Europa entwickeln – berufliche Bildung gestalten. Entwicklung eines EQR und NQR

ABGEORDNETE INFORMIEREN SICH ÜBER EUROPÄISCHEN QUALIFKATOINSRAHMEN Europa soll bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftraum der Welt werden. Das haben die europäischen Regierungschefs bereits im Jahr 2000 in Lissabon festgeschrieben. Was dazu auf europäischer und auf nationaler Ebene nötig ist, darüber haben sich die Mitglieder des Bildungsausschusses am Montagvormittag in einer öffentlichen Anhörung informiert. Die Experten von Gewerkschaften, Handwerk, Bildungs- und Arbeitgeberverbänden und Forschungseinrichtungen waren sich weitgehend einig, dass die Entwicklung eines einheitlichen Qualifikationsrahmens in der beruflichen und der Hochschulbildung auf europäischer und deutscher Ebene ein wichtiger Schritt ist. In Detailfragen sind sie allerdings skeptisch. Am kritischsten wird die Vereinheitlichung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung beurteilt. Mit dem EQR soll ein gemeinsames Bezugssystem für Qualifikationen entwickelt werden, das auf alle Bildungssysteme in Europa anwendbar ist. Ziel des Qualifikationsrahmens sei es, die Vergleichbarkeit von Lernergebnissen und Kompetenzen zu verbessern und die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und die Teilhabe am lebensbegleitenden Lernen zu erhöhen. Die Koalitionsfraktionen begrüßen in einem Antrag die Entwicklung eines europäischen Qualifikationsrahmens (16/2996). Eine intensivere Beschäftigung mit dem EQR fordern die Grünen in einem Antrag (16/1063). Die Linksfraktion möchte mit dem EQR eine Erhöhung des gesellschaftlichen Bildungsniveaus anstreben. Mit einem nationalen Qualifikationsrahmen sollen außerdem bestehende soziale, migrations- und gesellschaftsspezifische Unterschiede des Bildungssystems in Deutschland abgebaut werden, fordern die Abgeordneten in einem Antrag (16/1127). Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will Bezug nehmend auf den EQR, eine Werbekampagne für die duale Ausbildung starten. Der IG-Metall-Vorstand bezweifelt in seiner Stellungnahme, dass der EQE der Vielfalt der Beruflichen Bildung in Europa gerecht wird. Das BiBB sieht in seiner Stellungnahme nicht, dass die Einführung eines EQR in Verbindung mit einem Leistungspunktesystem zwangsläufig eine Modularisierung der Berufsausbildung zur Folge hat. Sybille von Obernitz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag hoffte, dass durch einen EQR der bereits bestehende Europass, der seit 2005 eine europaweit verständliche Dokumentation von Qualifikationen und Kompetenzen ermögliche, aufgewertet und stärker genutzt wird. Auszüge aus der Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und den Stellungnahmen der IG-Metall, des Bundesinstitutes für Berufsbildung und der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft lesen Sie im Anschluß. Alle Stellungnahmen der Anhörung im Volltext können Sie den Anhängen entnehmen. Die Anträge der Koalitionsfraktion, der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linksfraktion sind ebenfalls als Anhang beigefügt. EUROPÄISCHEN QUALIFIKATIONSRAHMEN NUTZEN “ Werbekampagne für duale Ausbildung in Europa starten Anlässlich der Anhörung ‚Entwicklung eines Europäischen und Nationalen Qualifikationsrahmens EQR/NQR‘ erklären die bildungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ilse Aigner MdB und der zuständige Berichterstatter, Uwe Schummer MdB: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich zum Europäischen Bildungsraum. Es gibt große Chancen, den europäischen Arbeitsmarkt in Bewegung zu bringen und Europa für den Wettbewerb in der globalen Wissensgesellschaft zu rüsten. Ziele sind die Qualitätssteigerung der beruflichen Bildung, die Stärkung der gemeinsamen Kompetenzen … und letztlich die Schaffung einer europäischen Identität über Bildung. … Ein wichtiges Instrument des gemeinsamen Bildungsraums ist der Europäischen Qualifikationsrahmen. … Er stellt nicht mehr auf die formalen Lernwege ab, sondern wertet, was jemand wirklich kann. Wir setzen uns dafür ein, dass er die Handlungskompetenz richtig abbildet, die die duale Ausbildung in Deutschland so wertvoll macht. Die bisher in der EU unterrepräsentierte duale Ausbildung muss stärker auf europäischer Ebene verankert werden. