Viel Lärm um Nichts oder berechtigte Kritik? Bericht über den Deutschlandbesuch des UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Bildung, Vernor Muñoz Villalobos, 13. – 21.02.2006

DEUTSCHE SCHULPOLITIK AUF DEM PRÜFSTAND Am Mittwoch hat sich der UN-Menschenrechtsrat mit dem deutschen Schulsystem beschäftigt. UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz stellte in Genf den mit Spannung erwarteten Abschlussbericht seines Deutschlandbesuchs vom letzten Jahr vor. In den Medien und der Politik gab es seit bekannt werden eines Arbeitsdokumentes viel Wirbel um die Kritik des Sonderberichterstatters. Muñoz wies den Vorwurf zurück, sein Bericht enthalte sachlich falsche Feststellungen. Er habe der Bundesregierung vorab ein Arbeitsdokument zur Verfügung gestellt. Logische Anmerkungen der Regierung seien in dem jetzt vorliegenden Hauptbericht berücksichtigt worden. Im Folgenden sind kurze Hintergrundinformationen zusammen gestellt. Verschiedene Einschätzungen zum Muñoz-Bericht bietet einen Überblick über die derzeitige Diskussion. * HINTERGRUND “ Das Mandat des Sonderberichterstatters zum Recht auf Bildung besteht seit 1998. Herr Professor Muñoz wurde 2004 als Sonderberichterstatter ernannt. Sonderberichterstatter sind keine Bediensteten der Vereinten Nationen, sondern unabhängige Experten, die die UN-Menschenrechtskommission in ihrer Arbeit unterstützen. Herr Muñoz ist Hochschullehrer für Rechtswissenschaften an der Universität Costa Rica mit den Spezialgebieten Menschenrechte und Menschenrechtserziehung. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den 53 Mitgliedstaaten der UN-Menschenrechtskommission. Sie haben eine stehende Einladung an alle Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen ausgesprochen. Einer gesonderten Einladung für den Sonderberichterstatter zum Recht auf Bildung bedurfte es daher nicht. Herr Professor Muñoz hatte seinen Besuch bereits im Mai 2005 gegenüber der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen in Genf angekündigt. Die Federführung für die Vorbereitung des Besuchsprogramms lag bei BMBF und AA. Zum Ablauf des Besuchs Während seines neuntägigen Deutschlandaufenthalts besuchte Herr Professor Muñoz insgesamt 36 verschiedene Institutionen. Er führte Gespräche mit Vertretern von Bund und Ländern, Bundestagsabgeordneten, Wissenschaftlern, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen. Kinderrechtskonvention und Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03.03.2006 Die Kinderrechtskonvention („Abkommen über die Rechte des Kindes“) wurde 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedet. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Abkommen 1992 ratifiziert, jedoch mehrere Vorbehalte formuliert, wovon die meisten inzwischen durch entsprechende nationale Gesetzgebung gegenstandslos geworden sind. In dem noch bestehenden relevanten Vorbehalt wird sinngemäß festgestellt, dass die Bestimmungen der Konvention nicht so verstanden werden dürften, dass sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland einschränken, ausländerrechtliche Gesetze und Verordnungen zu erlassen und umzusetzen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass dadurch das Recht auf Bildung von jugendlichen Flüchtlingen und sog. statuslosen Kindern eingeschränkt würde. Die 313. Kultusministerkonferenz hat am 03.03.2006 eine Erklärung zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention verabschiedet. Darin bekennt sie sich ausdrücklich zum Recht des Kindes auf Bildung. Sie spricht sich für den umfassenden Entfaltungsanspruch des Kindes in allen Schulstufen und für die altersgemäße Berücksichtigung seiner Rechte auf Schutz, Fürsorge und Partizipation aus. Die Kultusministerkonferenz will sich bei der Umsetzung des Rechts auf Bildung insbesondere bemühen, die Zahl der Schulabbrecher und Schulverweigerer zu senken und die frühe kindliche Förderung zum Ausgleich von Bildungsbenachteiligung zu stärken. Der Sonderberichterstatter berichtete 2006 vor dem UN-Menschenrechtsausschuss zunächst mündlich über seinen Deutschlandbesuch. Er hat auf seiner Deutschlandreise umfangreiche Materialien zum Recht auf