Die Schwächsten kamen seltener zum Zug

BILDUNGSSCHWACHE JUGENDLICHE BEIM ZUGANG ZU AUSBILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG BENACHTEILIGT Beim Zugang zu beruflicher Ausbildung und in Beschäftigung sind bildungsschwache Jugendliche benachteiligt – Auch in den Maßnahmen der BA waren sie bislang unterrepräsentiert. Auszüge aus der Analyse der AutorInnen, Manfred Antoni, Hans Dietrich, Maria Jungkunst, Britta Matthes, Hannelore Plicht: “ Etwa ein Drittel ihres Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik gibt die Bundesagentur für Arbeit (BA) jährlich für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis unter 5 Jahre aus. Insbesondere in zwei Übergangsphasen bedürfen Jugendliche der spezifischen Beratung, Vermittlung und vielfach auch der ergänzenden Unterstützung durch Maßnahmeangebote der aktiven Arbeitsmarktpolitik: Beim Zugang zu beruflicher Ausbildung sowie beim Übergang in die Erwerbstätigkeit. Vor allem Jugendliche mit schlechten Bildungsvoraussetzungen sehen sich mit wachsenden Problemen auf dem Ausbildungsmarkt bzw. Arbeitsmarkt konfrontiert. Diese Jugendlichen sind es auch vor allem, die beim Übergang in Ausbildung und Beschäftigung Leistungen der BA in Anspruch nehmen. Wie nachfolgend gezeigt wird, lassen sich insbesondere beim Zugang zu maßnahmebasierter Unterstützung deutliche Bildungseffekte beobachten. BEWERBER UM AUSBILDUNGSSTELLEN … So interessiert sich nur ein Teil der Schulabgänger für eine betriebliche Ausbildung, und davon nimmt ebenfalls nur ein Teil die Dienste der Berufsberatung der BA in Anspruch. … Demgegenüber finden leistungsschwächere Jugendliche vielfach auch nach intensiver Suche keinen Zugang zur betrieblichen Berufsausbildung und auch die BA vermittelt nur die Jugendlichen in betriebliche Ausbildung, die die Mindestvoraussetzungen der Ausbildungsreife erfüllen. Von Ausbildungsreife geht die Berufsberatung dann aus, wenn die allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt sind und Jugendliche die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung mitbringen. Für noch nicht ausbildungsreife Jugendliche bieten die Länder und die BA jedoch berufsvorbereitende Maßnahmen an. Die Gruppe der noch nicht ausbildungsreifen Jugendlichen wird erst dann von der BA als Bewerber um einen Ausbildungsplatz betreut, wenn sie etwa nach dem erfolgreichen Durchlaufen berufsvorbereitender Bildungsangebote und Maßnahmen die Ausbildungsreife erlangt haben. Lediglich 36 Prozent aller bei der BA registrierten Bewerber haben unmittelbar im Vermittlungsjahr 2004/05 eine allgemeinbildende Schule verlassen. Auch wenn Abgänger aus beruflichen Schulen wie etwa Berufsgrundbildungsjahr oder Berufsvorbereitungsjahr hinzugenommen werden, sind nur etwa 54 Prozent aller Bewerber als Schulabgänger im weiteren Sinne zu bezeichnen. Ein beachtlicher Teil der Jugendlichen (46%) hat bereits in früheren Jahren die Schule verlassen. Seit Ende der 90er Jahre hat damit der Anteil der sogenannten Altbewerber erheblich zugenommen. … Hauptschulabsolventen und Jugendliche mit mittleren Bildungsabschlüssen sind mit 82 Prozent das Gros der Bewerber und damit die zentrale Zielgruppe der Berufsberatung. Deutlich unterrepräsentiert sind bei den Bewerbern die Abiturienten: Ein Viertel aller Schulabgänger, aber nur 12 Prozent der Bewerber haben Abitur. Aber auch Jugendliche ohne Schulabschluss sind bei den Bewerbern leicht unterrepräsentiert: Etwa 8 Prozent der Schulabgänger, aber nur etwa 5 Prozent der Bewerber haben keinen Schulabschluss. Hierbei handelt es sich – wie bereits angesprochen – mehrheitlich um Jugendliche, die das Schulsystem nicht im Vermittlungsjahr verlassen und bereits an ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen teilgenommen