedarfsgemeinschaft mehr bilden, sondern der Bedarfsgemeinschaft der Eltern angehören. Und da die Mitglieder nach dem SGB II uneingeschränkt füreinander unterhaltspflichtig sind, wird damit unter der Hand die uneingeschränkte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren im eigenen Haushalt lebenden erwachsenen Kindern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eingeführt. Diese Kinder, die eben keine „Jugendlichen“ mehr sind, wie es in der Begründung des Änderungsantrags der Regierungskoalition mehrfach irreführend heißt, sondern junge Erwachsene, werden damit in einer unerträglichen Abhängigkeit von ihren Eltern gehalten. Gleichzeitig werden den Eltern noch stärker als bisher die finanziellen Folgen einer Arbeitsmarktpolitik aufgebürdet, die es ihren Kindern verwehrt, einen Ausbildungsplatz oder trotz abgeschlossener Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden. Die Neuregelung hätte zudem zur Folge, dass die Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II oder eines nennenswerten Zuschlagsbetrages künftig von noch weniger Familien erfüllt wird. 3.2 Reduzierung der Regelleistung für Erwachsene unter 25-Jährige auf 80 Prozent Darüber hinaus soll die Regelleistung für unter 25-Jährige, die im Haushalt der Eltern leben, auf 80 Prozent des Eckregelsatzes reduziert werden. Damit wird der ALGII-Anspruch der jungen Erwachsenen auf das Niveau für Jugendliche gedrückt, das ohnehin schon deutlich unter dem Existenzminimum liegt. Dies ist nicht akzeptabel. 3.3 Verhinderung des Erstwohnungsbezugs von jungen Erwachsenen Diese Verschärfung kommt einem Verbot für erwerbslose junge Erwachsene gleich, bei ihren Eltern auszuziehen. Sie sorgt also dafür, dass für die meisten Betroffenen die in 3.1 und 3.2 beschriebenen Situationen eintreten werden. Im Fall eines Auszuges hängt die Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft und die Gewährung des vollen Regelsatzes von der vorherigen Genehmigung der Behörde ab. … Die als Härtefallregelung im Entwurf unter § 22 Abs. 2a Satz 2 unter Nummer 1. und 3.genannten Gründe für einen Auszug werden von den Betroffenen nur schwer nachzuweisen sein oder sie nötigen, unzumutbare häusliche Verhältnisse zu behaupten oder diese gar erst herbeizuführen Die Erfahrungen aus der Gewährungspraxis zeigen, dass Ermessenspielräume nur selten im Sinne der Betroffenen ausgelegt werden und überzogene Nachweisforderungen von ihnen nur schwer zu befriedigen sind. … Nur die wenigsten werden ihr Recht auf einen eigene Wohnung vor den Gerichten durchsetzen. Die mit dieser Regelung beabsichtigte Wirkung steht der im SGB II mehrfach hervorgehobenen Bedeutung der Förderung von Eigenverantwortung diamental entgegen. Geht es um die Annahme einer Beschäftigung, ist bundesweite Verfügbarkeit gefragt, geht es um die Existenzsicherung werden volljährige Menschen an den Herd der Eltern gebunden. Die beabsichtigten Regelungen verwehren erwerbslosen jungen Erwachsenen und ihren Eltern die Verselbständigung voneinander. Damit verweigern sie ihnen eine wesentliche Voraussetzung für die persönliche Weiterentwicklung und die Neugestaltung der familiären Beziehungen. … In § 3 SGB II sei geregelt, so heißt es in der Begründung zu dem Gesetzentwurf, dass „Jugendliche“ – gemeint sind die jungen Erwachsenen – unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. Mit dieser Sichtweise wird die Verantwortung für die Existenzsicherung und die Existenznöte von jungen Menschen abgewehrt. Dieser Anspruch des SGB II geht bislang vollkommen an der Realität vorbei, weil die Arbeitsverwaltung gerade für diesen Personenkreis keine Perspektiven schaffende Angebote hat und auch die Unternehmen nur wenig Interesse an der Arbeitskraft von jungen Menschen zeigen. Die den jungen Menschen angebotenen „Arbeitsgelegenheiten“ und „Trainingsmaßnahmen“ ermöglichen ihnen gerade nicht die eigenständige Finanzierung ihres Lebensunterhaltes. Das Vermittlungsversprechen wird nicht eingelöst. Das „Fordern und Fördern“ des SGB II erweist sich in der Regel als „Überfordern und Hinausbefördern“. … Die Aberkennung von bürgerlichen Rechten und die Einschränkung der Selbstbestimmung und Freizügigkeit von unter 25-jährigen Erwachsenen, die noch im Elternhaus wohnen, lehnt die BAG-SHI entschieden ab. Das würde nicht nur eine ungerechtfertigte Benachteiligung von erwachsenen Erwerbsfähigen und ihre Behandlung wie Minderjährige bedeuten, sondern auch deren Entwicklung in einer wichtigen Lebensphase beeinträchtigen. Die vorliegenden Härtefallregelungen sind nicht dazu geeignet, existenzielle Notlagen und damit verbundene Obdachlosigkeit wirksam zu verhindern, wenn junge Menschen auch ohne Zustimmung der Behörden ausziehen (müssen) und mit Leistungen weit unterhalb des Existenzminimums abgespeist werden. Anstelle solcher Restriktionen sollte die Bundesregierung dringend dafür sorgen, dass die im SGB II hervorgehobene Stellung der Eigenverantwortung auch durch eine ernst gemeinte Förderung in Form von Angeboten flankiert wird, die den Betroffenen eine Zukunftsperspektive bieten. Dazu zählen insbesondere Ausbildung und Arbeitsplätze anstelle von Ein-Euro-Jobs oder sinnentleerten Trainingsmaßnahmen, die häufig darauf abzielen, Sanktionen zu provozieren. Und anstelle weiterer Sonderbehandlung und Benachteiligung von unter 25jährigen Jugendlichen und Erwachsenen muss die Sonderregelung bei der Sanktionierung in § 31 Abs. 5 sofort aufgehoben werden. Durch Druck auf junge Menschen werden keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen. Die im Änderungsantrag der Bundestagsfraktionen von Union und SPD vorgesehenen Verschlechterungen des SGB II führen eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik fort.“

Quelle: Stellungnahmen der Sachverständigen http://www.bag-shi.de/sozialpolitik/arbeitslosengeld2

Dokumente: afa_Info_1.pdf

Ähnliche Artikel

Skip to content