Bildung gesammelt, die er auswerten wird. Auf der Grundlage der Analyse dieser Materialien wird er seinen Bericht erstellen und Handlungsempfehlungen formulieren. Den endgültigen Schriftbericht legte Herr Prof. Muñoz der UN-Menschenrechtskommission (12. März bis 05. April 2007 in Genf) vergangenen Mittwoch vor. “ Schon im Vorfeld der Vorstellung des Berichts wurden Forderungen zur Veröffentlichung laut. Angeblich sieht der UN-Sonderberichterstater im deutschen Schulsystem die Chancengleichheit von Migrantenkindern und Behinderten nicht gewährleistet. Die weltweite PISA-Studie habe die ausgeprägte Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungserfolg belegt. Laut Presseberichten bezeichnet Muñoz das deutsche System mit der frühen Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf Haupt-, Realschulen und Gymnasien als ‚extrem selektiv‘. Die bildungspoltische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Nele Hirsch, erklärte, Bundesregierung und Kultusministerkonferenz forderten Korrekturen und Richtigstellungen im Vorfeld der offiziellen Vorstellung des Berichts. Daher trat Nele Hirsch für eine Veröffentlichung des UN-Berichts in der ursprünglichen Form ein. * Auszüge aus der ARBEITSÜBERSETZUNG DES BERICHTS DES SONDERBERICHTERSTATTERS Vernor Muñoz ‚Das Recht auf Bildung‘: “ Das Recht auf Bildung … Im Verlaufe seines Besuchs hat der Sonderberichterstatter die Umsetzung des Rechtes auf Bildung im Lichte von vier Querschnittsthemen analysiert: 1) die Auswirkungen des deutschen föderalen Systems 2) die Reform des Bildungssystems, die infolge der Ergebnisse des OECD-Programms zur internationalen Bewertung von Schülerleistungen (PISA) durchgeführt wurde 3) die Struktur des Bildungswesens 4) der Paradigmenwechsel bei der Migration in Verbindung mit demographischen Veränderungen und sozio-ökonomischen Faktoren. … Schlussfolgerungen und Empfehlungen 88. Deutschland verfügt über ein flächendeckendes öffentliches Bildungswesen und gehört zu den wenigen Ländern, die die Schulpflicht auf 18 Jahre heraufgesetzt haben. Auch die Einschulungsquote ist in allen Bereichen hoch. Hauptsächlich wegen der Vielschichtigkeit der Struktur des Bildungssystems gibt es jedoch einige Defizite, die zumeist mit den Schwierigkeiten zusammenhängen, denen sich Kinder bestimmter Randgruppen gegenübersehen, wie beispielsweise Kinder aus unteren sozialen Schichten, Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder, die mit Behinderungen leben dadurch hat das Bildungssystem eine ausgrenzende Wirkung. 89. Eine der Hauptursachen der Ausgrenzung ist die Einstufung, die in einem sehr frühen Alter und anhand nicht sehr klarer und uneinheitlicher Kriterien erfolgt. Diese Bewertung hängt de facto zum großen Teil von den Bestimmungen jedes einzelnen Bundeslands und den Lehrern ab, die nicht immer in der Lage sind, diese Aufgabe zu bewältigen. Deutschland muss eine Strukturreform des Bildungswesens durchführen, innerhalb derer die Vorteile des derzeitigen Systems wie die hohe Einschulungsquote erhalten bleiben, die es aber wiederum ermöglicht, die ungleiche Behandlung und die mangelnden Chancen bestimmter Bevölkerungsgruppen zu überwinden. Eine auf Rechte gestützte Bildungsvision würde es ermöglichen, die notwendigen Reformen mit Blick auf den Bildungsbedarf aller Menschen zu verfolgen. Der Sonderberichterstatter gibt der Regierung der Bundesrepublik Deutschland folgende Empfehlungen: 90. Es ist ratsam, einheitliche Garantien hinsichtlich der Beachtung des Rechtes auf Bildung in die Verfassungen der Länder und in das Grundgesetz aufzunehmen, was zudem die Abstimmung mit den Verfahren im übrigen Europa und die Einhaltung der entsprechenden staatlichen Verpflichtungen fördern könnte. … 92. Die nationale Debatte über die Beziehungen zwischen den derzeitigen Bildungsstrukturen und dem Phänomen der Ausgrenzung oder Marginalisierung von Schülern, insbesondere von solchen mit Migrationshintergrund und von Menschen mit Behinderungen, muss angeregt und vertieft werden. Im Rahmen dieser Debatte kann außerdem analysiert werden, ob es zeckmäßig ist, gleichzeitig an einem zweigliedrigen und dreigliedrigen System festzuhalten. … 94. Im Zusammenwirken mit Hochschulen und sonstigen Einrichtungen, an denen Pädagogen ausgebildet werden, soll der pädagogische Schwerpunkt – nicht nur thematisch oder fachbereichsbezogen – auf die Ausbildung der Lehrer und besonders die Methodenlehre im Bereich Menschenrechtsbildung gelegt werden. 