haben. Regional betrachtet ist der Altbewerberanteil in den alten Bundesländern höher als in den neuen Bundesländern: AUSGEWÄHLTE MAßNAHMEN FÜR BENACHTEILIGTE JUGENDLICHE Berufsvorbereitende Maßnahmen der BA In Ergänzung etwa zu schulischen Angeboten der Länder zur Berufsausbildungsvorbereitung (vgl. etwa Berufsgrundbildungsjahr oder Berufsvorbereitungsjahr) stellt die BA seit den 80er Jahren insbesondere für lernbeeinträchtigte sowie sozial benachteiligte Jugendliche spezifische Maßnahmen zur Berufsvorbereitung zur Verfügung. Mit dem Beginn des Vermittlungsjahres 2004/2005 wurde das Maßnahmeangebot der Berufsvorbereitung durch ein neues Fachkonzept abgelöst. Weil sich alte und neue Förderung der Berufsvorbereitung grundlegend in ihrer Ausgestaltung und Erfassung unterscheiden, werden die Befunde nachfolgend getrennt für die Maßnahmen nach altem und neuem Konzept diskutiert. Lehrgänge zur Verbesserung der beruflichen Bildungs- und Eingliederungschancen Bei den Lehrgängen zur Verbesserung der Beruflichen Bildungs- und Eingliederungschancen (BBE) nach altem Förderkonzept handelt es sich um Maßnahmen für „nicht ausbildungsreife“ bzw. „nicht beschulbare“ Jugendliche. Dazu zählen insbesondere auch lernschwache Jugendliche bzw. Jugendliche mit sozialpädagogischem Förderbedarf. Die Zahl der Eintritte ist zwischen 1998 und 2002 von rd. 59 Tsd. auf rd. 80 Tsd. gestiegen und dann in 2003 wieder auf rd. 72 Tsd. zurückgegangen: An BBE-Maßnahmen nahmen überwiegend (ca. 90%) Jugendliche ohne Schulabschluss bzw. mit Hauptschulabschluss teil. Zwischen 1998 und 2003 hat sich das Gewicht zu Ungunsten Jugendlicher ohne Schulabschluss verschoben. Diese Entwicklung ist in den neuen Bundesländern stärker ausgefallen als in den alten. Berufliche Grundausbildungslehrgänge Grundausbildungslehrgänge (G-Lehrgänge) waren nach dem alten Förderkonzept Angebote für ausbildungsreife Jugendliche, denen kein Ausbildungsplatz vermittelt werden konnte. Dieser Maßnahmetyp richtete sich somit insbesondere an die so genannten marktbenachteiligten Jugendlichen, die auch keinen Zugang zu außerbetrieblichen Angeboten der Berufsausbildung gefunden hatten. Von 1998 bis 2002 stieg die Zahl der Eintritte in G-Lehrgänge von 30 Tsd. auf 43 Tsd., im Jahr 2003 ging die Zahl wieder leicht auf 38 Tsd. zurück Sowohl im Vergleich zu Schulabgängern als auch gegenüber Bewerbern sind Jugendliche mit Hauptschulabschluss in den G-Lehrgängen überrepräsentiert. 2003 verfügten 43 Prozent der Jugendlichen in diesen Lehrgängen über einen Hauptschulabschluss. Zwischen 1998 und 2003 traten jedoch auch immer mehr Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss in die Grundausbildungslehrgänge ein. Berufsvorbereitende Maßnahmen nach neuem Fachkonzept … Die Statistik lässt nach dem neuen Fachkonzept eine maßnahmenspezifische Unterscheidung zwischen nicht ausbildungsreifen und ausbildungsreifen Jugendlichen nicht mehr zu. Die neuen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) kennzeichnen sich durch eine stärkere Ausrichtung am individuellen Förderbedarf, eine insgesamt verkürzte Förderdauer sowie eine stärkere Betonung des Übergangserfolgs. Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen … Ausbildungsreife Jugendliche ohne Schulabschluss waren lange Zeit die vorrangige Zielgruppe der außerbetrieblichen Ausbildung im Rahmen der Benachteiligtenförderung. Dies änderte sich – empirisch betrachtet – ab 2004 deutlich: Waren 2003 noch 48 Prozent aller BaE-Eintritte Jugendliche ohne allgemeinbildenden Schulabschluss und 43 Prozent Jugendliche mit Hauptschulabschluss, so hat sich diese Relation bis 2005 umgekehrt. Eine Ursache für die rückläufige Teilnahme Jugendlicher ohne Schulabschluss an der außerbetrieblichen Berufsausbildung