Kombilöhne im internationalen Vergleich

KOMBILÖHNE IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Herbert Brücker und Regina Konle-Seidl nehmen für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit verschiedene Kombilöhne unter die Lupe und stellen einen internationalen Vergeleich an. Auszüge aus dem IAB Kurzbericht: “ Nicht jede Therapie schlägt überall an Angelsächsische Erfahrungen zeigen, dass Kombilöhne in Verbindung mit einer umfassenden Reform der Grundsicherung die Beschäftigung spürbar steigern können – In Kontinentaleuropa dagegen haben sie die Beschäftigung nicht oder nur wenig erhöht. In Deutschland versucht man mit den „Hartz-Reformen“, Arbeitslose durch verstärkte Vermittlungsbemühungen und Sanktionen wieder in den Erwerbsprozess zu integrieren. In einer Reihe anderer Länder wurden derartige Reformen mit Einkommenssubventionen an Geringverdiener verknüpft, um die materiellen Anreize für die Aufnahme von Arbeit im Niedriglohnbereich zu verstärken. In Deutschland existiert bislang kein konsistentes System, in dem monetäre Anreize für Geringverdiener mit verstärkten Vermittlungsbemühungen und Sanktionen abgestimmt sind. In diesem Kurzbericht wird untersucht, welche Folgen solche Kombilohn-Modelle in anderen Ländern hatten und diskutiert, welche Argumente für und welche wider die Einführung eines Kombilohnmodells in Deutschland sprechen. Viele OECD-Länder haben in den 1990er Jahren ihre Sozial- und Steuersysteme grundlegend reformiert, um die Anreize für die Aufnahme von Erwerbsarbeit für Transferempfänger zu stärken. Insbesondere in den angelsächsischen Ländern will man erwerbslose Leistungsempfänger durch Einkommenssubventionen für Geringverdiener bei Arbeitsaufnahme („In-Work-Benefits“) auf der einen und durch Leistungskürzungen, obligatorische Arbeitssuche und Sanktionen auf der anderen Seite wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Beides gehört zum Gesamtkonzept einer „Welfare-to-Work“- Politik. … Demgegenüber versuchen einige kontinentaleuropäische Länder durch die Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen die Arbeitskosten und damit die Arbeitslosigkeit insbesondere von Niedrigqualifizierten zu senken. Kombilöhne in Form von Einkommenssubventionen werden international als Steuerrückerstattungen (USA, Großbritannien), als Zuschüsse zu Sozialversicherungsbeiträgen (Belgien, Frankreich, Niederlande) oder in einer Kombination aus beidem (Frankreich, Belgien) gewährt. Diese Subventionen können je nach Modell den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern oder auch beiden zu Gute kommen. In Deutschland bislang unbekannt sind Kombilöhne in Form von Steuerrückerstattungen. Aber es gibt bereits Hinzuverdienstmöglichkeiten für Leistungsempfänger, die wie Einkommenssubventionen wirken. … Die ökonomische Logik von Kombilöhnen Grundsätzlich können Kombilöhne die Beschäftigung durch zwei Mechanismen beeinflussen: Erstens können sie die Anreize verstärken, Arbeit aufzunehmen (Angebotseffekt). Zweitens können sie durch sinkende Löhne bzw. Lohnnebenkosten die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeit erhöhen (Nachfrageeffekt). Ursprünglich geht die Idee der Kombilöhne auf das Konzept der negativen Einkommenssteuer zurück, in dem die Transfers mit steigendem Einkommen schrittweise gesenkt werden. … Um die Erwerbsanreize noch weiter zu steigern, gewähren aktuelle Kombilohnprogramme wie der EITC (Earned Income Tax Credit) in den USA und der WTC (Working Tax Credit) in Großbritannien eine Einkommenssubvention erst bei Arbeitsaufnahme. Diese Einkommenssubventionen sind in das Steuersystem integriert. Die Förderung