DIE WIRKSAMKEIT MODERNER DIENSTLEISTUNGEN AM ARBEITSMARKT: ZWISCHENBILANZ DER ‚HARTZ-GESETZE‘ (ohne Grundsicherung für Arbeitssuchende) Im Februar wurde der Bericht 2005 der Bundesregierung zur ‚Wirksamkeit moderner Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‘ vom Kabinett beschlossen und dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Damit erfüllt die Bundesregierung ihren Evaluationsauftrag vom 14. November 2002. Der Bericht leistet eine erste umfassende Evaluation der wichtigsten Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik und des Umbaus der Bundesagentur für Arbeit. Gleichwohl bildet er einen Zustand ab, der zum Teil schon ein bis zwei Jahre zurückliegt. “ Vorbemerkung … Die beiden ersten Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt(Hartz I und II) enthielten eine Neuausrichtung aller zentralen Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie gestalteten darüber hinaus die Rahmenbedingungen für die Zeitarbeitsbranche flexibler (Hartz I) und regelten die geringfügige Beschäftigung neu (Hartz II: Mini- und Midijobs). Hier ging es insbesondere um eine Förderung legaler Beschäftigung bei haushaltsnahen Dienstleistungen auch in Privathaushalten. Des weiteren wurde mit Hartz II der Existenzgründungszuschuss (Ich-AG) geregelt. Beide Gesetze traten am 1. Januar 2003 in Kraft. Das dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1. Januar 2004 steuerte die umfangreiche Neuorganisation der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit (jetzt: Bundesagentur für Arbeit) in einen modernen, kundenorientierten Dienstleister, dessen Schwerpunkt auf der Vermittlung in Arbeit liegt. “ Auszüge aus dem Bericht 2005 der Bundesregierung zur Wirkung der Umsetzung der Vorschläge der Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Ohne Grundsicherung für Arbeitsuchende) Umsetzung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 14. November 2002 (BT-Drs. 15/98): “ Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist vorrangiges Anliegen der Bundesregierung. Hierfür wurden umfassende Reformen eingeleitet. Leitmotiv der Arbeitsmarktreformen ist das Konzept des aktivierenden Sozialstaats. Im Mittelpunkt steht ein gewandeltes Verständnis der Aufgabenteilung von Staat und Bürgerinnen und Bürgern. Die Reformen am Arbeitsmarkt stellen im zentralen Lebensbereich der Erwerbsarbeit nach dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ eine neue Balance zwischen staatlich organisierter Unterstützung einerseits und der Eigeninitiative der Bürger/innen andererseits her. Ziel dieser Politik ist es, die Autonomie und Teilhabe der Bürger/innen in Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken. … Seit drei Jahrzehnten steigt jedoch die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland mit einigen Unterbrechungen faktisch kontinuierlich an. Zuletzt gab es im Dezember 2005 4,61 Mio. Arbeitslose. Gerade im Osten Deutschlands besteht aufgrund des hohen Niveaus der Arbeitslosigkeit besonders großer Handlungsbedarf. … Besonders betroffen sind auf den berufsfachlichen Arbeitsmärkten Ungelernte, gering Qualifizierte sowie Personen mit Migrationshintergrund. Von Langzeitarbeitslosigkeit sind diese Personengruppen besonders häufig betroffen. Mit dem Zweistufenplan der Bundesregierung vom Februar 2002 und den Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt war eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und der Bundesagentur für Arbeit intendiert. Der Entschließung des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 15/98) folgend, werden die Wirkungen des Ersten bis Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt im Zeitraum bis Mitte 2006 einer eingehenden Evaluation unterzogen. Der vorliegende Bericht 2005 präsentiert wichtige Zwischenergebnisse dieser Evaluation zur Umgestaltung