95. Es soll eine Studie in Angriff genommen werden, mit der die Möglichkeit geprüft wird, die Gehalts- und Berufsbedingungen von Pädagogen verschiedener Systeme und Bildungsebenen anzugleichen. 96. Die Politik und Praxis der Einstufung der Schüler (mit 10 Jahren), mit der die Möglichkeit des Zugangs zur unteren Sekundarstufe festgelegt wird, ist zu überprüfen, damit festgestellt werden kann, ob eine derart frühe Einstufung den Rechten, Interessen und Bedürfnissen der Schüler gerecht wird. … 99. Angesichts der mit dem derzeitigen System verbundenen Gefahr, dass in Deutschland lebenden Mädchen und Jungen das Recht auf Bildung vorenthalten wird, werden Studien empfohlen, die eine Klärung der tatsächlichen Situation betreffend den Schulbesuch von Kindern von Asylbewerbern, Flüchtlingen oder Kindern ohne Ausweispapiere erlauben ebenso ist dringend der rechtliche Rahmen für den Schutz und die Förderung des Menschenrechts auf Bildung dieser Kinder zu bewerten dies muss die Prüfung der Möglichkeit einschließen, die Vorbehalte und Erklärungen zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zurückzuziehen. … 107. Es ist zu bewerten, inwieweit die erste Phase des Weltprogramms für Menschenrechtsbildung in Übereinstimmung mit den Resolutionen Nr. 59/113 A und 59/113 B der Generalversammlung verwirklicht wurde. “ * Auszüge aus einer ZUSAMMENFASSUNG der wichtigsten FAKTEN von Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule: “ Deutschland-Report des UN-Sonderberichterstatters Muñoz … Gespannt darf man darauf sein, ob Muñoz seine harsche Kritik am deutschen Schulsystem aufrecht hält und wie die offizielle Politik darauf reagiert. Die Kritik Bereits zum Abschluss seines Deutschlandbesuches im Januar 2006 hatte Muñoz in der Abschluss-Pressekonferenz das deutsche Schulsystem als hoch selektiv kritisiert und das Recht auf Bildung für arme Kinder, Kinder mit Behinderungen, aus Migrationsfamilien, für Flüchtlingskinder und illegal in Deutschland lebende Kinder gefährdet und verletzt gesehen. Der frühen Selektion im Alter von 10 Jahren hatte er benachteiligende, die Chancengleichheit verletzende, ja sogar diskriminierende Wirkungen zugeschrieben. … Offizielle Reaktionen Muñoz hat seine Kritik in der Entwurfsfassung des schriftlichen Berichts wiederholt. Der Berichtsentwurf wurde in einer Arbeitsübersetzung der Kultusministerkonferenz vor einem Monat durch Indiskretionen bekannt. Es folgten teilweise wütende Reaktionen aus der offiziellen Politik. Dem Vernehmen nach versuchen KMK, Bundesbildungsministerium (BMBF), das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (MFSFJ), das Außenministerium und das Auswärtige Amt eine gemeinsame Stellungnahme abzustimmen. Allerdings ist unklar, ob eine Einigung gelingt, denn die Positionen liegen ziemlich weit auseinander: Sie reichen von einer harten und scharfen Reaktion des Inhalts „Deutschland hat ein erfolgreiches Bildungssystem“ (Bundesbildungsministerin Annette Schavan, CDU), „der Muñoz- Bericht ist unbrauchbar“ (Kultusministerium NRW) bis zu der Tatsache, dass sich die Große Koalition im geltenden Koalitionsvertrag auf die Ziele des „Nationalen Aktionsplans für ein kindergerechtes Deutschland“ verständigt hat. Diese sehen im ersten von sechs prioritären Handlungsfeldern unmissverständlich vor, vordringliches Ziel sei die „Überwindung der Selektivität des Bildungssystems und Wandel zu einem fördernden System“. … Position der GEW Die GEW hat bereits anlässlich des Deutschlandbesuchs und des Berichtsentwurfs Informationen und Positionen veröffentlicht. Wir haben den Besuch des Sonderberichterstatters begrüßt und teilen seine Kritik am selektiven deutschen Bildungssystem. … Das selektive Bildungssystem Deutschlands wird international zu Recht an den Pranger gestellt. Die offizielle Politik muss sich darüber im Klaren sein, dass die