Bilanz der Bundesagentur zum Ausbildungsstellenmarkt. ‚Benachteiligte Jugendliche sind die Verlierer.‘ Die BAG KJS nimmt Stellung

MEHR ABGESCHLOSSENE AUSBILDUNGSVERTRÄGE, ABER AUCH MEHR UNVERSORGTE BEWERBER Die Bundesagentur für Arbeit legte am 11.10.2006 die Zahlen zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres vor. Aus diesem Anlass verabschiedete der Vorstand der BAG KJS die Stellungnahme ‚Benachteiligte Jugendliche sind die Verlierer.‘ und veröffentlichte anhängede Presseerklärung. Zusätzlich veröffentlichten der Deutsche Caraitasverband und der BDKJ, beides Mitglieder der BAG KJS, Presseinformation, die die Perspektivlosigkeit junger Menschen ohne Ausbildung betonen und die Forderung nach einem Sofortprogramm unterstützen. Die Stellungnahme der BAG KJS sowie das Papier des Caritasverbandes und des BDKJ im Volltext: BENACHTEILIGTE JUGENDLICHE SIND DIE VERLIERER. “ Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit fordert Sofortprogramm zur Verbesserung der Situation am Ausbildungsmarkt Aktuelle Situation Der Ausbildungsmarkt zeigt sich zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres katastrophal. Einer leicht ansteigenden Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern um einen Ausbildungsplatz steht ein nochmals verringertes Angebot an betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen zur Verfügung. Die Zahl der nicht vermittelten Jugendlichen ist um 9000 auf 49 500 gestiegen. Massiv betroffen von dem Einbruch in der betrieblichen Ausbildung sind ausländische Jugendliche. Ihre Teilnahme an der dualen Berufsausbildung ist auf 25% zurückgegangen. Für benachteiligte Jugendliche wird es immer schwieriger, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Skandalös ist, dass auch die von der Bundesagentur für Arbeit bereit gestellten außerbetrieblichen Ausbildungsplätze um 4300 auf 45 200 zurückgegangen sind. Dies trifft diese Jugendlichen zusätzlich hart. Es droht eine wachsende Zahl von Menschen ohne Perspektive auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Junge Menschen werden in ihrer Lebensentfaltung nachhaltig eingeschränkt. Sozialer Sprengstoff für die Zukunft wird offensichtlich billigend in Kauf genommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit e.V. als Zusammenschluss von bundeszentralen Organisationen und Landesarbeitsgemeinschaften fordert: * Es müssen alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, dass alle jungen Menschen, die eine Berufsausbildung absolvieren wollen, auch einen Ausbildungsplatz erhalten können. Auch die Wirtschaft ist in unserer Wissensgesellschaft mehr denn je auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. * Für benachteiligte Jugendliche müssen – neben der Einrichtung weiterer Ausbildungsplätze – zusätzliche sozialpädagogische und ausbildungsbegleitende Hilfen bereit gestellt werden. * Die Ausbildung junger Menschen muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt werden. Eine Aufgabe, der sich alle gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere die Wirtschaft, stellen müssen. * Die BAG KJS mahnt die politisch Verantwortlichen deshalb zu sofortigem Handeln. Sie fordert ein Sofortprogramm zur Schaffung von mindestens 50.000 zusätzlichen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für die nächsten 2 Jahre, um der gleich bleibenden Nachfrage bis 2008 gerecht zu werden. Diese Ausbildungsplätze sollten betriebsnah in Kooperation mit den Trägern der Jugendberufshilfe gestaltet werden. Zur Finanzierung eines Sofortprogramms könnten Mittel aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit und nicht ausgeschöpfte Steuermittel aus den Eingliederungsmitteln der Träger des SGB II genutzt und gebunden werden. Hierzu muss die Bundesregierung die Rahmenbedingungen schaffen. * Zusätzlich muss sicher gestellt werden, dass eine bessere Förderung und individuelle