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss genutzt werden, zusammen mit Österreich, Luxemburg und Dänemark, die ähnliche Systeme haben, eine Werbekampagne für das duale System zu starten. Es muss zu einem Markenzeichen der europäischen Bildung werden. “ AUSZÜGE AUS DER STELLUNGNAHME DER IG-METALL “ BLOCK I 1. Wie bewerten Sie die wesentlichen Ziele, die mit der Einführung und Ausgestaltung eines EQR/NQR verfolgt werden? Können diese Ihrer Auffassung nach erreicht werden? Die Europäische Bildungspolitik hat durchaus richtige Signale gesetzt: Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung, mehr Durchlässigkeit, Facharbeiter an die Universitäten, Anerkennung von Berufserfahrung, lebenslanges Lernen. … Die IG Metall unterstreicht insbesondere die Zielsetzung europäischer Bildungspolitik, bisher voneinander abgeschottete Bildungssysteme aufeinander zu beziehen und die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen. Ein Nationaler Qualifikationsrahmen (NQR) sollte diese Zielsetzungen absichern unter der Maßgabe, vorhandene Vorteile des dualen Systems beruflicher Bildung auszubauen und seine Mängel zu überwinden. Allerdings ist die Erreichung der Ziele an wichtige Voraussetzungen gebunden. Dazu gehört zunächst einmal, dass die Bundesregierung den von Seiten der EU mit der Betonung nationaler Freiwilligkeit und Autonomie gesetzten Gestaltungsspielraum aufgreift und die Erarbeitung eines NQR als Beitrag zur strukturellen Weiterentwicklung eigenständiger Reformabsichten versteht. … Ebenso wenig kann Durchlässigkeit zwischen den Bildungsinstitutionen allein durch einen formalen Rahmen hergestellt werden. Das setzt weitreichende Veränderungen und den Willen dazu in allen Bildungsinstitutionen voraus. … 3. Wird der EQR seinem bildungsübergreifenden Anspruch gerecht? Chancen könnten in Bezug auf mehr Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bereichen des Bildungssystems entstehen. Allerdings nur, wenn Bildungsinhalte in Schule, Betrieb und Hochschule curricular überarbeitet und aufeinander abgestimmt sowie Praxis – und Theorieanteile an allen Lernorten miteinander verzahnt werden. … 4. Welchen Nutzen ziehen Bildungsanbieter, Lernende, Beschäftigte, Arbeitssuchende und Unternehmer aus dem geplanten EQR? Aus gewerkschaftlicher Sicht kommt es vor allem darauf an, Nutzen (Chancen) und Risiken der Einführung eines EQR/NQR gegeneinander abzuwägen. Eine solche Abwägung liegt bislang nur in einem von IG Metall und ver.di in Auftrag gegebenem Gutachten von Dr. Ingrid Drexel vor. Gegenüber einem an wesentliche Voraussetzungen gebundenen Nutzen – Verständigung über Ziele, Konsens aller Betroffenen usw. – sind auch weitreichende Risiken vorhanden. Dazu gehören mögliche negative Folgen für die Qualität von Lernprozessen und Lernergebnissen. Anstelle breiter, ganzheitlicher Berufsqualifikationen sollen eng geschnittenen Units und Patchwork-Qualifikationen treten. Zu befürchten ist auch eine engere Kompetenzvermittlung, bezogen auf einzelne Betriebe und Tätigkeitsbereiche statt auf umfangreiche, Betriebs- und brachenübergreifende berufliche Handlungsfähigkeit. Risiken für Arbeitnehmer sehen wir insbesondere in Auswirkungen auf Arbeitsmarkt- und Entlohnungsstrukturen. Durch eine Vielzahl neu entstehender Qualifikationsgruppen würde die bislang bestehende