ständige Wiederholung konservativer Mythen und Rechtfertigungsrhetorik für ein nachweislich hoch selektives Bildungssystem mit diskriminierenden Wirkungen international keinen Eindruck macht, sondern Kopfschütteln und Befremden hervorruft. Mit jeder weiteren Weigerung Deutschlands, ein inklusives, integratives Schulsystem als internationalen Standard zu akzeptieren, wächst die Gefahr, dass Deutschland als unbelehrbar gilt und der heute schon geringe Einfluss auf die internationale bildungspolitische Entwicklung weiter schwindet. Der Bundesregierung und der verantwortlichen Ministerin sowie der KMK ist dringend zu raten, auf jede rechthaberische Abwehrhaltung zu verzichten und wesentliche – auch umstrittene – Empfehlungen positiv aufzugreifen. Dazu gehören zum Beispiel: – die Tabuisierung der Schulstrukturfrage auch offiziell aufzugeben und eine nationale Debatte darüber zu führen, wie die Bildungsstrukturen in Deutschland zu Benachteiligung, Diskriminierung und Marginalisierung beitragen und die dazu notwendigen Studien in Auftrag zu geben – das Recht auf Bildung ins Grundgesetz und die Länderverfassungen aufzunehmen – die UN-Abkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu ratifizieren – alle öffentlichen Bildungseinrichtungen baulich schwellenfrei auszustatten, damit Menschen mit Behinderungen ins allgemeine Bildungssystem integriert werden können – die Vorbehalte gegen die UN-Kinderrechtskonvention aufzugeben und das Recht auf Bildung von Flüchtlingen und statuslosen Kinder zu garantieren. “ * STELLUNGNAHME DES DEUTSCHEN KINDERHILFSWERKS Das Deutsche Kinderhilfswerk legt in einer Stellungnahme zum Muñoz-Bericht dar, wie die Bildungskrise in Deutschland bekämpft werden kann. Dazu gehört das Konzept des �Länger gemeinsam lernen’ ebenso wie Maßnahmen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund am deutschen Bildungssystem. Für eine bessere Bildung in Deutschland muss aber auch die Kinderarmut wirksam bekämpft werden. Auszüge aus der Stellungnahme: “ Schülerinnen und Schüler in Deutschland müssen länger gemeinsam lernen Für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen hat die Schule nach wie vor größten Stellenwert. Dabei muss sich das Schulsystem unseres Landes an einem humanistischen Menschenbild orientieren und alle Kinder und Jugendlichen entsprechend ihren Möglichkeiten optimal fördern und ihnen gleichzeitig die gesellschaftlichen Anforderungen und Regeln unseres demokratischen Gemeinwesens nahe bringen. Die Schule hat also auch die Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu einem toleranten Zusammenleben mit anderen Menschen zu befähigen. Bei dieser Aufgabe kommt dem „Länger gemeinsam lernen“ eine herausragende Bedeutung zu. Unser derzeitiges Schulsystem orientiert sich noch immer am Ziel homogener Lerngruppen. … Hier muss es zu einer Veränderung unseres Schulsystems kommen. Wir brauchen eine gemeinsame Schule für alle Kinder und Jugendlichen, und dies bis zum Ende der Pflichtschulzeit. Wir müssen dabei Heterogenität als Fakt und als Chance anerkennen. Auch wenn Schüler länger gemeinsam lernen, ist individuelle Förderung möglich, um sowohl gute Ergebnisse in der Spitze als auch in der Breite zu erreichen. … Dazu brauchen wir keine unterschiedlichen Schulformen, sondern eine gemeinsame Erziehung der Kinder und Jugendlichen, die nicht von allen das Gleiche verlangt. Jede Schülerin und jeder Schüler muss dabei in seiner Gesamtentwicklung unterstützt werden. Es ist für die Kinder und Jugendlichen von großem Vorteil, wenn sie miteinander und voneinander lernen und so ihre individuellen Fähigkeiten und soziale Kompetenzen optimal entwickeln. … Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund brauchen eine gleichberechtigte Teilhabe am deutschen Bildungssystem … Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie für Aneignungs- und Lernprozesse differieren nach sozialer und ethnischer Herkunft, nach Geschlecht und Region. … Im Bereich der schulischen Bildung muss festgestellt werden, dass in kaum einem anderen der … Industriestaaten Migrantenkinder so schlechte Bildungschancen wie in Deutschland haben. … Dass dabei Migrantenkinder