der Bundesagentur für Arbeit und zu den Wirkungen der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. … Die Arbeitsmarktpolitik des Bundes verfolgt verschiedene Zielsetzungen. Diese finden sich im SGB III nicht nur in den Grundsatzparagrafen, sondern auch in zahlreichen instrumentenspezifischen Regelungen. So reichen die Zielsetzungen der Arbeitsförderung von der raschen Integration in ungeförderte Erwerbstätigkeit, der Unterstützung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an der Erwerbsarbeit über Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bis zur Verbesserung der regionalen Beschäftigungsstruktur. … Bislang ist es der Arbeitsmarktforschung nur begrenzt gelungen, die Erreichung der verschiedenen parallelen Zielsetzungen messbar zu machen. … Neuausrichtung und Akzeptanz der Bundesagentur für Arbeit Insgesamt geht der Umbau der Bundesagentur in die richtige Richtung: Effektivität und Effizienz ihrer Leistung werden gesteigert. Aufgrund einer neuen Transparenz wird erstmalig eine fundierte Diskussion über die Qualität der Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit möglich. Herzstück der Organisationsreform ist das Kundenzentrum der Zukunft. Das Kundenzentrum soll das Kernproblem des bislang ungesteuerten Kundenstroms in den Agenturen lösen. … Auch die Evaluation bestätigt, dass die Einrichtung von Kundenzentren geeignet ist, die Qualität der Kundenbetreuung der Bundesagentur für Arbeit deutlich zu erhöhen. Bei der Umsetzung des Konzeptes zeigten sich jedoch auch Probleme,… Hierzu gehören beispielsweise Qualifikationsprobleme und Personalmangel insbesondere in der Eingangszone und am Empfang des Kundenzentrums sowie in den Service-Centern und eine zur Zeit noch mangelhafte IT-Unterstützung. … Neuorganisation des Vermittlungsprozesses … sind die Vermittler/innen in den Kundenzentren angehalten, 60% ihrer wöchentlichen Arbeitszeit für terminierte Vermittlungsgespräche vorzuhalten. … Die zur Umsetzung der geschäftspolitischen Ziele nach dem SGB III getroffenen Zielvereinbarungen sind schwerpunktmäßig auf die Wirkungsdimension „Integration“ ausgerichtet. Bestandteil der Zielvereinbarung ist das Budget des Eingliederungstitels. Die Agenturen dokumentieren in ihrem Arbeitsmarktprogramm, mit welchem Instrumenten-Mix sie das Ziel im Rahmen des vereinbarten Eingliederungstitels erreichen wollen. … Die Orientierung an Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit im Rahmen der neuen Steuerungslogik zielt darauf ab, dass der Einsatz von Ressourcen einen positiven betriebswirtschaftlichen Nettoeffekt im SGB III-Rechnungskreis erbringt. Die Unterstützung zur Integration eines Arbeitslosen ist aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit dann betriebswirtschaftlich sinnvoll, wenn finanzielle Nettoerträge gegenüber den sonst erwarteten Aufwendungen zu erwarten sind. … Der Erfolg von Maßnahmen muss zudem vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II erfolgen, damit die Erträge noch im SGB III-Rechnungskreis realisiert werden können. … Die Anstrengungen der Bundesagentur für Arbeit konzentrieren sich auf die sog. Beratungskundinnen und -kunden, die einen gewissen Unterstützungsbedarf haben, bei denen jedoch aufgrund der Unterstützung ein Erfolg vor dem Übertritt in Leistungen nach dem SGB II erwartet werden kann. Bei den Marktkundinnen und -kunden wird unterstellt, dass eine Arbeitsmarktintegration auch ohne intensivere Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit erfolgt … Die Kundinnen und Kunden mit den schlechtesten Integrationschancen und damit dem höchsten Betreuungsbedarf, … werden von der Bundesagentur für Arbeit … nur wenig unterstützt. Bei ihnen erwartet die Bundesagentur für Arbeit keinen Erfolg ihrer Bemühungen vor dem Übertritt in Leistungen nach dem SGB II. … Die