Begleitung benachteiligter junger Menschen, beginnend mit dem Kindergartenalter bis zum Ende der Schulzeit realisiert wird. Die Eltern müssen bei der Wahrnehmung ihres grundgesetzlich geregelten Erziehungsauftrags unterstützt werden. Auf lokaler Ebene müssen Kooperationsformen von Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen geschaffen werden, die die Angebote miteinander verbinden und die bestehenden Ressourcen bündeln. Ansätze der effektiveren und frühzeitigeren Zusammenarbeit im Rahmen der beruflichen Bildung und auch zwischen der Berufberatung und der Schule sind daher zu begrüßen und zu intensivieren. Jugendliche, die jetzt kein adäquates Angebot erhalten, werden in ihrer Entwicklung ausgebremst. Sie sind zudem von Armut und dauerhafter gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht. “ Unterzeichnet von Pater Franz-Ulrich Otto SDB Vorsitzender der BAG KJS (Düsseldorf, 12.10.2006) OHNE AUSBILDUNG KEINE PERSPEKTIVE FÜR JUNGE MENSCHEN “ Caritas fordert verstärkte Kooperation zwischen Schulen, Jugendsozialarbeit und Betrieben Berlin. 11. Oktober 2006. Der mit der Wirtschaft bestehende Ausbildungspakt hat sein Ziel, jedem jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu geben, bisher nicht erreicht. Die Tatsache, dass mit Beginn des Ausbildungsjahres 2006/2007 laut Bundesagentur für Arbeit 49.500 Bewerber kei-nen Ausbildungsplatz haben, bezeichnet der Deutsche Caritasverband (DCV) als alarmierend. „Fast 50 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen haben keine Berufsausbildung. Um Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen zu verringern, ist – neben einem Schulabschluss – eine Berufsausbildung un-abdingbar“ fordert der Generalsekretär des DCV, Georg Cremer. Dringend erforderlich ist aus Sicht des DCV eine verstärkte Kooperation zwischen Schulen, Jugendsozialarbeit und Betrieben. Nur so verbessern sich die Vermittlungschancen auch für benachteiligte junge Menschen. Die von der Wirtschaft beklagte mangelnde Ausbildungsreife vieler Jugendlicher sei ernst zu nehmen, aber nicht die alleinige Ursache für die fehlenden Ausbildungsplätze. „Wir beobachten, dass viele Betriebe zu wenig wissen über Fördermöglichkeiten für Jugendliche, wie sie beispielsweise berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder ausbildungsbegleitende Hilfen bieten“ so Georg Cremer. „Die von der Bundesregierung initiierten Kompetenzagenturen, die die Jugendlichen beim Einstieg in den Beruf begleiten, begrüßen wir.“ Ein richtiger Schritt seien auch die Planungen der Bundesagentur für Arbeit, Projekte zur Berufsorientierung in Schulen zu initiieren. Bereits von der 7. Klasse an sollen Schüler Berufe und die betriebliche Praxis kennen lernen und dabei erfahren, welche Erwartungen während einer Ausbildung an sie gestellt werden. „Um nachhaltig zu wirken, müssen die Förderprogramme langfristig angelegt und gut vernetzt sein“ fordert Caritas-Generalsekretär Cremer. Durch berufsvorbereitende und qualifizierende Maßnahmen unterstützt die Caritas jährlich mehr als 15.000 Jugendliche dabei, einen Berufsabschluss zu machen bzw. die Ausbildungsreife zu erreichen. Bis zu 40 Prozent dieser Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. In Diensten, Einrichtungen und Ausbildungsstätten der Caritas werden jährlich etwa 85.000 junge Menschen in pädagogischen und sozialpflegerischen Berufen, in Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in hauswirtschaftlichen- und Verwaltungsberufen ausgebildet. Darüber hinaus hat die Caritas eine Befähigungsinitiative gestartet, um sich noch stärker für bessere Start- und Lebensbedingungen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen einzusetzen. “ BDKJ: 50.000 ZUSÄTZLICHE AUSBILDUNGSPLÄTZE Initiative ‚arbeit für alle‘ fordert Sofortprogramm und Fonds zur Verbesserung der Situation am Ausbildungsmarkt “ Der Ausbildungsmarkt 2006 zeigt sich katastrophal. 