zweiter Generation schlechtere Bildungschancen haben als jene, die nicht hier geboren wurden, ist ein Armutszeugnis für das deutsche Bildungssystem. … Die Integration von Migrantenkindern darf sich wie bei Erwachsenen nicht nur auf das Angebot von Sprach- und Orientierungskursen beschränken, sondern muss auch die psychologische Seite berücksichtigen. Den Migrantinnen und Migranten muss das Gefühl gegeben werden, angekommen zu sein und das Recht zu haben, an der Gestaltung der Gesellschaft gleichberechtigt teilzunehmen. Dieses Gefühl beruht auf der Empfindung allgemeiner gesellschaftlicher Billigung und Anerkennung. … Alle Kinder in Deutschland haben ein Recht auf Bildung … Jedes Kind hat ein Recht auf Bildungschancen – ganz gleich wo es lebt und mit welchem Aufenthaltsstatus. … Inzwischen gibt es noch drei Bundesländer, die für diese Kinder anstelle der Schulpflicht nur ein freiwilliges Schulbesuchsrecht annehmen. Hierbei handelt es sich um Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland. Dieses Schulbesuchsrecht wird den Kindern und Jugendlichen aber oft unmöglich gemacht: Mit dem Hinweis auf fehlende Schulpflicht können notwendige materielle Leistungen verweigert werden. Deutschkurse, … werden oft nicht angeboten. Und manchmal kann die Beschulung auch auf Grund mangelnder räumlicher oder personeller Kapazitäten abgelehnt werden. Ein Kind, das jahrelang nicht zur Schule gehen kann, wird nicht wieder aufzuholende Bildungslücken haben, die ihm im weiteren Lebenslauf viele Chancen verbauen. … Schülerinnen und Schüler müssen bei der notwendigen Umgestaltung des deutschen Bildungssystems und bei der Gestaltung der Schule selbst beteiligt werden. … Im Sinne von Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention, der die Berücksichtigung des Kindeswillens enthält, sollten Kinder in Deutschlands Schulen endlich mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten bekommen, und zwar nicht nur in Fragen der Raumgestaltung, sondern auch bei der Unterrichtsgestaltung. … Damit könnte auch erreicht werden, dass weniger Kinder und Jugendliche als bisher dem Unterricht fernbleiben. Dazu muss sich die Schule auch viel stärker als bisher der Lebenswirklichkeit von Kindern öffnen. … “ * Das Bundesministerium für Bildung und Forschung meldet dazu: STELLUNGNAHME DER BUNDESREGIERUNG UND DER KULTUSMINISTERKONFERENZ “ Deutschland gehört dank seines leistungsfähigen Bildungssystems zu einer der stärksten Wirtschaftsnationen und stabilsten Demokratien der Welt. Die Bildungsbeteiligung und das allgemeine Bildungsniveau haben sich bei einer wachsenden Nachfrage nach höherwertigen Bildungsabschlüssen in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht und sind im internationalen Vergleich hoch. … Dem Recht auf Bildung kommt in Deutschland herausragende Bedeutung zu. Dieses Recht ist verfassungsmäßig garantiert. Aufgrund des föderalen Systems liegt die Verantwortung für die schulische Bildung und die Ausgestaltung des Schulsystems in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder. … Gegenwärtig werden in den Ländern unterschiedliche Konzepte zur Weiterentwicklung einzelner Schulformen erprobt, die darauf abzielen, ein Höchstmaß an Durchlässigkeit und an individueller Schülerförderung zu erreichen. Die Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland haben sich darauf verständigt, die notwendigen und bereits eingeleiteten inhaltlichen Schulreformen vorrangig durchzuführen. … Eine der wichtigsten Ziele bei der Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems ist es, die Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft zu reduzieren und allen Kindern und Jugendlichen – gleich welcher Herkunft – die besten Chancen auf Bildung in Schule, Beruf oder Hochschule zu bieten. Dies betrifft vor allem auch junge Menschen aus Migrantenfamilien. Eine bewusste bildungspolitische Ungleichbehandlung von Kindern mit Migrationshintergrund ist nirgends in Deutschland erkennbar. Im Gegenteil ist es eines der zentralen bildungspolitischen Ziele von Bund, Ländern und Kommunen allen Kindern und Jugendlichen, gerade auch jungen Menschen aus Migrantenfamilien, die Entwicklung