Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

NEUE CHANCEN UND PERSPEKTIVEN FÜR KINDER UND JUGENDLICHE IN DEUTSCHLAND Abgeordnete der Bündnisgrünen sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellten im Bundestag folgenden Antrag. Der Antrag in Auszügen: “ Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest 1. Kinder in den Mittelpunkt Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Politik und Gesellschaft setzen den Rahmen für das Auf- und Heranwachsen der jungen Generation. Künftige Generationen müssen daher im Zentrum einer modernen Politik und einer solidarischen Modernisierung unserer Gesellschaft stehen. Kinder-, Jugend- und Familienpolitik sind deswegen Querschnittsaufgaben: Die Belange und Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern müssen in allen Politikfeldern stärker in den Vordergrund rücken. Kinder jeglicher Herkunft sollen befähigt werden, unversehrt und selbst bestimmt aufzuwachsen und ihre Potenziale zu entfalten. … Politik und Gesellschaft müssen vom Kind aus denken, das heißt, alles Handeln und Entscheiden, Ressourcen und Strukturen konsequent an den Rechten, Möglichkeiten, Ansprüchen und Interessen von Kindern und Jugendlichen orientiert werden. … Leitlinie muss dabei die Förderung von Zugangs-, Teilhabe- und Generationengerechtigkeit sein. 2. Aufwachsen mit Hindernissen Wir brauchen eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche, um allen die Chance auf ein eigenverantwortliches Leben als selbständiges und geschätztes Mitglied der Gesellschaft zu eröffnen. Verschiedene Berichte und Studien belegen, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien und bildungsfernen Schichten ihre Potenziale nicht voll entfalten können. Viele haben schlechte Bildungschancen, werden nicht ausreichend gefördert und wachsen ungesund auf. Andere scheitern am Einstieg in das Berufsleben. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sehen sich noch immer großen Hindernissen ausgesetzt. In kaum einem anderen vergleichbaren Land entscheidet die soziale Herkunft so stark über die Bildungs- und Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen wie in Deutschland. Zentrales Ziel muss es daher sein, gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsprozessen zu eröffnen und ihnen das Heranwachsen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu ermöglichen. … Es muss deshalb darum gehen, Beratungs- und Unterstützungssysteme für Familien so weiter zu entwickeln, dass vor allen Kinder mit so genanntem Risikohintergrund guten und frühen Zugang zu öffentlichen Angeboten bekommen. Für Jugendliche ist es essentiell, durch individuelle Förderung, Beratungs- und Unterstützungsangebote die Zugänge zu Ausbildung und Beruf zu verbessern und Jugendarbeitslosigkeit insgesamt durch gezielte Maßnahmen und Programme wirksam zu bekämpfen. Es ist unsere Aufgabe, perspektivlosen Jugendlichen – insbesondere aus so genannten Risikogruppen – Chancen zu eröffnen. 3. Kinderrechte Kinder und Jugendliche sind Träger eigener Rechte und nicht Objekte des Handelns Erwachsener. Dieser Ansatz muss einer modernen, ganzheitlichen Politik für Kinder und Jugendliche zugrunde liegen. Er entspricht der UN-Konvention über die Rechte des Kindes sowie den Forderungen im Nationalen Aktionsplan für Kinder. Die Kinderrechtskonvention verpflichtet den Gesetzgeber … Dieses Instrument muss besser genutzt werden, um Kinder und ihre Belange über die Familienpolitik hinaus in jegliches politisches Handeln ein zu beziehen und ihre Mitwirkungsmöglichkeiten aus zu bauen. … 5. Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und ihre Familien … müssen finanzielle Ressourcen in diesem Land anders verteilt werden: Mehr Investitionen müssen in den frühkindlichen Bereich und in Bildungseinrichtungen fließen. Das bedeutet in Zeiten angespannter Haushaltslage eine klare Prioritätensetzung auf die Weiterentwicklung der Infrastruktur gegenüber zusätzlichen allgemeinen Transfererhöhungen. Bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen besteht weiterhin ein erheblicher Modernisierungsbedarf. Der 12. Kinder- und Jugendbericht regt eine bessere Verzahnung der verschiedenen Akteure und Institutionen in den Bereichen Erziehung, Bildung und Betreuung und eine Verknüpfung ihrer Aufgabengebiete an. … Ganztagsschulangebote – richtig gestaltet – helfen, Kinder und Jugendliche optimal zu fördern und dienen dem Ziel der Chancengleichheit. … Ganztagsangebote bieten die Chance, den dramatischen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu durchbrechen. Sie stellen den geeigneten Rahmen für eine neue Lern- und Lehrkultur. … Die strukturelle Reform im Schulbereich schöpft allerdings ihre Möglichkeiten erst dann voll aus, wenn sie mit einer inhaltlichen Bildungsreform einhergeht, die