Zentralisierung des Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen erweist sich in der Praxis als schwierig. Der verstärkte Wettbewerb unter den Trägern führt zu einem starken Preiskampf, dem noch keine funktionsfähige Qualitätssicherung gegenüber steht. Der weitere Verlauf muss zeigen, ob ein effektives Qualitätsmanagement etabliert werden kann. … Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik Zentraler Untersuchungsgegenstand für die Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und ihrer Reform sind die Wirkungen auf die Integration von Arbeitslosen in Erwerbstätigkeit. Die Erhöhung der Chance auf Integration in Erwerbsarbeit und die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit sind wesentliche Ansätze zur Stärkung individueller Autonomie und fördern zugleich die politische und gesellschaftliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. … Die Zahl der Teilnehmer/innen an einer geförderten beruflichen Weiterbildung ist in den letzten Jahren stark gesunken. Dies gilt … insbesondere für Förderungen mit mittlerer Dauer. Unterproportional abgenommen haben dagegen vor allem Maßnahmen mit langer Förderdauer von mindestens zwei Jahren. … Insgesamt sahen die Agenturen die Neuausrichtung der Förderung beruflicher Weiterbildung und insbesondere die Vorgabe einer prognostizierten Verbleibsquote jedoch positiv, während über zwei Drittel der Maßnahmeträger/ innen die Reformen insgesamt negativ bewerten. … Zwischen 2000 und 2004 ist die Zahl der jährlich neu begonnenen Beschäftigungsverhältnisse, die durch Eingliederungszuschüsse gefördert werden, zunächst gefallen und dann wieder gestiegen. … Dabei gab es eine deutliche Verschiebung weg von langen Förderdauern von mindestens einem Jahr hin zu kürzeren Förderdauern. Sowohl die Förderzahlen als auch die Einschätzung der Agenturen für Arbeit machen deutlich, dass Eingliederungszuschüsse zu den wichtigsten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zählen. … weisen auf eine in den letzten Jahren (wieder) steigende Zahl von Existenzgründungen hin. Dabei war – mit leicht steigender Tendenz – jeweils etwa ein Drittel der neuen Selbstständigen weiblich. Im Jahr 2004 wurden über 350.000 Neugründungen von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Davon entfielen 48% auf den neu geschaffenen Existenzgründungszuschuss (Ich-AG). Die Einführung des Existenzgründungszuschusses hat sich nicht nachteilig auf die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes ausgewirkt die Zahl der Zugänge in die Förderung mit Überbrückungsgeld ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. … Im Verlauf des Jahres 2004 gab es für etwa 20.000 Arbeit Suchende Beauftragungen von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen. Schwerpunkt waren Arbeitslose, die höchstens 24 Jahre alt waren und/oder Vermittlungshemmnisse hatten. Der starke Preisdruck, die erfolgsabhängige Vergütung und die mangelnde fachliche Prüfung führten dazu, dass entgegen dem Interesse des Gesetzgebers und der Agenturen nur begrenzt innovative Maßnahmen angeboten wurden. Quantitative Wirkungsanalysen geben erste Hinweise darauf, dass Arbeitslose, die mit einer Eingliederungsmaßnahme gefördert wurden, aufgrund dieser Eingliederungsmaßnahme früher als eine Vergleichsgruppe ihre Arbeitslosigkeit bzw. Eingliederungsmaßnahme durch eine Integration in Erwerbstätigkeit beenden konnten. Das Instrument verbesserte also die Eingliederungschancen von Arbeitslosen. … Sofern mit der Verkürzung der Arbeitslosigkeit eine Verkürzung des Leistungsbezugs einhergeht, dürften die Eingliederungsmaßnahmen im Durchschnitt gesamtfiskalisch erfolgreich sein, d.h. zu Einsparungen geführt haben. … Die Intention der frühzeitigen Meldepflicht wurde von der Praxis begrüßt, jedoch wurde die Umsetzung des Ziels einer frühzeitigen