Übersichtlichkeit des vorhandenen Qualifikationsangebotes … unüberschaubarer. … Die schrankenlose Aneinanderreihung von Zielen in der Vorlage der EU zum EQR trägt nicht zur Klärung, sondern zur Verwirrung bei. Wir plädieren dafür, sich zunächst darauf zu beschränken, die Transparenz zwischen den Bildungssystemen und die Lesbarkeit von Qualifikationen zu fördern. … 6. Wie bewerten Sie den Europäischen Qualifikationsrahmen im Hinblick auf die geplante Einführung eines Europäischen Leistungspunktesystems (ECVET)? Wenn künftig berufliche Bildung nur noch als eine Ansammlung von Einzelfertigkeiten verstanden wird, die nach einem Kreditpunktsystem beliebig miteinander gekoppelt und aufaddiert werden können, dann wird dem Ziel der Vergleichbarkeit, das der Leistungsfähigkeit des dualen Berufsbildungssystems geopfert. Eine solche Praxis ist zumindest nicht auszuschließen: Ein Jungfacharbeiter bewirbt sich mit einer bestimmten Anzahl von Kreditpunkten, die sich aus beliebigen Kombinationen von 48 unterschiedlichen Teilqualifikationen zusammensetzt, bei einem Arbeitgeber. Der muss nun überprüfen, ob die Qualifikationen in Übereinstimmung sind mit dem Qualifikationsprofil, das er vor der Ausschreibung für die bei ihm anfallende Arbeitsaufgabe hat erstellen lassen müssen – nach eben jenem 48-teiligen Raster. Beim Lotto ergeben sich bei 6 aus 49 knapp 14 Mio. denkbare Kombinationen. 6 aus 48 wären immerhin noch gut 12 Millionen Möglichkeiten – verglichen mit den etwa 360 Ausbildungsberufen im dualen System eine gigantische Verkomplizierung. Das EQR-Schema und das Leistungspunktesystem ECVET statt Berufe zur Basis der Qualifizierungs- und Rekrutierungssysteme zu nehmen, erweist sich als ein sehr komplizierte und wenig transparentes Vorhaben. … BLOCK II … 3. Welche Probleme sehen Sie vor dem Hintergrund, dass die berufliche Ausbildung in der EU überwiegend schulisch erfolgt, bei der Einstufung der deutschen Berufsausbildung in das vorgesehene Niveaustufensystem? Die bisherige Unterbewertung dualer Ausbildung in Europa hängt damit zusammen, dass Quantität und Qualität der Berufsausbildung vor allem betrieblich gesteuert wird. Die gesellschaftliche Verantwortung – z. B. für das Ziel: Ausbildung für alle – wird dabei vernachlässigt. Dies ist die Ursache, warum das duale System in Europa bislang unterbewertet ist – trotz vielfacher Vorteile, die auch anerkannt werden. Solange aber diese Verfügungsstrukturen in dieser einseitigen Form bestehen bleiben, wird auch ein EQR kaum zur Aufwertung dualer Ausbildung in Europa führen. Wir sehen darüber hinaus das Hauptproblem in der Gefahr einer zentralistisch gesteuerten Veränderung von Bildungsstrukturen in Richtung eines europäischen Bildungsmarktes – anstelle der Entwicklung hin zu einem europäischen Bildungsraum. … 5. Wie sollte ein EQR/NQR ausgestaltet werden, so dass er auch sozialen, migrations- und geschlechtsspezifischen Unterschieden gerecht wird? Er darf vor allem nicht einseitig an outcome Kriterien ausgerichtet sein, da dieses Kriterium die Bedeutung sozial vermittelter Lernprozesse und damit den Gesichtspunkt sozialen Lernens und Förderung nach sozialen Kriterien keinerlei Stellenwert einräumt. 6. Wie können EQR und NQR mit dem dualen System und dem Berufskonzept kompatibel gemacht werden? Die Gefährdung des Berufskonzepts ergibt sich durch die einseitige outcome-Orientierung und Modularisierung. Der einseitig auf Lernergebnisse abgestellte Ansatz des EQR ist mit dem Berufsprinzip nicht vereinbar. Es besteht die Gefahr, dass anerkannte Ausbildungsberufe und Berufsabschlüsse, die auf umfassende berufliche Handlungsfähigkeit ausgerichtet sind, an Bedeutung verlieren. Teilqualifikationen, eine inhaltliche und institutionelle Aufsplitterung bislang geregelter Bildungswege werden begünstigt. Davon wären künftige