erfolgt anstelle von Transfers einer Sozial- bzw. Arbeitsverwaltung über eine Steuergutschrift. Der Fiskus zahlt eine Gutschrift bei Unterschreiten von Einkommensgrenzen, darüber wird die Steuerlast positiv. Parallel werden die Transferleistungen für Nichtaktive gesenkt, zeitlich befristet und mit Auflagen verbunden. Angebotseffekte von Kombilöhnen Die angelsächsischen Kombilohnmodelle versuchen, die Erwerbsbeteiligung von Personen mit geringem Verdienstpotenzial durch eine Verbindung von Einkommenssubventionen mit Auflagen, die von der Verpflichtung zur Jobsuche bis hin zur obligatorischen Teilnahme an temporären Arbeitsmaßnahmen reichen, zu steigern. … Der Nutzen des Einzelnen wird aber nicht nur durch monetäre Anreize bestimmt, sondern auch durch zahlreiche nicht-monetäre Faktoren wie Freizeit oder Kindererziehung. Einkommenssubventionen müssen deshalb nicht zwangsläufig die Erwerbsneigung von Geringverdienern erhöhen. Zu unterscheiden ist ein Substitutions- und ein Einkommenseffekt: Auf der einen Seite steigen mit einem höheren Lohn für Geringverdiener die Anreize, weitere Arbeit aufzunehmen. Denn für jede Arbeitsstunde kann mehr konsumiert werden, so dass der relative Preis von Konsumgütern im Vergleich zur Freizeit sinkt. Bei gegebenem Nutzen aus Konsum und Freizeit steigt deshalb das Arbeitsangebot (Substitutionseffekt). Auf der anderen Seite führt der steigende Lohn dazu, dass mehr konsumiert und mehr Zeit für Freizeit verwendet werden kann. Sofern Freizeit ein normales Gut ist, fallen mit höherem Einkommen deshalb die Arbeitsanreize (Einkommenseffekt). … Nachfrageeffekte von Kombilöhnen Unter der vereinfachenden Annahme vollkommenen Wettbewerbs am Arbeitsmarkt würden Einkommenssubventionen in Verbindung mit verpflichtender Erwerbsarbeit nicht nur zu sinkenden Reservationslöhnen führen. Außerdem müssten auch die Marktlöhne sinken und dadurch die Arbeitsnachfrage im Niedriglohnsektor steigen (Nachfrageeffekt). Nun sind die Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs nicht zwangsläufig gegeben. Mindestlöhne und Tariflöhne über dem Produktivitätsniveau bewirken, dass sich die effektiven Löhne nicht oder nicht vollkommen an sinkende Reservationslöhne anpassen. Selbst ohne solche institutionelle Rigiditäten halten viele Unternehmen die effektiven Löhne über den Reservationslöhnen, um zusätzliche Leistungsanreize zu schaffen (Effizienzlöhne). … Das angelsächsische Kombilohnmodell In den angelsächsischen Ländern, insbesondere den USA und Großbritannien, aber auch in Kanada, Irland und Neuseeland, werden Einkommenssubventionen in Form von Steuerrückerstattungen („Tax Credits“) an Geringverdiener gezahlt. Sie haben das Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Transferempfängern zu erhöhen und Armut von Geringverdienern („Working Poor“) zu bekämpfen. … Geringe Nettobelastung der öffentlichen Haushalte Die Effekte der Einführung von Kombilöhnen für die öffentlichen Haushalte hängen maßgeblich von vier Faktoren ab: Von der Zahl der Leistungsbezieher, die aus den Transfersystemen ausscheiden ohne eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen von der Zahl der aktivierten Erwerbslosen von der Höhe der Einkommenssubvention und von ihrer Gegenfinanzierung durch direkte oder indirekte Steuern. Die Einführung von Kombilöhnen kann zwar grundsätzlich neutral für die öffentlichen Haushalte gestaltet werden, aber nur um den Preis deutlich niedrigerer Transfers oder höherer Auflagen für erwerbslose Leistungsbezieher. Ist dies aus sozialen und ethischen Gründen nicht erwünscht, müssen die Mehrausgaben der öffentlichen Haushalte durch zusätzliche Steuern