Vermittlung im Untersuchungszeitraum kaum erreicht. Die anvisierte umfassende Betreuung erfolgte so gut wie nicht. … Vermittlungsbemühungen scheiterten vielfach an der unzureichenden Kooperation der Arbeit Suchenden, der unzureichenden Freistellung von der bisherigen Beschäftigung für eine Maßnahmeteilnahme sowie der schlechten Arbeitsmarktlage. … Im Verlauf des Jahres 2004 gab es 396.000 Beauftragungen Dritter mit Teilaufgaben der Vermittlung und 239.000 Beauftragungen Dritter mit der gesamten Vermittlung (§ 37 SGB III). Bei beiden Beauftragungen waren Jugendliche unter 25 Jahren stark vertreten. Arbeitslose, die maximal sechs Monate arbeitslos waren, waren auch bei den Beauftragungen mit der gesamten Vermittlung stark vertreten. Die Umsetzung war heterogen und erfolgt im Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz zwischen Agenturen und Privaten. … Quantitative Wirkungsanalysen konnten nicht nachweisen, dass Arbeitslose, für die Dritte mit der Vermittlung beauftragt wurden, binnen vier Monaten aufgrund dieser Beauftragung schneller ihre Arbeitslosigkeit … durch eine Integration in Erwerbstätigkeit beenden konnten als vergleichbare Arbeitslose ohne eine solche Förderung. Es konnte also keine Wirkung auf die Integrationschancen der Arbeitslosen ermittelt werden. … Verbesserung der beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen: … Seit Anfang der 1980er Jahre hat die Zahl der Beschäftigten der Zeitarbeit (einschließlich PSA) zugenommen, zuletzt sprunghaft nach der Reform. Die Zeitarbeit ist zwar ein kleines, jedoch sehr dynamisches Marktsegment: Gemessen an ihrer Größe hat sie einen sehr deutlich überproportionalen Anteil an den Neueinstellungen. … Im Juni 2005 gab es etwa 6,7 Mio. Mini-Jobber/innen dies waren 2,6 Mio. mehr als vor der Reform Ende März 2003. Unter Berücksichtigung von 740.000 Umbuchungen von zuvor sozialversicherungspflichtig Nebenerwerbstätigen betrug der Zuwachs seit der Reform 1,8 Mio., davon 700.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte und 1,1 Mio. Nebenerwerbstätige. Mini-Jobs waren im Westen, in Dienstleistungsbranchen und bei Frauen relativ häufig. Unter den ausschließlich geringfügig Beschäftigten waren vor allem jüngere und ältere Männer sowie Frauen mittleren Alters stark vertreten. Insgesamt waren die Mini-Jobs und ihre Reform gut bekannt. … Die Anteile der Midi-Jobber/innen in West- und Ostdeutschland waren in etwa gleich groß. … Die Midi-Jobs waren deutlich weniger bekannt als die Mini-Jobs. Quantitative Analysen ergaben, dass die Einführung der Midi-Jobs nicht nur zu einer Stabilisierung, sondern sogar zu einem leichten Zuwachs in dem begünstigten Beschäftigungssegment geführt hat. … Unterschiede in den Wirkungen nach Geschlechtern und Regionen: Bei der Evaluation wurden Gender-Mainstreaming-Aspekte beachtet. Es zeigten sich bisher beispielsweise überdurchschnittlich positive Arbeitsmarktwirkungen für Frauen bei Eingliederungszuschüssen und bei geförderten Existenzgründungen sowie durch die Reform der Zeitarbeit. Für Männer hingegen sind die Integrationswirkungen von geförderter beruflicher Weiterbildung und der Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen überdurchschnittlich positiv. … In Ostdeutschland hatten die mit Eingliederungszuschüssen geförderten Beschäftigungsverhältnisse ebenso wie die geförderten Existenzgründungen und die Beauftragung Dritter mit der gesamten Vermittlung überdurchschnittlich große Integrationserfolge. Im Westen hingegen erwies sich die Förderung beruflicher Weiterbildung als überdurchschnittlich erfolgreich. “
Quelle: http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/hartz-evaluation-erlaeuterungen,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/hartz-evaluation-volltext,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf