Gesundheitsberichterstattung des Bundes

GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES Auszüge aus dem Bericht: “ … WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE GESUNDHEIT? Die Gesundheit und Lebenserwartung der Deutschen wird in erheblichem Maße von der sozialen Lage und dem Bildungsniveau, dem individuellen Lebensstil sowie Belastungen aus der Umwelt beeinflusst. Arbeitslosigkeit und armutsgefährdete Lebenslagen, gering ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein, Luftverschmutzung und Lärmbelastung, Tabak- und Alkoholkonsum spielen dabei ebenso eine Rolle wie abträgliche Ernährungsgewohnheiten und mangelnde körperliche Aktivität, Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Diese Einflussgrößen, die insbesondere für chronische Krankheiten mit bestimmend sind, bieten zugleich zahlreiche Anknüpfungspunkte für Prävention und Gesundheitsförderung. Insgesamt zeichnet sich für die verschiedenen Faktoren ein heterogenes Bild. Sowohl positive als auch negative Trends lassen sich beobachten. So haben sich die allgemeinen Lebensbedingungen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Gleichzeitig haben jedoch angesichts schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit Ungleichheit und Armutsrisiken tendenziell zugenommen. Vor allem Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, allein erziehende Frauen und in diesem armutsgefährdenden Umfeld aufwachsende Kinder sind ungünstigeren Gesundheitschancen ausgesetzt. … SOZIALE LAGE UND GESUNDHEIT … So hat sich der Anteil der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger an der Bevölkerung seit Anfang der 1960er Jahre von unter einem auf über drei Prozent im Jahr 2002 erhöht. Auch die Zahl der von Einkommensarmut bedrohten Menschen ist angestiegen. Derzeit sind 13,5 Prozent der Bevölkerung einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Kinder und Jugendliche sind dabei überdurchschnittlich, ältere Menschen, vor allem ab 65 Jahren, unterdurchschnittlich betroffen. Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind durch stärkere Arbeitsbelastungen, schlechtere Wohnverhältnisse, vermehrten Zigarettenkonsum, häufigeres Übergewicht und größeren Bewegungsmangel einem teilweise deutlich erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt. Leiden wie Schlaganfall, chronische Bronchitis, Schwindel, Rückenschmerzen und Depressionen sind in der unteren Sozialschicht sowohl bei Frauen wie Männern häufiger als in der oberen Schicht. Eine besondere Risikogruppe stellt die gewachsene Zahl der Arbeitslosen dar. Bei den 20- bis 59-Jährigen leiden knapp 50 Prozent der arbeitslosen, dagegen rund 30 Prozent der erwerbstätigen Männer und Frauen unter gesundheitlichen Beschwerden. Dies führt bei Arbeitslosen im Vergleich mit Erwerbstätigen zu einer etwa doppelt so großen Zahl von Krankenhaustagen. Schlechter gestellt sind auch die mehr als eine Million allein erziehenden Frauen. Ende 2002 war jede vierte von ihnen sozialhilfeabhängig. Allein erziehende Mütter sind generell unzufriedener mit ihrer Lebenssituation als verheiratete Mütter und leiden vermehrt unter Bronchitis, Leber- und Nierenleiden sowie psychischen Erkrankungen. Bei den deutlich weniger zahlreichen allein erziehenden Vätern finden sich diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht. ARMUT UND SOZIALE UNGLEICHHEIT … Armut und soziale Ausgrenzung sind aber nicht nur Randphänomene, sondern betreffen auch Menschen in mittleren Wohlstandslagen. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und den Wandel von Lebens- und Haushaltsformen. Auch die Wiedervereinigung Deutschlands, die Zuwanderung von Menschen aus ökonomisch schwächeren Ländern und die demografische Alterung gehen mit großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen einher. Armut und soziale Ausgrenzung schränken die Lebensbedingungen und Teilhabechancen der Betroffenen ein und können nachhaltige Auswirkungen auf die Gesundheit haben. … Für die Entwicklung einer Politik, die auf eine Stärkung der sozialen Integration zielt, ist daneben die gesundheitliche Situation von Menschen in solchen Lebenslagen von Bedeutung, die durch spezifische soziale Nachteile und Gesundheitsgefährdungen charakterisiert sind, wie Arbeitslose und allein erziehende Mütter. … Der Anstieg des Lebensstandards, des Durchschnittseinkommens sowie des Bildungsniveaus in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten angesichts schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit nicht zu einer Verringerung von Ungleichheit und Armutsrisiken geführt. So ist das Durchschnittseinkommen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einschließlich der Zeit nach der Wiedervereinigung gestiegen. … Gleichzeitig ist jedoch auch die Zahl der von Einkommensarmut bedrohten Menschen angestiegen. … Kinder und Jugendliche sind dabei überdurchschnittlich, ältere Menschen, vor allem ab 65 Jahren, dagegen unterdurchschnittlich betroffen. … in den neuen Ländern ist die Zahl der mit einem Armutsrisiko lebenden Personen zwischen 1998 und 2003 nach einem Rückgang in den Vorjahren erneut angestiegen. … BILDUNG HÄNGT MIT DER SOZIALEN HERKUNFT ZUSAMMEN … Durch die insgesamt höhere Bildungsbeteiligung verschlechtern sich gleichzeitig aber auch die Teilhabechancen der bildungsfernen Bevölkerungsgruppen. Ein niedriger Bildungs- und Berufsabschluss vermindert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und erhöht das Arbeitslosigkeitsrisiko. Im Jahr 2003 verließen 9 Prozent der Abgängerinnen und Abgänger von allgemein bildenden Schulen die Schule ohne Hauptschulabschluss und fast 15 Prozent der 20- bis 29-Jährigen waren ohne beruflichen Bildungsabschluss. Von den ausländischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren rund 35 Prozent ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Außerdem lässt sich feststellen, dass die Bildungsbeteiligung mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. So belegt die PISA-Studie aus dem Jahr 2000, dass die Chance des Besuchs eines Gymnasiums für ein Kind aus einem Elternhaus mit hohem sozialen Status 3,1-mal so hoch war wie für ein Facharbeiterkind. … Viele chronische Leiden treten in der unteren Sozialschicht häufiger auf. Dass die Gesundheit von der Schichtzugehörigkeit mitbestimmt wird, hat eine Vielzahl nationaler und internationaler Studien belegt. … So sind Schlaganfälle, Rückenschmerzen, chronische Bronchitis und Schwindel bei Männern in der Unterschicht häufiger als in der Oberschicht. Für Frauen lässt sich zusätzlich ein verstärktes Vorkommen von Herzinfarkten und Diabetes mellitus am unteren Ende des Schichtgefüges beobachten. Den Daten zufolge sind dabei die Erkrankungswahrscheinlichkeiten um den Faktor 1,5 bis 2,5 erhöht. Auch die psychische Gesundheit ist in unteren Sozialschichten schlechter. Nach den Selbstauskünften der Befragungsteilnehmer leiden Männer aus der Unterschicht 2-mal häufiger und Frauen aus der Unterschicht 1,6-mal häufiger an einer Depression als Männer und Frauen aus der Oberschicht. … Zigarettenkonsum und Übergewicht sind in der unteren Schicht stärker verbreitet. Die schichtspezifischen Unterschiede bei der Erkrankungshäufigkeit gehen möglicherweise nicht nur auf die ungleiche Verteilung von Belastungen und Ressourcen zurück, sondern auch auf ein unterschiedliches Gesundheitsverhalten. … ARBEITSLOSIGKEIT Arbeitslose sind von einem erhöhten Krankheits- und Sterberisiko betroffen. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland hat seit der Wiedervereinigung deutlich zugenommen. Im August 2005 waren mehr als 4,7 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von fast 10 Prozent in den alten und über 18 Prozent in den neuen Bundesländern. … Arbeitslosigkeit besitzt nicht nur negative finanzielle Folgen, sondern geht häufig auch mit verstärkten psychosozialen Belastungen sowie dem Verlust von Selbstwertgefühl und sozialen Beziehungen einher. … So ist bei Arbeitslosen die körperliche und psychische Gesundheit schlechter und das Risiko eines vorzeitigen Todes höher als beim Bevölkerungsdurchschnitt. … Die Gesundheitsprobleme nehmen bei Männern mit der Dauer der Arbeitslosigkeit zu, während Frauen durch Kurzzeitarbeitslosigkeit genauso stark oder sogar stärker als durch Langzeitarbeitslosigkeit beeinträchtigt sind. Der Geschlechterunterschied lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass sich viele Frauen aufgrund kürzerer oder brüchigerer Erwerbsbiographien nur kurzzeitig arbeitslos melden und zudem eher als Männer durch die Ehe oder Partnerschaft sozial abgesichert sind. Darüber hinaus könnte die Arbeitslosigkeit bei Männern aufgrund der gesellschaftlichen Festlegung auf die Erwerbsrolle das Selbstbild stärker beeinträchtigen und als belastender erlebt werden. Arbeitslose sind häufiger Klientinnen und Klienten des Gesundheitssystems. Entsprechend ihrer schlechteren Gesundheitssituation nehmen Arbeitslose das medizinische Versorgungssystem verstärkt in Anspruch. … Männer ohne Arbeit rauchen mehr und treiben weniger Sport. Vor allem bei Männern geht Arbeitslosigkeit vermehrt mit gesundheitlich riskanten Verhaltensmustern einher: Arbeitslose rauchen häufiger und treiben weniger Sport. Zudem sind sie zu einem größeren Anteil übergewichtig, was auf eine ungesunde Ernährung hindeuten könnte. … Unklar bleibt allerdings, in welchem Maße die Arbeitslosigkeit tatsächlich die Ursache der größeren gesundheitlichen Risiken darstellt. Umgekehrt könnten gesundheitliche Einschränkungen mit ein Grund für den Verlust des Arbeitsplatzes sein. … ALLEIN ERZIEHENDE FRAUEN Die Zahl der allein erziehenden Mütter steigt. … sehen sich Frauen, die alleine für ihre Kinder sorgen, vielfältigen Nachteilen gegenüber. Dazu gehören schlechtere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, ein niedrigeres Einkommen und eine häufigere Sozialhilfeabhängigkeit. … Allein erziehende Frauen sind weniger zufrieden. Allein erziehende Mütter sind durch Probleme in einer Vielzahl von Lebensbereichen belastet und mit ihrer Situation deutlich weniger zufrieden als verheiratete Mütter. … Allein erziehende Frauen sind häufiger krank. Wie Studien der Stressforschung zeigen, können belastende Lebenssituationen langfristig zu gesundheitlichen Schädigungen führen. Tatsächlich sind … allein erziehende Mütter sind deutlich häufiger von Nieren- und Lebererkrankungen, chronischer Bronchitis sowie Migräne betroffen als verheiratete Mütter. Auffällig ist auch die mit 24,7 Prozent mehr als doppelt so hohe Quote psychischer Leiden. Zudem ist bei allein erziehenden Frauen die so genannte gesundheitsbezogene Lebensqualität vermindert. … Allein erziehende Mütter vermissen gesellschaftliche Anerkennung. Klar scheint, dass finanzielle Transferleistungen sowie die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nicht ausreichen, um die Situation allein erziehender Frauen zu verbessern. Vielmehr sollten flexible Angebote der Kinderbetreuung geschaffen werden, die Alleinerziehenden eine Berufstätigkeit erlauben. Allein erziehende Mütter vermissen jedoch nicht nur bessere materielle Bedingungen, sondern offenbar in erster Linie die gesellschaftliche Anerkennung und den Respekt vor ihren Erziehungsleistungen. “ Umfassende Informationen zu sozialer Ungleichheit und Gesundheit finden sich in der Expertise Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit des Robert Koch-Instituts zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht.

http://www.rki.de
http://www.bmg.bund.de

Quelle: Pressemitteilung des Bundesminsteriums für Gesundheit

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