49.500 Bewerberinnen und Bewerbern, 9.000 mehr als im Vorjahr, wurde kein Ausbildungsplatz vermittelt. Einer gestiegenen Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern um einen Ausbildungsplatz steht ein nochmals verringertes Angebot an bei der Bundesagentur gemeldeten betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen zur Verfügung. Die Zahl neu abgeschlossener, betrieblicher Ausbildungsplätze war in den vergangenen zwei Jahren um 50.000 zurückgegangen. Dieser Trend konnte nicht ausreichend umgekehrt werden. Als besonderer Skandal ist zu bewerten, dass auch die Zahl außerbetrieblicher Ausbildungsplätze für Benachteiligte um mehr als 9% zurückgegangen ist. Die Angebot-Nachfrage Relation ist weit entfernt von einem ausreichenden, auswahlfähigen Verhältnis von 112,5 zu 100 (angebotene Ausbildungsplätze / Ausbildungsplatzsuchenden). Sogar der rechnerische Ausgleich ist wiederum weit verfehlt worden. Hochrechnungen des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) machen sogar deutlich, dass eine realistische Angebot-Nachfrage-Relation im letzten Ausbildungsjahr mit ca. 82/100 zu beziffern war. Diese Situation hat sich nicht verbessert. Der Ausbildungspakt hat die Erwartungen enttäuscht. Der Umfang des betrieblichen Ausbildungsengagements ist weiter nicht ausreichend zur Deckung des Bedarfs. Die Paktpartner, Bundesregierung und Arbeitgeber, lassen nichts unversucht, den Misserfolg des Paktes und die Situation schön zu reden. Immer wieder angeführt wird hierbei das EQJ-Programm. In der Evaluation des Programmes wird deutlich, dass in der Regel gut gebildeten, ausbildungsreifen, so genannten marktbenachteiligten Jugendlichen ein EQJ-Platz vermittelt und der Ausbildung ein kostengünstiges Probejahr vorangestellt wurde. Sozial Benachteiligte und Lernbeeinträchtigte wurden durch das Programm kaum erreicht. Auch in diesem Jahr bleibt es dabei, dass es für Benachteiligte immer schwieriger wird, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Der Rückgang des außerbetrieblichen Ausbildungsangebotes trifft diese Jugendlichen zusätzlich hart. Es droht eine wachsende Zahl von Menschen ohne Perspektive auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Hier kommt die Gesellschaft ihrer sozialen Verpflichtung nicht nach, sozialer Sprengstoff für die Zukunft wird offensichtlich billigend in Kauf genommen. Wir schieben einen mit jedem Jahr wachsenden Berg von Altbewerbern vor uns her. Schon um die 40% der Bewerber sind so genannte Altbewerber. Es ist wichtig, dass ihnen, wenigstens zum Teil, Angebote zur Erlangung oder zum Erhalt ihrer Ausbildungsreife gemacht wurden. Es ist genauso dringend notwendig, sie auch in Ausbildung zu integrieren und ihnen notwendige Teilhabeperspektiven zu eröffnen. Wir brauchen die Arbeitskraft und Kompetenzen auch dieser jungen Menschen zur Sicherung eines ausreichenden Angebotes an Fachkräften. Der „arbeit für alle e.V.“, der als Initiative im Bund der Deutschen Katholischen Jugend bundesweit Projekte der Jugendberufshilfe koordiniert und aus deren Erfahrungen schöpft, fordert die Bundesregierung und politisch Verantwortlichen zu sofortigem Handeln auf. Er fordert ein Sofortprogramm zur Schaffung von mindestens 50.000 zusätzlichen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für die nächsten 5 Jahre, um der gleich bleibenden Nachfrage bis 2008 gerecht zu werden. Diese Ausbildungsplätze sollten in Kooperation mit den bewährten Trägern der Jugendberufshilfe gestaltet werden. Gerade für benachteiligte Jugendliche eignen sich schulische Ersatzangebote im Rahmen der dualen Ausbildung nicht, da der Lernort für diese Jugendlichen mit Versagen und Resignation verbunden ist und so die Ausbildung mit schlechteren Erfolgs- und Integrationsaussichten ausgestattet würde. Um Betriebsnähe zu gewährleisten, aber mit einer zu starken