KUNDENDIFFERNZIERUNG BEI ARBEITSLOSEN UND VON ARBEITSLOSIGKEIT BEDROHTEN ARBEITSUCHENDEN. Antwort auf die kleine Anfrage der Linksfraktion: “ Vorbemerkung der Fragesteller Die Bundesagentur für Arbeit und die ihr nachgeordneten Einrichtungen teilen die Arbeitslosen und die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitsuchenden in vier Kategorien ein: Marktkunden, Beratungskunden (Aktivieren), Beratungskunden (Fördern) und Betreuungskunden. Aus dieser Einteilung leiten sich differenzierte Produktangebote zur Unterstützung der Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ab, was in vielen Fällen zu einer erheblichen Chancendifferenzierung führt, die subjektiven Einflüssen und Entscheidungen unterworfen ist. Vorbemerkung der Bundesregierung Die Agentur für Arbeit hat nach § 6 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) den gesetzlichen Auftrag, spätestens nach der Arbeitslosmeldung zusammen mit dem Arbeitslosen die für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale des Arbeitslosen, seine beruflichen Fähigkeiten und seine Eignung festzustellen. … Die Bundesagentur für Arbeit (BA) nimmt ihre Aufgaben nach dem Dritten Buch gemäß § 367 SGB III als eine rechtsfähige bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung wahr. Zur Umsetzung der in den §§ 6 und 7 SGB III formulierten gesetzlichen Vorgabe legt die BA ihre Arbeitsweise im Vermittlungs- und Beratungsgeschäft in so genannten Handlungsprogrammen fest. Die durch die derzeit geltenden Arbeitnehmer-Handlungsprogramme vorgesehene Einteilung der Arbeitsuchenden in vier Kategorien ist im Sinne des § 6 SGB III die Grundlage für das weitere vermittlerische Vorgehen. Die Handlungsprogramme sind für die Agenturen für Arbeit, also für die Aufgaben nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch konzipiert und verbindlich. Die Anwendung der Handlungsprogramme durch die Arbeitsgemeinschaften ist nicht vorgegeben. Die zugelassenen kommunalen Träger sind an Konzepte der BA nicht gebunden, da sie ihre Aufgaben nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch an Stelle der Agenturen für Arbeit wahrnehmen. 1. Durch wen und an Hand welcher Kriterien erfolgt die Einordnung der Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitsuchenden in eine der vier genannten Kategorien und wie schätzt die Bundesregierung die Befähigung derjenigen ein, die diese Einordnung vornehmen? In einem umfassenden Erstberatungsgespräch ermittelt die Vermittlungsfachkraft die individuellen Stärken und Schwächen des Arbeitsuchenden und schätzt die daraus im jeweiligen Arbeitsmarktkontext resultierenden Integrationschancen ein. Anhand der vier Dimensionen „Engagement/Motivation“, „Fähigkeiten/ Qualifikation“, „Hemmnisse“ und „spezifische Arbeitsmarktbedingungen“ werden der individuelle Handlungsbedarf des Arbeitsuchenden ermittelt und unter Berücksichtigung, ob die Integrationschancen des Arbeitsuchenden durch „Fördern“ oder „Fordern“ verbessert werden können, ein Kundenprofil festgelegt. Dabei werden die Kundenprofile nach „Marktprofil“, „Beratungsprofil aktivieren“, „Beratungsprofil fördern“ sowie „Betreuungsprofil“ unterschieden. Die Festlegungen werden von den Vermittlungsfachkräften der Agenturen für Arbeit getroffen. Voraussetzung für diese Tätigkeit sind ein Hochschulabschluss oder alternativ eine abgeschlossene Berufsausbildung, mehrjährige Berufserfahrung in der BA und zusätzlich spezifische Qualifizierungen. Die Vermittlungsfachkräfte werden darüber hinaus in einer etwa achtwöchigen Einführungsphase auf die Aufgaben intensiv vorbereitet. Neben der fachlichen Unterstützung durch die Teamleiter werden nach der Einführung der Handlungsprogramme zusätzliche interne Qualifizierungen angeboten. … 3. In welchen zeitlichen Abständen wird durch wen und auf welcher Grundlage überprüft, ob die Einstufung den sich ändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes bzw. dem persönlichen Profil der betreffenden Personen noch entspricht? Die Zuordnung zu einem Kundenprofil sowie die daraus abgeleitete Integrationsstrategie werden durch die Vermittlungsfachkraft grundsätzlich in jedem Gespräch, jedoch spätestens nach Ablauf von sechs Monaten überprüft. Eine