ihrer Potentiale durch Bildung in Schule, Beruf oder Hochschule zu ermöglichen. In dem im Juli 2006 begonnenen Prozess zur Erarbeitung eines ‚Nationalen Integrationsplans‘ kommt der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch gezielte Sprachförderung in Kindergarten und Schule und der Verbesserung von Bildungschancen und Bildungsbeteiligung besonderer Stellenwert zu. … Kinder und Jugendliche mit Behinderungen … werden vom Bildungssystem nicht ausgegrenzt, sondern in Deutschland besonders intensiv gefördert. … Hinzu kommen vielfältige und auf den sonderpädagogischen Bedarf ausgerichtete Förderangebote. … Deutschland hat sich gemeinsam mit den Partnern in der EU für die Verabschiedung der VN-Konvention über die Rechte von Behinderten eingesetzt. Am 30. März 2007, wenn die Konvention in New York zur Zeichnung aufgelegt wird, wird Deutschland sowohl die Konvention als auch das Zusatzprotokoll zeichnen. Deutschland wird auch weiterhin für die Konvention werben und hofft, dass dieses wichtige Dokument in naher Zukunft umgesetzt werden kann. “ * Muñoz-Kritik unberechtigt: Gegliedertes Schulsystem fördert Begabungen Auszüge der Erklärung des BILUNGSPOLITISCHEN SPRECHERS der FDP-BUNDESTAGSFRAKTION Patrick MEINHARDT zum von UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz vorgestellten Bericht über das deutsche Bildungssystem: “ Nach Wochen der Schattendiskussion und Mutmaßungen muss der Muñoz-Bericht dahin, wo er hingehört: in den Bildungsausschuss. Die FDP-Fraktion fordert die Bildungsministerin dazu auf, in der nächsten Sitzung des Ausschusses persönlich Stellung zu beziehen. … Das Abschaffen von Schultypen löst die Probleme jedoch nicht. … Das gegliederte Schulsystem fördert Begabungen, weil dort besser auf die einzelnen Schüler eingegangen werden kann als in einer Einheitsschule. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir in Deutschland Schüler besser nach ihren Fähigkeiten fördern können, damit niemand zurückgelassen wird. Die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft muss verringert werden. Notwendig sind eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen den Schultypen und eine Selbstständigkeit der Schulen. Hierfür ist der Bildungsföderalismus in Deutschland die notwendige Voraussetzung. … Deutschlands Lehrerausbildung ist nicht auf der Höhe der Zeit. … Die Lehrerausbildung muss weniger akademisch sein, und deutlich mehr praktische, deutlich mehr pädagogische Bezüge haben. … “ * UN-KRITIK am Bildungssystem MUSS KONSEQUENZEN HABEN Zum Bericht des Sonderberichtserstatters Muñoz über das deutsche Bildungswesen vor der UN in Genf führt Priska Hinz, bildungspolitische Sprecherin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, aus: “ Muñoz legt den Finger in die größte Wunde des deutschen Bildungssystems – die mangelnde Chancengerechtigkeit. Er bestätigt in vielen Punkten Kritik, die von den Grünen seit Jahren geäußert wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder allein aufgrund ihrer sozialen Herkunft schlechtere Startchancen haben. Deutschland sollte die Kritik des UN-Sonderberichterstatters sehr ernst nehmen und sich vom mehrgliedrigen Schulsystem verabschieden. Erkenntnisse haben wir nun zu genüge, es müssen endlich Taten folgen. Die Ablenkungsmanöver von Seiten der Kultusministerkonferenz und der Bundesbildungsministerin sind peinlich. Wer Muñoz’ Kritik damit abtun will, dass dieser sich in zehn Tagen kein Bild habe machen können oder das deutsche System nicht verstehe, zeigt nur, dass er die Ergebnisse nationaler und internationaler Bildungsstudien ignoriert. … Es wird höchste Zeit, Gemeinschaftsschulen einzurichten, in denen Schüler besser und individuell gefördert werden. “

http://www.gew.de
http://www.bmbf.de
http://www.priska-hinz.de

Quelle: http://www.gew.de/deutsche_schulpolitik_auf_dem_pruefstand.html http://www.bmbf.de/de/7763.php http://www.tagesschau.de http://www.dkhw.de http://www.nele-hirsch.de/index.php?option=com_content&task=view&id=508&Itemid=48 Presseinformation BÜNDNIS 90/Die G

Dokumente: Arbeits_c3_bcbersetzung_Munoz_Bericht.pdf

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