und Abgaben von den Erwerbstätigen mit mittleren und höheren Einkommen finanziert werden. … Einkommenssubventionen in Großbritannien In Großbritannien wurde im Jahr 1999 … der WFTC (Working Family Tax Credit) eingeführt, der den Family Credit ablöste. Wie in den USA ist der WFTC Bestandteil einer umfassenderen „Welfare-to-Work“ Politik, die auch gering bezahlte Arbeit attraktiver machen will („Making Work Pay“). Darauf zielten auch Reformen des Steuer- und Versicherungssystems. Der Einkommenssteuersatz wurde für 1,5 Millionen Niedriglohnempfänger halbiert. Eine Million Menschen wurden von der Beitragszahlung im nationalen Versicherungssystem befreit. Um Lohndumping und die Förderung von sehr geringen Erwerbseinkommen zu vermeiden, wurde zudem ein Mindestlohn eingeführt. Dieser wurde in Abstimmung mit dem WFTC-Förderbetrag bei 44 Prozent des Medianeinkommens festgelegt. Zusammen mit dem WFTC (30 Prozent) kommt damit ein Arbeitnehmer bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche über die Armutsschwelle. Der WFTC … wurde 2003 durch den WTC (Working Tax Credit) abgelöst. Er sieht nun auch Leistungen für Kinderlose vor und wird um den CTC (Child Tax Credit) ergänzt. Vorraussetzung für den WTC-Bezug ist ein Jahreseinkommen unterhalb von 5.060 Pfund und eine Beschäftigung von mindestens 30 Wochenstunden bei Alleinstehenden über 25 Jahren. Den WTC bekommen aber auch Antragsteller, die mindestens 16 Wochenstunden arbeiten und verantwortlich für ein Kind sind oder einen sich „qualifizierenden“ Jugendlichen (bis zum 19. Lebensjahr). … Geringere Beschäftigungseffekte In Großbritannien ist durch die Einführung des W(F)TC in Verbindung mit „Workfare“-Programmen die Beschäftigung weniger stark gestiegen. … Leicht negative Beschäftigungswirkungen zeigte auch die Einführung eines Mindestlohnes im Jahr 1999. … Höhere fiskalische Kosten Die Ausgaben des britischen WFTC waren dagegen mit einem Anteil von 0,6 Prozent am BIP fast doppelt so hoch wie in den USA. Die Beschäftigungseffekte sind insgesamt sehr viel geringer ausgefallen, wie zuvor ausgeführt. In Großbritannien dürfte es deshalb zu einer Nettobelastung der öffentlichen Haushalte gekommen sein, auch wenn keine genauen Berechnungen der fiskalischen Kosten und Erträge vorliegen. Befristete Kombilöhne in Kanada In Kanada wurde Mitte der 1990er Jahre in zwei Provinzen ein auf drei Jahre befristeter Kombilohn (SSP = Self Sufficiency Project) in einem sozialen Experiment getestet. Das SSP gewährte allein erziehenden Sozialhilfebeziehern, die eine niedrig bezahlte Vollzeitbeschäftigung aufnahmen, einen Lohnzuschlag. Dieser ergab sich aus der Differenz des niedrigen Verdienstes zu einem fiktiven Einkommen (Benchmark) aus einer Beschäftigung von mindestens 30 Stunden pro Woche. Für das Kombilohnexperiment in Kanada zeigen Evaluationsstudien, dass der befristete Kombilohn die Erwerbsbeteiligung von Alleinerziehenden nach 15 Monaten um 10 bis 15 Prozentpunkte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Einkommenssubvention erhöht hat. Das Familiennettoeinkommen war für die SSP-Programmteilnehmer im Schnitt um 10 Prozent höher als bei der Kontrollgruppe. Allerdings konnte nur bei einem geringen Prozentsatz der SSP-Teilnehmer eine Aufwärtsmobilität in Form von Lohnerhöhungen festgestellt werden. Gegen Ende des Programms nahmen zudem die Arbeitsanreize wieder ab. Erfahrungen in den kontinentaleuropäischen Ländern Die sozialen Sicherungssysteme in den kontinentaleuropäischen Ländern wie Belgien, Deutschland, Niederlande und Frankreich sind überwiegend abgabenfinanziert und zeichnen sich im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien durch einen hohen Steuer- und Abgabenkeil im Niedriglohnbereich aus: Die Steuer und Abgabenlast für Geringverdiener beträgt dort 30 Prozent bis 45 Prozent des Einkommens. Allein die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung belaufen sich je nach Land auf 21 Prozent bis 41 Prozent der Bruttolöhne. Zusammen mit dem vergleichsweise hohen Niveau der Transferleistungen für Nichterwerbstätige führt diese hohe Steuer- und Abgabenlast dazu, dass es sich erst ab einem vergleichsweise hohen Bruttoeinkommen lohnt, Erwerbsarbeit aufzunehmen. Das höhere Lohnniveau dürfte ein wichtiger Grund für die im Vergleich zu den USA geringere Arbeitsnachfrage im Niedriglohnbereich sein. Auch in den kontinentaleuropäischen Ländern gibt es zahlreiche Formen von Einkommenssubventionen für Geringverdiener. Sie reichen von Hinzuverdienstmöglichkeiten für Leistungsbezieher, über Einkommensbeihilfen … bis zur Bezuschussung von Sozialversicherungsbeiträgen. Die meisten Kombilohnmodelle in den kontinentaleuropäischen Ländern subventionieren die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber, um die Arbeitsnachfrage im Niedriglohnbereich zu erhöhen. … Neben der Bezuschussung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung werden in Frankreich und Belgien auch die Haushaltseinkommen von Geringverdienern durch Steuergutschriften („Beschäftigungsprämien“) unterstützt. … Negativer Beschäftigungssaldo in Frankreich Auf der Nachfrageseite sieht das französische Programm zur Subventionierung von Sozialbeiträgen vor, dass Arbeitgeber bei Einstellungen von Mindest- und Niedriglohnempfängern von einem Teil der Sozialabgaben entlastet werden. Nach ersten Evaluierungen wurden Netto-Beschäftigungseffekte zwischen 10.000 und 50.000 „Personenjahren“ ermittelt. Während die Beschäftigungseffekte eher bescheiden sind, sind die fiskalischen Aufwendungen für die Beitragsreduktion beträchtlich. Sie betragen aktuell rund 19 Mrd. Euro im Jahr. … Geringe Beschäftigungseffekte in den Niederlanden Mit der Subventionierung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (SPAK) in den Niederlanden wurden nach einer vorliegenden empirischen Studie nur geringe Effekte erreicht. Durch die Subventionen konnte netto eine zusätzliche Beschäftigung von 46.000 bis 59.000 Geringverdienern erreicht werden. Die durch Simulationsstudien gestützte Erwartung, dass durch die Subventionen ein Anstieg der Gesamtbeschäftigung um rund 80.000 Personen bewirkt werden könnte, wurde damit verfehlt (ECORYS, 2006). Schlussfolgerungen Kombilöhne verfolgen je nach Land unterschiedliche Zielsetzungen und knüpfen an unterschiedliche Rahmenbedingungen an. In den USA und Großbritannien werden großzügige Einkommenssubventionen in Form von Steuergutschriften für Arbeitnehmer gewährt. Sie sind Teil einer umfassenden „Welfare-to-Work“ Politik, die die Erwerbsbeteiligung erhöhen und die Armut von Geringverdienern bekämpfen will. Die Erfahrungen der angelsächsischen Länder zeigen, dass unbefristete Einkommenssubventionen für Geringverdiener in Verbindung mit einer umfassenden Reform der Mindestsicherung einen spürbaren Anstieg der Erwerbstätigkeit bewirken können. Die Beschäftigungswirkungen hängen davon ob, ob Kombilöhne in ein konsistentes Steuer- und Transfersystem eingebunden werden. … Das US-amerikanische Kombilohnmodell lässt sich auf Deutschland und andere kontinentaleuropäische Länder nicht übertragen, weil sich die Institutionen des Wohlfahrtsstaates und des Arbeitsmarktes grundsätzlich voneinander unterscheiden. So verlangt das verfassungsrechtlich geschützte Prinzip der bedarfsorientierten Grundsicherung in