Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes

UNTERRICHTUNG DURCH DEN BUNDESRECHNUNGSHOF ZUR HAUSHALTS- UND WIRTSCHAFTSFÜHRUNG DES BUNDES Auszüge aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes: “ Vorbemerkung Die Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes, die für die Entscheidung über die Entlastung der Bundesregierung besondere Bedeutung haben, erstrecken sich auf das Haushaltsjahr 2005. … 3 Schwachstellen bei Hartz IV beseitigen und Vollzug verbessern … ORGANISATION, AUFSICHT UND FINANZIERUNG Träger der Grundsicherung sind die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) und die kreisfreien Städte und Kreise (Kommunen). Die Bundesagentur ist dabei verantwortlich für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und das Arbeitslosengeld II. Die Kommunen sind verantwortlich für die Leistungen für Unterkunft und Heizung, einmalige Bedarfe für den Lebensunterhalt sowie die flankierenden Eingliederungsleistungen. Im Bereich einiger Kommunen erbringen die jeweiligen Träger, d. h. die Agenturen für Arbeit und die Kommunen, die Leistungen getrennt. Im Regelfall erbringt hingegen eine Grundsicherungsstelle alle Leistungen aus einer Hand, damit die Hilfebedürftigen nur einen Ansprechpartner haben. Als Grundsicherungsstellen haben die Kommunen und die Agenturen 350 so genannte Arbeitsgemeinschaften errichtet. Daneben wurde 69 Kommunen auf Antrag gestattet, für einen Zeitraum von sechs Jahren alle Aufgaben der Grundsicherungsstelle und des Trägers der Leistungen zu übernehmen (zugelassene kommunale Träger). Damit sollen alternative Modelle der Eingliederung von Hilfebedürftigen erprobt werden. Die Bundesagentur unterliegt im Bereich der Grundsicherung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Bundesministerium). Die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften führt die zuständige oberste Landesbehörde im Benehmen mit dem Bundesministerium. Die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger obliegt den zuständigen Landesbehörden. Die Kosten der Leistungen der Grundsicherungsstellen sowie die Verwaltungskosten tragen Bund und Kommunen jeweils für diejenigen Leistungen, bei denen sie Träger sind. Als Ausnahme von diesem Prinzip beteiligt sich der Bund allerdings derzeit zusätzlich mit 29,1 % an den Kosten für Unterkunft und Heizung, um die Kommunen um jährlich 2,5 Mrd. Euro zu entlasten. Ende Juli 2006 hatten rund 7 Millionen Personen in rund 3,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Davon bezogen rund 5 Millionen Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Da der größte Teil der Leistungen der Grundsicherungsstellen in Trägerschaft der Bundesagentur steht, trägt der Bund den weit überwiegenden Teil der Kosten. SCHWACHSTELLEN BEIM GESETZESVOLLZUG Der Bundesrechnungshof hat die Grundsicherung mit Unterstützung der Prüfungsämter des Bundes Berlin, Hannover, Köln, München und Stuttgart in einer Vielzahl von Prüfungen untersucht. Er hat dabei insbesondere in folgenden Bereichen erhebliche Schwachstellen festgestellt: – Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen, – Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, – Organisation einschließlich Rechts- und Fachaufsicht. Die Mängel lassen sich im Wesentlichen auf folgende Ursachen zurückführen: – Unzureichende Bearbeitungsqualität, – materielle Defizite des Gesetzes im Hinblick auf einzelne Tatbestandsvoraussetzungen bei der Leistungsgewährung und bei den Sanktionsmöglichkeiten, – strukturelle Probleme der Organisation, – das Auseinanderfallen von Finanz- und Fachverantwortung. Die Schwachstellen haben dazu geführt, dass die Leistungen der Grundsicherung teilweise nicht wirksam und nicht wirtschaftlich erbracht wurden. Sie gefährden die Zielerreichung des Hartz IV-Gesetzes. Im Mai 2006 hat der Bundesrechnungshof dem Parlament über die Mängel bei der Grundsicherung berichtet und