auf individuelle Förderung statt früher Selektion setzt und soziales Lernen fördert. … II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … * die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting in eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Höchstbetrag umzuwandeln und die dadurch entstehenden Mehreinnahmen der öffentlichen Haushalte in die Förderinfrastruktur für Kinder umzuleiten. * gemeinsam mit den Ländern auf die qualitative Anhebung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher auf Hochschulniveau hinzuwirken, um in den vorschulischen Einrichtungen perspektivisch einen Personal-Mix zu etablieren. … * Zusammen mit den Ländern auf mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem hinzuwirken durch mehr individuelle Förderung statt früher Selektion. Schulen müssen sich auf jedes einzelne Kind einlassen können, nur dann bekommt jedes Kind die Chance, seine individuellen Potenziale auszuschöpfen. * in der anstehenden Reform der föderalen Ordnung darauf hinzuwirken, dass der Bund sich auch in Zukunft sowohl an der strategischen Weiterentwicklung des Bildungs- und Wissenschaftssystems als auch an finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Schule und Hochschule weiterhin beteiligen kann. * den Ausbau von Ganztagsschulen nach dem Auslaufen des Ganztagsschulprogramms in 2009 weiterhin zu fördern. * über das laufende Ganztagsschulprogramm hinaus mit den Ländern gemeinsam Programme zu entwickeln und durchzuführen, die der Weiterentwicklung der Schulen zu autonomen Orten ganzheitlichen Lernens dienen. Die Schulen müssen darin unterstützt werden, sich als zentrale Lernorte mit den anderen Lernorten zu vernetzen und durch die Arbeit multiprofessioneller Teams … ein umfassendes Angebot von Bildung und Erziehung bieten. * in Zusammenarbeit mit den Ländern die engere und gleichberechtigte Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und Schule zu fördern und jeweils die strukturellen und personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. * die schulbezogene Jugendsozialarbeit bedarfsgerecht zu stärken und weiterzuentwickeln, weil sie durch explizite Bildungsangebote und kompensatorische Leistungen Chancengleichheit, soziale Inklusion und Integration verbessert. * im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür zu sorgen, dass das im 12. Kinder- und Jugendbericht geforderte Zusammenspiel unterschiedlicher Lernwelten sowie schulischer und außerschulischer Bildungsorte gestärkt wird. * zu gewährleisten, dass die Vielfalt inhaltlicher Schwerpunkte der Jugendarbeit und ihrer Handlungsfelder insbesondere in der verbandlichen und offenen Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendkulturarbeit und in der sportlichen Jugendbildung erhalten und weiterentwickelt wird. … * die im 12. Kinder- und Jugendbericht geäußerte Anerkennung der Bildungsleistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Die Ausweitung nichtschulischer multiprofessioneller Bildung im Bereich der Jugendarbeit verbreitert soziale, kulturelle, musisch-ästhetische, politische, sportliche und technisch-handwerkliche Lern- und Erfahrungsperspektiven. Es muss daher gewährleistet werden, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Überprüfung des Kinder- und Jugendplans keine Mittelkürzung zur Folge hat. * die Forderung des 12. Kinder- und Jugendberichtes nach verstärkter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Entwicklung neuer Angebote und Kooperationen in der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen, um die Partizipation, Selbstwirksamkeit und demokratische Teilhabe von Jugendlichen zu verbessern und zielgruppengerechtere Angebotsstrukturen zu gestalten. * darauf hinzuwirken, dass die Bildungsangebote der Jugendarbeit die so genannten Risikogruppen des formalen Bildungssystems besser erreichen und unterstützen. Notwendig sind dazu zielgruppenspezifische und sozialräumlich orientierte Angebote in der Jugendarbeit die soziale und kulturelle Zugangshürden für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende aus sozial prekären Lebenslagen, bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund abbauen und deren Entwicklungsperspektiven verbessern. Dazu brauchen wir eine lebensweltorientierte Öffnung der Angebotsstrukturen in Schule und Jugendhilfe und eine intensivierte Kooperation der beiden Bereiche. * im Bereich der außerschulischen Bildung darauf hinzuwirken, geschlechterbezogene Benachteiligungen von Mädchen und Jungen sowie gleichgeschlechtlich orientierter Jugendlicher abzubauen, sowie deren Potenziale und ein Klima gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung zu fördern. “

Quelle: http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm

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