Konzentration auf das so genannte kooperative Modell die Bereitschaft und Aufnahmekapazität der Betriebe nicht zu überfordern, sollte auf flexible außerbetriebliche Angebote gesetzt werden. Diese sollten einen Mix von Ausbildung beim Träger und betrieblichen Praktika in einem realistischen, sachgerechten Verhältnis ermöglichen. Das Sofortprogramm zur Schaffung von max. 5.000 außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für Jugendliche mit Migrationshintergrund ist ein viel zu kleiner Schritt in die richtige Richtung. Zur Finanzierung eines Sofortprogramms können Mittel aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit und nicht genutzte Steuermittel aus den Eingliederungsmitteln der Träger des SGB II genutzt und verbindlich hierfür gebunden werden. Hierzu können Bundesregierung und der Bundestag ihre gestalterischen Möglichkeiten und Kompetenzen einsetzen und nutzen. Die Arbeitgeber stehen trotz des geforderten Sofortprogramms weiter in der Pflicht, ein ausreichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen anzubieten. Dies lässt sich durch Selbstverpflichtungen und Zusagen im Rahmen des Nationalen Ausbildungspaktes ganz offensichtlich nicht gewährleisten. Daher muss die Politik steuernd eingreifen und die Arbeitgeber zur Einlösung ihrer Verpflichtung binden. Der „arbeit für alle e.V.“ fordert, aus dem Versagen des Ausbildungspaktes endlich die Konsequenz zu ziehen und eine Umlagefinanzierung zu realisieren. Er fordert ein intelligentes System eines Nationalen Ausbildungsfonds zu schaffen. In diesen sollen alle Betriebe einzahlen und ausbildende Betriebe nach Umfang ihres Ausbildungsengagements die Zuwendungen erhalten. Der Fonds setzt somit nicht auf ein Bestrafungssystem sondern auf gleichmäßige Verteilung der Lasten und Belohnung des Ausbildungsengagements. Bestehende bewährte, branchenspezifische Fondsmodelle mit ihren guten Erfahrungen können als Vorbild dienen und in einen Nationalen Ausbildungsfonds integriert werden bzw. Teil desselben sein. Für sozial Benachteiligte Jugendliche bedarf es auch mittelfristig und langfristig eines entsprechenden Angebotes an Außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen und vor allen Dingen ausbildungsbegleitender Hilfen. Für die Ausbildung müssen Modelle entwickelt werden, die die Möglichkeiten der Betriebe zur Ausbildung Benachteiligter verbessern. Es müssen „Dreiecksausbildungsverhältnisse“ zwischen Betrieben, Jugendberufshilfeträgern und Jugendlichen konzipiert und erprobt werden, die Betriebe im Verbund mit den Jugendberufshilfeträgern in die Lage versetzen benachteiligte Jugendliche erfolgreich auszubilden und als Fachkräftenachwuchs nutzen zu können. Die Kooperation entlastet die Betriebe hierbei durch sozialpädagogische Betreuung, Stützunterricht, fachpraktische und fachtheoretische Unterweisung. Dies stellt auch eine Möglichkeit dar, durch organisatorische Unterstützung Kleinbetriebe und Betriebe ausländischer Besitzer zu einem Ausbildungsengagement zu führen. Der „arbeit für alle“ fordert alle Verantwortlichen zu einem Umdenken und Umsteuern auf und fordert, nachhaltige Schritte zur Verbesserung der Situation am Ausbildungsmarkt zu gestalten. “ Zu Ihrer weiteren Information stehen Ihnen die Presseerklärung der BAG KJS und die Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit in Anhang zur Verüfung.

http://www.bdkj.de
http://www.caritas.de
http://www.arbeitsagentur.de/nn_249574/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A011-Presse/Presse/2006/Presse-06-071.html
http://www.arbeitsagentur.de/nn_249574/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A011-Presse/Presse/2006/Presse-06-070.html

Quelle: BAG KJS, Deutscher Caraitasverband, BDKJ und Bundesagentur für Arbeit

Dokumente: _06_10_11_Presseerkl_344rung_Ausbildungsplatzsituation_doc_.pdf

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