Verbesserungsvorschläge gemacht. Der Gesetzgeber hat erste Optimierungsmaßnahmen eingeleitet und dabei auch Anregungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen: So wurde ein verbindlicher Maßstab zur Genehmigung von Abwesenheitszeiten und zur Leistungsgewährung bei fehlender Erreichbarkeit eingeführt. Zudem wurde eine Ermächtigungsgrundlage für Verwaltungsvorschriften zur Abrechnung von Verwaltungskosten geschaffen. Der Bundesrechnungshof hat im Verlauf des Jahres 2006 weitere Prüfungen durchgeführt. Aufgrund seiner Prüfungserkenntnisse hält er ergänzende gesetzliche Änderungen und eine Verbesserung des Vollzugs der Grundsicherung für unverzichtbar. LEISTUNGEN ZUR EINGLIEDERUNG IN ARBEIT Vermittlungsgespräche und Eingliederungsvereinbarungen … Nach den Prüfungserkenntnissen des Bundesrechnungshofes waren die Eingliederungsaktivitäten der Grundsicherungsstellen unzureichend. Sie schöpften ihre Möglichkeiten nicht aus, Hilfebedürftige in Arbeit zu integrieren oder zumindest Integrationsfortschritte zu erzielen. So hatten sie mit einem Drittel der Hilfebedürftigen noch keine Beratungsgespräche geführt, um Vermittlungshemmnisse aufzudecken und ggf. eine Vermittlungsstrategie abzustimmen. Die betroffenen Personen bezogen seit durchschnittlich siebeneinhalb Monaten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In etwa der Hälfte der geprüften Fälle hatten die Grundsicherungsstellen entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen. Die Hilfebedürftigen warteten durchschnittlich drei Monate auf ein qualifiziertes Erstgespräch zur Abstimmung einer Vermittlungsstrategie und vier Monate auf eine Eingliederungsvereinbarung. … Auch die Gruppe der unter 25jährigen Hilfebedürftigen wurde nicht ausreichend betreut, obwohl die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Prüfungszeitraum zu den besonderen geschäftspolitischen Schwerpunkten gehörte. Die festgestellten Mängel waren teilweise auf eine unzureichende Qualifikation der Vermittlungsfachkräfte zurückzuführen. Bei den Grundsicherungsstellen war ein hoher Anteil befristet Beschäftigter tätig, der keine einschlägige Ausbildung besaß und mit den Eingliederungsinstrumenten nicht vertraut war. Zudem herrschte eine starke Personalfluktuation. … Arbeitsgelegenheiten Bei der Einrichtung von Arbeitsgelegenheiten, den so genannten Ein-Euro-Jobs, unterliefen den Grundsicherungsstellen zahlreiche, teilweise gravierende Fehler. Die Förderung war in diesen Fällen nicht rechtmäßig oder bereitete die Hilfebedürftigen nicht ausreichend auf eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt vor. … Im Jahre 2005 traten rund 630 000 Personen in Arbeitsgelegenheiten ein. Der Bund wendete hierfür zusätzlich zu den Arbeitslosengeld II-Leistungen rund 1,1 Mrd. Euro auf. … Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass bei fast einem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Arbeitsgelegenheiten die Förderungsvoraussetzungen nicht vorlagen, weil die Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral waren. Bei weiteren knapp 50 % der geprüften Fälle hatten die Grundsicherungsstellen keine Kenntnis über Art und Umfang der auszuübenden Tätigkeiten und möglicher Qualifizierungen. Die Förderungsfähigkeit war damit zweifelhaft. Die Grundsicherungsstellen gewährten Maßnahmeträgern überwiegend eine monatliche Kostenpauschale für die Beschäftigung in Höhe von durchschnittlich 255 Euro pro Arbeitsgelegenheit. Sie unterließen es aber, eine Kalkulation der Kosten anzufordern und die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten zu prüfen. Neben den übrigen Kosten der Grundsicherung fiel bei einer Beschäftigung in Arbeitsgelegenheiten damit eine Kostenpauschale für den Maßnahmeträger an. Hinzu kam die Mehraufwandsentschädigung von in der Regel ein bis zwei Euro pro Stunde, die die Hilfebedürftigen erhielten. Insgesamt waren Arbeitsgelegenheiten damit nicht zwingend kostengünstiger als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. … Der Bundesrechnungshof hält es im Interesse eines wirksamen und wirtschaftlichen Einsatzes von Haushaltsmitteln für notwendig, in Zukunft nur noch Arbeitsgelegenheiten unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zu fördern. Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass Pflichtaufgaben der örtlichen öffentlichen Verwaltung bzw. Aufgaben privater Einrichtungen auf Kosten des Bundeshaushaltes durchgeführt oder reguläre Arbeitsplätze durch Eingriffe in den Wettbewerb verdrängt werden. Das Bundesministerium sollte eine Arbeitshilfe mit eindeutigen Vorgaben erlassen, die die bundeseinheitliche gesetzmäßige Durchführung von Arbeitsgelegenheiten sicherstellt. Zudem sollte es – schon mit Rücksicht auf das erhebliche Haushaltsvolumen – seine Fachaufsicht verstärken und bessere Kontrollen sicherstellen. Das Bundesministerium hat zugestanden, dass es nach der Einführung des SGB II zu einer Vielzahl von Fehlern gekommen ist, die bei konsequenter Beachtung der Arbeitshilfe teilweise hätten vermieden werden können. Am bloßen Empfehlungscharakter der fortzuschreibenden Arbeitshilfe will es jedoch festhalten, um den „weitgehend erzielten Konsens der beteiligten Akteure“ über das Instrument der Arbeitsgelegenheiten im Hinblick auf eine zielorientierte Umsetzung nicht zu gefährden und um die lokale Gestaltungsfreiheit nicht zu beschränken. Es wolle allerdings stärker als bisher auf eine Beachtung der Empfehlungen „hinwirken“. Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes hat die lokale Gestaltungsfreiheit und Entscheidungskompetenz dort ihre Grenze, wo beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Leistungen gegen gesetzliche Fördervoraussetzungen verstoßen wird und die Leistungen nicht wirksam und nicht wirtschaftlich erbracht werden. … Eigenbemühungen und Eingliederungsbereitschaft Eigenbemühungen und die Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung oder Eingliederungsmaßnahme anzunehmen, sind keine zwingenden Voraussetzungen für die Leistungsgewährung. Die Grundsicherungsstellen können nur dann Leistungen kürzen oder einstellen, wenn sie den Hilfebedürftigen in der Eingliederungsvereinbarung konkrete Eigenbemühungen aufgegeben oder wenn sie eine zumutbare Beschäftigung oder Eingliederungsmaßnahme angeboten haben. Das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheidet sich damit grundlegend vom Arbeitsförderungsrecht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Eigenbemühungen und die Arbeits- und Eingliederungsbereitschaft sind dort zwingende Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld I. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass Eingliederungsvereinbarungen oft nicht zeitnah und nicht ausreichend präzise geschlossen und Arbeits- oder Eingliederungsangebote häufig nicht mit der erforderlichen Rechtsfolgenbelehrung unterbreitet wurden. Leistungskürzungen wären in diesen Fällen nicht oder nur zeitverzögert möglich gewesen. Empfänger von Leistungen der Grundsicherung sind damit gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeld I deutlich begünstigt. Hierfür besteht kein sachlicher Grund. Der Bundesrechnungshof hat vorgeschlagen, die Leistungen der Grundsicherung bei zu aktivierenden Hilfebedürftigen von vornherein von Eigenbemühungen und vom Vorliegen einer Arbeits- und Eingliederungsbereitschaft abhängig zu machen. VERWALTUNGSORGANISATION UND STEUERUNG DER AUFGABENERLEDIGUNG Die genannten Schwachstellen bei der Leistungsgewährung beruhen nicht allein auf Vollzugsdefiziten, sondern auch auf strukturellen Mängeln und auf unklaren Befugnissen der beteiligten Akteure. … WEITERE SCHRITTE Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat das Bundesministerium im Zusammenhang mit dem Bericht des Bundesrechnungshofes aufgefordert, die bestehenden Vollzugsdefizite