Änderung der Kundengruppe ist immer dann angezeigt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis das Kundenprofil wesentlich verändert bzw. Zwischenziele in der Integrationsstrategie aufgrund einer unzutreffenden Einschätzung im Kundenprofil verfehlt werden. Auch Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt können zu einer neuen Einschätzung führen. … 6. Welche Möglichkeiten haben Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende, auf ihre Eingruppierung Einfluss zu nehmen, wenn sie der Meinung sind, dass diese nicht ihren Vermittlungschancen bzw. persönlichen Voraussetzungen gerecht wird? Ziel der qualifizierten Erstberatung durch die Vermittlungsfachkraft ist eine gemeinsame einvernehmliche Vereinbarung mit dem Arbeitsuchenden über die Schritte, die für seine berufliche Eingliederung erforderlich sind. Dazu werden die Integrationschancen mit dem Arbeitsuchenden erörtert. Ausgehend vom Kundenprofil einigen sich der Arbeitsvermittler und Arbeitsuchende auf eine Zieloption. Bei abweichenden Einschätzungen wird die Zieloption festgelegt, die von der Vermittlungsfachkraft als aussichtsreichste eingeschätzt und somit von der Agentur für Arbeit auch sinnvoll unterstützt werden kann. Der Arbeitsuchende kann daneben weitere Ziele verfolgen. Laut Auskunft der BA gibt es bisher keine Probleme bei der Festlegung der Vermittlungsstrategie. 7. Wer entscheidet auf welcher Grundlage, ob einem Kunden arbeitsmarktfördernde Produkte gewährt oder angeboten werden können, wenn dieser einer Kundengruppe angehört, für die diese Produkte nicht vorgesehen sind? Die Entscheidung über einen Instrumenteneinsatz trifft die zuständige Vermittlungsfachkraft. Sie soll sich dabei … grundsätzlich an der Passgenauigkeit des Förderinstruments, der Erfolgssicherheit … und der Wirkung des Förderinstruments im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Arbeitslosigkeit orientieren. 8. Weshalb ist gerade für Betreuungskunden, denen die schlechtesten Vermittlungschancen zugesprochen werden, der Einsatz von Förderprodukten, wie Eingliederungszuschuss, Mobilitätshilfe, Trainingsmaßnahme zur Einstellungsfeststellung bzw. zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten oder Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht vorgesehen, so dass ihre Wiedereingliederung dadurch zusätzlich erschwert wird? Laut Aussage der BA wird kein Arbeitsuchender a priori von Förderung ausgeschlossen. … Sofern die Vermittlungsfachkraft zu dem Ergebnis kommt, dass der Arbeitsuchende weder durch „Fördern“ noch durch „Fordern“ schneller integriert werden kann, entspricht dieser Arbeitsuchende dem Betreuungsprofil. In der Regel handelt es sich hierbei um Arbeitsuchende, deren Qualifikation nicht nachgefragt ist, bei denen Hemmnisse und ggf. auch Motivationsprobleme vorliegen und deren Profil in ihrem regionalen Arbeitsmarkt derzeit nicht integrationsfähig ist. Unabhängig davon hat die BA ein Sonderprogramm für Betreuungskunden initiiert, um insbesondere für Geringqualifizierte und Ältere Integrationsfortschritte zu erzielen. 9. Weshalb erhalten Marktkunden unabhängig von ihrer persönlichen finanziellen Situation keine finanziellen Unterstützungsleistungen zur Aufnahme einer Beschäftigung, wie z. B. Mobilitätshilfen, obwohl mit einer daraus resultierenden schnelleren Vermittlung die Arbeitsagentur finanziell entlastet würde? Die Handlungsprogramme sehen auch für Marktkunden die Gewährung von Reisekostenbeihilfe, Fahrkostenbeihilfe, Trennungskostenbeihilfe und Umzugskostenbeihilfe vor. Auch andere finanzielle Unterstützungsleistungen stehen zur Verfügung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und eine berufliche Eingliederung ermöglicht wird. 10. Auf welcher Grundlage erfolgt der Ausschluss einzelner Kundengruppen von bestimmten arbeitsmarktfördernden Produkten, obwohl alle Empfänger des Arbeitslosengeldes I vor ihrer Arbeitslosigkeit in gleicher Weise Zahlungen in die Arbeitslosenversicherung leisteten? Laut Aussage der BA wird kein Arbeitsuchender allein wegen der Zuordnung zu einer Kundengruppe von der Gewährung der Förderinstrumente ausgeschlossen. “
Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/010/1601085.pdf