Arbeits-, Berufs- und Einkommenschancen von ArbeitnehmerInnen negativ betroffen. Zwischen der EU-Politik und der EU-Programmatik der Förderung von Beschäftigungsfähigkeit (employability) und der Orientierung an Beruflichkeit besteht ein Konkurrenzverhältnis. … BLOCK III … 3. Sehen Sie in der Einführung eines Europäischen Qualifikationsrahmens in Verbindung mit der geplanten Einführung eines Europäischen Leistungspunktesystems einen Schritt in Richtung Modularisierung der Berufsausbildung? Ja eindeutig, das wird auch von den Protagonisten einer Modularisierung nicht bestritten. Es besteht die große Gefahr, dass eine eigenständig geregelte Erstausbildung sich im Bildungsmarkt auflöst. Betriebliche Ausbildungsplätze im Rahmen des dualen Systems werden zunehmend ersetzt durch ein unübersichtliches Angebot an Ausbildungsbausteinen in unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, durch Praktika und Anlernprozesse in Betrieben. Im Bereich der Erstqualifizierung von Jugendlichen würde ein neuer Markt mit sehr unterschiedlichen Bildungsangeboten gefördert, analog zu dem bereits bestehenden Weiterbildungsmarkt. Das Bildungsangebot, insbesondere der privaten Anbieter wird sich auf Lehrgänge konzentrieren, die zu Lerneinheiten mit günstiger Relation zwischen Qualifizierungsaufwand und damit zu erziele nden Kreditpunkten führen. Sie begrenzen sich auf einfach und profitabel abprüfbare Inhalte. … 7. Welche Mechanismen und Verfahren sind für die Umsetzung des NQR in einem föderalen System notwendig? Es geht darum eine breite Einbeziehung, Abstimmung und Beteiligung am Entwicklungsprozess eines NQR zu erreichen. Davon sind wir weit entfernt. “ AUSZÜGE AUS DER STELLUNGNAHME DES BiBB “ BLOCK I 1. Wie bewerten Sie die wesentlichen Ziele, die mit der Einführung und Ausgestaltung eines EQR/NQR verfolgt werden? Können diese Ihrer Auffassung nach erreicht werden? Wesentliche Ziele … sind die Förderung lebenslangen Lernens und der Beschäftigungsfähigkeit. … Diese Ziele können aber nur erreicht werden, wenn sie eingebettet sind in ein ganzes Spektrum von politischen Entscheidungen und Maßnahmen bzw. deren Bündelung auf die Ziele hin. Sie können auch nur unter Voraussetzung erreicht werden, dass es einen nationalen Konsens gibt und man bestehende Segmentierungen des Bildungs-/Qualifikationssystems überwinden will. … 3. Wird der EQR seinem bildungsübergreifenden Anspruch gerecht? Der EQR wird diesem Anspruch tendenziell gerecht. Es ist klar, dass ein alles übergreifender Rahmen mit (Informations)verlusten hinsichtlich der einzelnen Bildungsbereiche verbunden ist, sein muß. Aber: die Dreigliederung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenz enthält eine Referenz zu Bildung, Ausbildung, Berufserfahrung. … 4. Welche Nutzen ziehen Bildungsanbieter, Lernende, Beschäftigte, Arbeitssuchende und Unternehmer aus dem geplanten EQR? Bildungsanbieter können ihr Angebot präziser auf Lernergebnisse hin formulieren. Lernende können dann gezielter Angebote auswählen. Sie könnten aber auch erreichte Lernergebnisse besser beim Zugang zu Bildungsangeboten/Qualifikationen und beim Übergang zwischen diesen zur Geltung bringen. Beschäftigte/Arbeitssuchende könnten ihre Kompetenzen damit adäquat darstellen. Unternehmer können benötigte Kompetenzen damit erkennen bzw. danach suchen sie können EQR auch als Grundinformation für Personalentwicklung nutzen. BLOCK II … 3. Welche Probleme sehen Sie vor dem Hintergrund, dass die berufliche Ausbildung in der EU überwiegend schulisch erfolgt, bei der Einstufung der deutschen Berufsausbildung in das vorgesehene Niveaustufensystem? Eigentlich keine, da die Deskriptoren auf jedem Niveau auch Bezüge zu Arbeitssituationen enthalten. … 5. Wie sollte ein EQR/NQR ausgestaltet werden, so dass er auch sozialen, migrations- und geschlechtsspezifischen Unterschieden gerecht wird? Das kann nicht Gegenstand des EQR/NQR als solchem sein. Hierfür sind besondere Politiken erforderlich. Allerdings kann ein EQR/NQR unterstützen, indem er tendenziell (Zielhorizont 3) offene Zugänge zum Qualifikationserwerb konstituiert. 6. Wie können EQR und NQR mit dem dualen System und dem Berufskonzept kompatibel gemacht werden? Sie sind prinzipiell kompatibel. Allerdings liegt es an der Implementation bzw. der Ausgestaltung eines NQR und der daran anschließenden Politiken, inwieweit sich das duale System auch verändert. … BLOCK III … 3. Sehen Sie in der Einführung eines Europäischen Qualifikationsrahmens in Verbindung mit der geplanten Einführung eines Europäischen Leistungspunktesystems einen Schritt in Richtung Modularisierung der Berufsausbildung? Modularisierung (gemeint ist wohl Gliederung in für sich zertifizierte Bausteine) ist keine Konsequenz des EQR. Vielmehr könnte sie mit ECVET eingeführt werden. Allerdings gibt es keinen Zwang zur durchgängigen Modularisierung nach einem Schema F. Es bleibt den Mitgliedsstaaten anheim gestellt, wie sie ihre Qualifikationen gliedern und wie sie ihr Angebot künftig strukturieren. … 6. Welche Rolle sollen in Zukunft das BIBB und die Tarif- und Sozialpartner spielen? Das BIBB sollte weiterhin das Haus für die wissenschaftsgestützte Entwicklung beruflicher Qualifikationen außerhalb der Schulen und Hochschulen sein. Es wären konkrete Arbeiten für kompetenzbezogene Beschreibung von -Qualifikationen erforderlich. Das BIBB könnte darüber hinaus als Vermittler in Richtung Schulen und Hochschulen dienen. Die Rolle der Sozialpartner wäre unverändert. 7. Welche Mechanismen und Verfahren sind für die Umsetzung des NQR in einem föderalen System notwendig? Erforderlich wäre eine Bund-Länder-Vereinbarung nicht nur für die Umsetzung sondern bereits für die Entwicklung eines NQR. Ein NQR ist per definitionem nur mit einer gemeinsamen Zuständigkeit zu haben. “ AUSZÜGE AUS DER STELLUNGNAHME DER SPITZENVERBÄNDE DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT “ BLOCK I … 1. Wie bewerten Sie die wesentlichen Ziele, die mit der Einführung und der Ausgestaltung eines EQR/NQR verfolgt werden? Können diese Ihrer Auffassung nach erreicht werden? Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft teilen die Hauptziele des EQR: die Förderung von Transparenz und Mobilität. Unter Transparenz und Mobilität ist aber nicht nur diejenige innerhalb Europas zu verstehen, sondern auch diejenige zwischen den unterschiedlichen Bildungsbereichen der nationalen Systeme. Das heißt, der EQR muss den Mitgliedstaaten Impulse für die gleichwertige Einordnung von akademischer und beruflicher Bildung liefern und helfen, in einem einheitlichen Sprachduktus Qualifikationen überall in Europa zu systematisieren. Mehr Transparenz und Mobilität können durch den EQR erreicht werden – aber nicht um jeden Preis. Vorraussetzung ist, dass er den hohen Qualitätsstandards der deutschen Aus- und Weiterbildung Rechnung trägt. Die Einführung von EQR muss zudem mit einem deutlichen Mehrwert für die deutschen Unternehmen verbunden sein. Dazu muss es gelingen, ein funktionsfähiges und gerechteres Verfahren zur Bewertung und Einstufung von Qualifikationen in Europa zu erstellen, das an den europäischen Arbeitsmarkt gekoppelt ist. … 3. Wird der EQR seinem bildungsübergreifenden Anspruch gerecht? Ja. Mit dem EQR wird erstmals ein Instrument implementiert, das nicht danach bewertet, in welcher Institution ein Abschluss erworben wurde, sondern was ein Absolvent wirklich kann. Bisher wurde die Systematisierung von Abschlüssen ausschließlich nach Bildungsbereichen, nicht aber nach Kompetenzen vorgenommen (…). Dies führt vor dem Hintergrund der in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich zugeschnittenen Bildungssystemen zu starken Ungleichbehandlungen gleicher Berufe bzw. beruflicher Tätigkeiten. … Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft begrüßen daher die Möglichkeit, Berufserfahrung bzw. berufliche Bildung auf allen Stufen des EQR einordnen / bewerten zu können. Das wird der Forderung nach Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung bzw. nach ‚Lernortneutralität‘ – im Sinne einer besseren Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung – gerecht. Problematisch ist der EQR-Vorschlag mit Blick auf die sog. ‚Dublin-Descriptors‘ (… ) Durch diesen Verweis und die damit verbundene automatische Zuordnung von Hochschulabschlüssen ab Stufe fünf wird gerade der bildungsbereichsübergreifende Charakter aufgeweicht. Folge: Bestimmte Lernformen in bestimmten Lernumgebungen werden ‚zementiert‘, was der Intention des EQR entgegenläuft. 4. Welchen Nutzen ziehen Bildungsanbieter, Lernende, Beschäftigte, Arbeitssuchende und Unternehmer aus dem geplanten EQR? … Unternehmen können besser bewerten, was ein Arbeitnehmer/Lernender aus einem anderen EU-Mitgliedstaat ‚kann‘ und wie seine Kompetenzen einzuschätzen sind. Das heißt, es muss ein System sein, das die ‚inhaltlichen Vakuen‘ auflösen kann und das die mit ihm verbundenen Verfahren und Prozesse tatsächlich zu einer besseren Lesbarkeit von Qualifikationen führt. Ein solches System muss auch mit einer entsprechenden Qualitätssicherung ausgestaltet werden. Ohne Hilfsinstrumente wie Datenbanken, Beratungsstellen etc. wird das kaum möglich sein. Die Qualität dieser Angebote bestimmt auch entscheidend den Mehrwert für die Nutzer. … Insgesamt liefert der EQR über die Herstellung einer Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung einen gerechteren Ansatz zur Bewertung von Qualifikationen und Kompetenzen in Europa. Für die Umsetzung und Akzeptanz in der Praxis ist die Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialpartner und der zuständigen Stellen von zentraler Bedeutung. Sie sind das Bindeglied zur nationalen und lokalen Wirtschaft, was für die Akzeptanz des EQR entscheidend ist. … 6. Wie bewerten Sie den EQR im Hinblick auf die geplante Einführung eines Europäischen Leistungspunktesytems (ECVET)? Von den beiden Instrumenten EQR und ECVET ist der EQR das wesentlich Wichtigere, das auch den deutlich größeren Mehrwert bringen wird. … Durch den EQR allein können zudem alle Kernziele durch die Definition von learning outcomes, einfachere Anrechnung bereits erworbener Kompetenzen etc. erreicht werden. ECVET bringt, wenn ein EQR/NQR implementiert ist, für sich allein betrachtet keinen zusätzlichen Nutzen. Es ist darüber hinaus problematisch, dass ein mögliches Leistungspunktesystem in einem vom EQR separaten Prozess entwickelt wird, sich aber darauf beziehen soll. Zudem verfolgt ECVET (derzeit) teilweise dieselben Ziele wie der EQR, d.h. die Ziele der Instrumente überschneiden sich, ohne sich logisch-sinnvoll zu ergänzen. Wenn ein Leistungspunktesystem für die berufliche Bildung eingeführt wird, müsste es idealerweise gemeinsam mit dem EQR und gleichzeitig für alle Bildungsbereiche angelegt werden. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben ein eigenes EQR / NQR-ECVET-Modell vorgelegt … In diesem Modell sind die Leistungspunkte Bestandteil der Niveaustufenbeschreibung, und zwar als quantitativer Hilfsdeskriptor, der auf der durchschnittlichen Lernzeit basiert. Dieser ‚Hilfsdeskriptor‘-Ansatz wird seitens der deutschen Wirtschaft weiterhin verfolgt. Denn Leistungspunkte können die Transparenz und Anrechnung erworbener Lernleistungen unterstützen. Dafür sind aber die Modalitäten klar zu definieren. … BLOCK II … 3. Welche Probleme sehen Sie vor dem Hintergrund, dass die berufliche Ausbildung in der EU überwiegend schulisch erfolgt, bei