schnellstmöglich zu beseitigen und alle administrativen und aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Er hat an die Träger der Grundsicherung und die Grundsicherungsstellen appelliert, die Umsetzung der Arbeitsmarktreform zu verbessern. In verschiedenen Bereichen, insbesondere bei der Qualifikation der Beschäftigten, der Datenverarbeitung, der Missbrauchsbekämpfung, der Steuerung und beim Einsatz von Eingliederungsmitteln seien weiterhin erhebliche Anstrengungen erforderlich. Die vom Gesetzgeber eingeleiteten Optimierungsmaßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Im Hinblick auf die zuvor dargestellten Prüfungsfeststellungen hält der Bundesrechnungshof weitere Verbesserungen aber für unverzichtbar. Er empfiehlt folgende Schritte: – Die Grundsicherungsstellen müssen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt verbessern. Das Instrument der Eingliederungsvereinbarung sollte entsprechend dem Willen des Gesetzgebers zügig und zielgerichtet genutzt werden, um die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt zu integrieren oder zumindest Integrationsfortschritte zu erzielen. – Im Bereich Ein-Euro-Jobs sind verbindliche Durchführungsregeln erforderlich, um zu verhindern, dass mit diesen Maßnahmen Pflichtaufgaben der örtlichen öffentlichen Verwaltung oder Aufgaben privater Einrichtungen auf Kosten des Bundeshaushalts durchgeführt werden oder reguläre Arbeitsplätze durch Eingriffe in den Wettbewerb verdrängt werden. – Das Gesetz sollte für diejenigen Arbeitslosengeld II Empfänger ergänzt werden, denen Arbeit zumutbar ist: Ebenso wie beim Arbeitslosengeld I sollten auch Grundsicherungsleistungen für diese Gruppe voraussetzen, dass Arbeits- und Eingliederungsbereitschaft sowie Eigenbemühungen bestehen. – Der Bund trägt die Aufwendungen der wesentlichen Leistungen der Grundsicherung einschließlich der Verwaltungskosten. Er muss sicherstellen können, dass die Haushaltsmittel bundesweit rechtmäßig und wirtschaftlich eingesetzt werden. Dazu sollte durch eine Gesetzesänderung klargestellt werden, dass die Bundesagentur für Arbeit für ihren Zuständigkeitsbereich den Arbeitsgemeinschaften verbindliche Weisungen erteilen kann. – Im Gesetz sollte eine Ermächtigung für den Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften für Grundsicherungsleistungen geschaffen werden, um einheitliche Vollzugsmaßstäbe vorgeben zu können. Solange eine solche Ermächtigung fehlt, sollte das Bundesministerium mit den Ländern einheitliche Arbeitsmaßstäbe für zugelassene kommunale Träger vereinbaren. Diese Maßstäbe sind notwendig, um zu gegebener Zeit beurteilen zu können, ob das Organisationsmodell „Arbeitsgemeinschaft“ oder das Organisationsmodell „Zugelassener kommunaler Träger“ die Grundsicherungsleistungen wirksam und wirtschaftlich erbringt. – Im Jahre 2007 muss das Bundesministerium mit der Bundesagentur für Arbeit frühzeitig Ziele vereinbaren, die die Qualität der Aufgabenerledigung umfassend abbilden. Dazu ist es notwendig, geeignete und messbare Zielindikatoren zu definieren, mit denen der Erfolg der Arbeit objektiv beurteilt werden kann. Solange eine wirksame Steuerung über bindende Ziele nicht funktioniert, sollte das Bundesministerium mit verstärkten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sicherstellen, dass die Arbeitsgemeinschaften rechtmäßig und wirtschaftlich arbeiten. Der Bundesrechnungshof wird die Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende weiter durch Prüfungen begleiten. Insbesondere wird er untersuchen, welchen Erfolg Verbesserungsmaßnahmen innerhalb des Systems haben und ggf. weitere Vorschläge zur Reform der Grundsicherung unterbreiten. “ Den vollständigen Bericht des Bundesrechnungshofes entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: 1603200_Bundesrechnungshof_Hauhalts__und_Wirtschaftsfuehrung_2005.pdf

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