ist in der Veränderung der Qualifikationsstruktur der BvB-Teilnehmer zu sehen. Inwieweit es nun dem neuen Fachkonzept gelingt, bei stärkerer Ausrichtung am individuellen Förderbedarf sowie gleichzeitig begrenzter Förderdauer etwa benachteiligte Jugendliche ohne Schulabschluss zu befähigen, die Anforderungen einer BaE zu erfüllen, ist derzeit Gegenstand einer Begleitforschung. Zur rückläufigen Förderung Jugendlicher ohne Hauptschulabschluss könnte ferner die neue Steuerungslogik der BA beigetragen haben, wonach bei der Maßnahmezuweisung der zu erwartende Fördererfolg stärker als bislang zu berücksichtigen ist. ARBEITSLOSE JUGENDLICHE … Jeder zweite registrierte arbeitslose Jugendliche hat keinen Schulabschluss oder nur einen Hauptschulabschluss. Dabei ist bis 2004 eine Verschiebung der Qualifikationsstruktur hin zu höher qualifizierten Jugendlichen festzustellen. Zwischen 1998 und 2004 stieg der Anteil arbeitsloser Jugendlicher mit mittlerem Schulabschluss. Diese Entwicklung erfuhr mit Einführung des SGB II eine gewisse Trendwende. Der Anteil Jugendlicher ohne schulischen Abschluss an allen arbeitslosen Jugendlichen stieg erneut leicht von 12 Prozent im Jahr 2004 auf 16 Prozent im Jahr 2005. … Im Jahr 2005 nahm der Anteil Jugendlicher ohne beruflichen Abschluss um etwa 9 Prozentpunkte auf 49 Prozent zu. Diese Entwicklung ist wesentlich auf die Änderungen der Zusammensetzung der jugendlichen BA-Kunden im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zurückzuführen. Mit der Einführung des SGB II gelangten verstärkt geringer qualifizierte Jugendliche aus der Sozialhilfe sowie Jugendliche, die bislang nicht bei den Agenturen erfasst waren, neu in das Arbeitslosenregister und erhielten damit auch prinzipiell Zugang zum Maßnahmeangebot der BA. AKTIVE ARBEITSFÖRDERUNG FÜR ARBEITSLOSE JUGENDLICHE … Zwischen 2000 und 2003 stieg die Zahl der Eintritte arbeitsloser Jugendlicher in Maßnahmen der BA deutlich von 388 Tsd. im Jahr 2000 auf 560 Tsd. Im Jahr 2003. Im Zuge der Neuausrichtung der Maßnahmepolitik der BA sowie dem Auslaufen des Jugendsofortprogramms (JUMP) sank danach die Zahl der Maßnahmeeintritte im Jahr 2004 auf rund 514 Tsd. Eintritte. Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Jahr 2005 stieg nicht nur die Zahl arbeitsloser Jugendlicher, sondern auch die Zahl der Eintritte in Maßnahmen für arbeitslose Jugendliche auf 536 Tsd. Jugendliche ohne Schulabschluss bzw. mit Hauptschulabschluss sind analog zur Gruppe der arbeitslosen Jugendlichen bei den Maßnahmeteilnehmern überrepräsentiert. In Ostdeutschland sind weiterhin größere Anteile besser qualifizierter Jugendliche in den BA-Maßnahmen zu finden als in Westdeutschland. Dies ist wesentlich auf die günstigere Qualifikationsstruktur Jugendlicher in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Im Jahr 2005 fanden mehr Jugendliche ohne Schulabschluss Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dieser Anstieg entsprach jedoch der Veränderung der Bildungsstruktur arbeitsloser Jugendlicher bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. … Im Jahr 2005 kamen mit Einführung des SGB II weitere Maßnahmentypen hinzu (z.B. Arbeitsgelegenheiten) dies führte zu einer deutlichen Ausweitung der Maßnahmeförderung für Jugendliche. In qualifikatorischer Hinsicht profitierten insbesondere Jugendliche ohne Berufsabschluss von dieser Entwicklung. … Die Teilnehmerzahl bei Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (FbW) ist sowohl relativ als auch absolut erheblich zurückgegangen, während der Einsatz von kurzfristigen Trainingsmaßnahmen in erheblichem Umfang ausgeweitet wurde. Der Aspekt des Förderns durch berufsqualifizierende Bildung bei den Arbeitslosen dieser Altersgruppe trat somit bis einschließlich 