Deutschland ein höheres Niveau der Sozialleistungen für Nichterwerbstätige als in den USA. Auch ist eine zeitliche Befristung der Sozialhilfe mit dem Prinzip der bedarfsorientierten Grundsicherung nicht vereinbar. In Ländern wie Deutschland und Frankreich ist nicht nur das Niveau der Grundsicherung, sondern auch die Belastung von Geringverdienern durch das Steuerung Abgabensystem hoch. Der kombinierte Effekt aus Abgabenbelastung und dem partiellen oder völligen Entzug von einkommensabhängigen Sozialtransfers bei Aufnahme einer Beschäftigung führt zu einer hohen effektiven Grenzsteuerrate auf das zusätzlich verdiente Erwerbseinkommen. Dies senkt die Arbeitsanreize. Auch die Nachfragebedingungen unterscheiden sich in den kontinentaleuropäischen Ländern von den USA. … Angesichts des hohen Abgabenkeils und der geringeren Lohnflexibilität würde es sich in Deutschland anbieten, anstelle von niedrigen Einkommen die Beiträge zur Sozialversicherung zu subventionieren. Dadurch würden sowohl das Arbeitsangebot über steigende Arbeitsanreize als auch die Arbeitsnachfrage über sinkende Arbeitskosten erhöht. Nach den vorliegenden empirischen Befunden sind die Effekte einer Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen allerdings begrenzt. So haben Subventionen der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in Belgien, den Niederlanden und Frankreich in Höhe von 10 Prozent bis 12 Prozent der Arbeitskosten trotz hoher fiskalischer Kosten nur einen geringen Anstieg der Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor bewirkt. … Ein erster Schritt könnte eine konsistentere Gestaltung des bestehenden Steuer- und Transfersystems sein. Die gegenwärtige Ausgestaltung der bereits existierenden Kombilohnvariante in Deutschland – die Aufstockung von niedrigen Verdiensten durch das Arbeitslosengeld II – führt in eine Anreizfalle. Durch die Kombination von ergänzendem Bezug von ALG II mit Hinzuverdienstmöglichkeiten kann schon bei geringfügiger Beschäftigung ein Einkommen erreicht werden, dass nur unwesentlich niedriger ist als bei einer Vollzeitbeschäftigung im Niedriglohnbereich. Dadurch verfestigt sich die Abhängigkeit von Transferleistungen und die Anreize, eine Vollzeitarbeit aufzunehmen, werden stark geschwächt. Diese Anreizfalle könnte beseitigt werden, wenn die Subventionierung von Kleinstarbeitsverhältnissen verringert und die von Vollzeitarbeitsverhältnissen im Niedriglohnbereich erhöht würde. … Grundsätzlich gilt, dass bei einem höheren Niveau der Grundsicherung deutlich mehr Geld für Kombilöhne aufgewendet werden muss, um die gleichen Anreizeffekte zu erreichen. In einem Sozialstaat deutscher Prägung werden die monetären Arbeitsanreize auch bei einer grundlegenden Reform des Steuer- und Transfersystems immer geringer als in den USA ausfallen, sofern man das Niveau der Grundsicherung nicht deutlich absenken will. Bei einem hohen Niveau der Grundsicherung ist deshalb eine konsequente Politik des „Forderns“ umso wichtiger. In Deutschland ist die Verknüpfung von Transferleistungen mit Auflagen zur Jobsuche oder der Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten grundsätzlich möglich und durch Hartz IV weiter verschärft worden. Erste Erkenntnisse zeigen zwar, dass die Kontrolle der Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft schwierig umzusetzen ist. Jedoch bestehen hier noch erhebliche Spielräume für eine konsequentere Aktivierungspolitik, die monetäre Erwerbsanreize mit Auflagen für Erwerbslose verbindet. “ AutorIn: Herbert Brücker, Regina Konle-Seidl

Quelle: IAB Kurzbericht Ausgabe Nr. 10/2006

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