der Einstufung der deutschen Berufsausbildung in das vorgesehene Niveaustufensystem? Das hängt davon ab, wie die anderen EU-Länder ihre Learning-Outcomes definieren, festlegen und dem EQR zuordnen. Entscheidend wird sein, dass die Einordnung der Mitgliedstaaten transparent und nachvollziehbar, vor allem aber verlässlich sind. Ein Wettbewerb der Mitgliedstaaten um die ‚höchste Einordnung‘ muss vermieden werden. Dies setzt voraus, dass alle (auch hochschulische) Qualifikationen immer zunächst hinsichtlich ihrer Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen beschrieben werden und erst dann einer Niveaustufe zugeordnet werden. Ein Problem könnte dann sein, dass Abschlüsse einer Kategorie (z. B. duale Ausbildung Bachelor-Abschlüsse) nicht auf ein und demselben Niveau verortet werden können, da die Breite und Tiefe dieser Kompetenzen/ Qualifikationen unterschiedlich sind. … 5. Wie sollte ein EQR/NQR ausgestaltet werden, so dass er auch sozialen, migration- und geschlechtsspezifischen Unterschieden gerecht wird? Dazu muss zunächst geklärt werden, ob ein EQR/NQR diese Funktion hat und das auch leisten soll. Ein EQR sollte nicht mit Erwartungen überfrachtet werden. Er ist ein Transparenz-, Bewertungs- und Übersetzungsinstrument von erworbenen (Voll-)Qualifikationen, die als Kompetenzbündel definiert sind und gibt Auskunft darüber, ‚was jemand kann‘. Der EQR regelt per se keinerlei Anerkennungs- oder Zugangsverfahren. … 6. Wie können EQR und NQR mit dem dualen System und dem Berufskonzept kompatibel gemacht werden? Bisher besteht keine Indikation dafür, dass EQR/NQR mit dem Berufskonzept im Widerspruch stehen. Diese Frage bezieht sich vielmehr auf eine über ein Leistungspunktesystem induzierte Modularisierung. … BLOCK III … 3. Sehen Sie in der Einführung eines EQR in Verbindung mit der geplanten Einführung eines ECVET einen Schritt in Richtung Modularisierung der Berufsausbildung? Ja. Das Vorschlagpapier der EU-Kommission zur EU-weiten Konsultation zu einem ECVETSystem schlägt eine Gliederung von Aus- und Weiterbildungsgängen in kleinere Einheiten vor. Die Leistungspunkte sollen dann das ‚Gewicht‘ und den Anteil der Teilqualifikation an der Vollqualifikation quantifizieren und beschreiben. … 6. Welche Rolle sollen in Zukunft das BIBB und die Tarif- und Sozialpartner spielen? Hier könnte man sich an der gängigen Praxis aus Frankreich orientieren: die Sozialpartner legen in Ordnungsverfahren die notwendigen Qualifikationen fest und verorten den neu geschaffenen/reformierten Ausbildungsberuf / Weiterbildung direkt im NQR-Gefüge. Das BIBB behält seine Rolle als Moderator bei der Ordnung von Ausbildungsordnungen. Weiterbildungen gehören nicht in die Zuständigkeit des BIBB. Das BIBB könnte auch eine Informations- und Kontaktstelle sein, die die zuständigen Stellen bei der der Bewertung ausländischer Qualifikationen unterstützt und entsprechende Informationen bereithält und aufbereitet. Das BIBB sehen wir aber keinesfalls als ‚National Qualifications Authority‘, wie in angelsächsischen Ländern mit nationalen Rahmen. Denn in jenen Ländern existiert zumeist keine ausgeprägte Einbindung der Wirtschafts- und Sozialpartner im Bereich der Bildung / beruflichen Bildung. … 7. Welche Mechanismen und Verfahren sind für die Umsetzung eines NQR in einem föderalen System notwendig? Die frühzeitige Einbindung aller Partner, insbesondere der Wirtschafts- und Sozialpartner, der Hochschulen und der Länder. Dabei sind das national bewährte System und die besondere Rolle der zuständigen Stellen zu berücksichtigen. “

http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm

Quelle: www.bundestag.de/ausschuesse/a18/anhoerungen/Stellungnahmen/index.html

Dokumente: Stellungnahme_EQR_StudentInnenschaften.pdf

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