2005 immer deutlicher hinter der Aktivierung bzw. Qualifizierung im Rahmen kurzfristig angelegter Trainingsmaßnahmen zurück. … FAZIT Die BA unterstützt den Übergang Jugendlicher im Alter unter 25 Jahren von der allgemeinbildenden Schule in Ausbildung und Erwerbstätigkeit in vielfältiger Weise. Neben Beratung und Vermittlung bietet die BA Jugendlichen in erheblichem Umfang Maßnahmen zur Vorbereitung und zum Erwerb einer betrieblichen Erstausbildung sowie Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt an. Das formale Bildungsniveau der Schulabgänger hat sich in Deutschland seit Beginn der 90er Jahre nicht wesentlich verändert. Allerdings steigt der Anteil von Altbewerbern bei den Bewerbern um eine betriebliche Ausbildungsstelle seit Jahren – bedingt durch die angespannte Ausbildungslage in Folge demographischer Veränderungen einerseits und konjunktureller sowie struktureller Entwicklungen andererseits. Dieser Anstieg zeigt die wachsenden Probleme auch ausbildungsreifer Jugendlicher – insbesondere mit schwächeren Schulabschlüssen – beim Übergang in betriebliche Ausbildung. Die Zugangsprobleme leistungsschwächerer Jugendlicher zu einer beruflichen Ausbildung werden dadurch verstärkt, dass auch bei den Maßnahmen der Berufsvorbereitung sowie bei der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen eine zunehmende Konzentration auf relativ besser qualifizierte Jugendliche zu beobachten ist. Inwieweit leistungsschwächere Jugendliche verstärkt auch alternative Wege beschritten haben, kann derzeit nicht beantwortet werden. Es wird Aufgabe der Forschung sein zu analysieren, ob es dem neuen Fachkonzept der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) gelingt, Jugendlichen mit niedrigem Bildungsniveau künftig einen verbesserten Zugang zu beruflicher Bildung zu eröffnen. Bedingt durch die angespannte Arbeitsmarktlage ist seit Ende der 90er Jahre die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen mit beruflichem Abschluss deutlich gestiegen, während die Zahl arbeitsloser Jugendlicher ohne berufliche Ausbildung auf einem hohen absoluten Niveau verharrte. Mit der Einführung des SGB II sind 2005 verstärkt Jugendliche mit niedrigen bzw. ohne allgemeinbildende oder berufliche Abschlüsse neu als Arbeitslose erfasst worden, aber auch die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen mit beruflichem Abschluss ist weiterhin leicht gestiegen. … Hervorzuheben ist ferner, dass bereits ab 2000 der Einsatz von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung – zugunsten kürzerer Trainingsmaßnahmen – in einem Ausmaß zurückgefahren wurde, das nicht allein mit der Veränderung der Qualifikationsstruktur der jugendlichen Arbeitslosen begründet werden kann. Arbeitslose Jugendliche mit unzureichender bzw. ohne berufliche Ausbildung erhalten zwar immer seltener die zweite Chance auf Zugang zu einer beruflichen Ausbildung. Es ist jedoch noch offen, ob nicht mit kurzfristigen Maßnahmen die gleiche nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt erreicht werden kann. Dazu bedarf es – insbesondere für die Gruppe der Jugendlichen – weiterer ökonometrischer Ergebnisse, die einen direkten Vergleich der Beschäftigungswirkungen von langfristigen und kurzfristigen Maßnahmen erlauben.“ Folgende Datenquellen wurden für die Analyse herangezogen: – die Arbeitslosenstatistik der BA – die Ausbildungsvermittlungsstatistik der BA – die Berufsberatungsstatistik der BA – die Statistik der berufsvorbereitenden Maßnahmen (BvB) – die Maßnahmestatistik der BA Den Volltext des IAB-Kurzberichtes lesen Sie unter aufgeführtem Link.

http://doku.iab.de/kurzber/2007/kb0207.pdf
http://www.iab.de

Quelle: IAB Kurzbericht Nr. 2 / 30.1.2007

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