GEMEINWOHLARBEIT – EINE ARBEITSHILFE Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat das Instrument der Arbeitsgelegenheiten für Jugendliche unter die Lupe genommen. In der Arbeitshilfe werden die Rahmenbedingungen für Arbeitsgelegenheiten, hier als Gemeinwohlarbeit bezeichnet, erläutert und die notwendige Qualifizierung für Jugendliche in unterschiedlichen Facetten beschrieben und die Diskussion für den weiteren Entwicklungsprozess angeregt. Auszüge aus der Arbeitshilfe „Gemeinwohlarbeit. Integrationschancen des SGB II für langzeitarbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene: “ * ALLEN JUGENDLICHEN EIN ANGEBOT MACHEN – ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT DER SGB II-FÖRDERUNG FÜR JUGENDLICHE UNTER 25 JAHREN … Das Sozialgesetzbuch II zielt darauf ab, erwerbsfähige Hilfebedürftige in Erwerbsarbeit zu bringen, damit sie keine Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende mehr beanspruchen können (§2 Abs. 1). Vorrangig sind Maßnahmen, die eine unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen. Für Jugendliche unter 25 Jahren gibt es sogar die Verpflichtung des SGB II-Leistungsträgers, sie innerhalb von drei Monaten in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln(SGB II §3 Abs. 2). … Arbeitsgelegenheiten gehören zu den Eingliederungsleistungen des SGB II. Sie sollen für diejenigen Hilfebedürftigen geschaffen werden, die keine Arbeit finden. Arbeitsgelegenheiten nehmen außerdem eine besondere Bedeutung in der Förderung von Jugendlichen ein. … Dem Gesetzgeber ging es darum, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken und zu vermeiden, dass „keine Gewöhnung an den Bezug von Sozialleistungen eintritt.“ … Arbeitsgelegenheiten, in die Ungelernte vermittelt werden, sollen einen Beitrag zum Erwerb von Qualifikationen und beruflichen Kenntnissen leisten. … Das SGB II sieht mehrere Varianten der öffentlich geförderten Beschäftigung vor. Auch unter den Bedingungen des neuen Gesetzes können erwerbsfähige Hilfebedürftige gemäß §16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §§260 ff. SGB III im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) beschäftigt werden. Ein Träger führt dabei zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten mit den Arbeitssuchenden durch. … Als weitere Fördermöglichkeit sieht §16 Abs. 3 Satz 2 SGB II die in der Öffentlichkeit stark diskutierte Arbeitsgelegenheit mit „Mehraufwandvariante“ (MAE), auch „Zusatzjobs“ oder „Ein-Euro-Job“ genannt vor. Bei diesen Arbeitsgelegenheiten muss es sich um im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten handeln. Im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten sind insbesondere auch gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten, die von Trägern der freien Wohlfahrtspflege angeboten werden können. §16 Abs. 3 Satz 2 SGB II bestimmt, dass diese Arbeiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes begründen. … Als dritte Variante im SGB II sind die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante zu nennen, bei denen Beschäftigungen geschaffen werden und der Arbeitssuchende ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt erhält. … Im Gegensatz zu ABM und den sog. Zusatzjobs müssen Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nicht zwingend zusätzlich sein und im öffentlichen Interesse liegen. Die Tätigkeitsbereiche können daher auf wirtschaftsnähere Einsatzfelder erweitert werden. Damit sollen die Chancen für die Arbeitslosen auf eine berufliche Integration im ersten Arbeitsmarkt erweitert werden. Die konkrete Ausgestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung erfolgt auf der lokalen Ebene durch die Träger der Grundsicherung. Ihr Handlungsspielraum ist groß: … Bisherige Bilanz der Umsetzung Die Arbeitsgelegenheiten haben sich zu dem quantitativ bedeutendsten Eingliederungsinstrument für Jugendliche bei der Umsetzung des SGB II in 2005 entwickelt. Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für Dezember und das Jahr 2005 sind seit Jahresbeginn rund 147.000 Jugendliche in Arbeitsgelegenheiten vermittelt worden. … Aus vielen Rückmeldungen der Praxis ist bekannt, dass die Träger der Grundsicherung aufgrund der Aufbauphase in den Job-Centern in großem Umfang zunächst Arbeitsgelegenheiten in Form von Zusatzjobs finanziert und andere Eingliederungsleistungen zurückgestellt haben. Es gibt zwar keine bundesweite Statistik über die Beteiligung freier Träger an der Umsetzung der Arbeitsgelegenheiten. Wir wissen jedoch sicher, dass sich freie Träger, darunter auch Träger der Jugendsozialarbeit, in großem Umfang an der Umsetzung beteiligt haben. So waren nach einer Umfrage der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen aus dem März 2005 von ca. 20.000 Arbeitsgelegenheiten über 15.000 Stellen bei den Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege angesiedelt. … Die immense Zahl der gerade für Jugendliche geschaffenen Arbeitsgelegenheiten lässt vielmehr kritisch hinterfragen, ob die fachlich gebotene Nachrangigkeit dieser Angebote immer eingehalten wurde, zumal ein großer Teil der Jugendlichen, die über das SGB II betreut werden, weder über einen Schul- noch einen Berufsabschluss verfügt. Bei der Beurteilung der Umsetzung der Arbeitsgelegenheiten fällt positiv ins Gewicht, dass die SGB II-Leistungsträger in den meisten Fällen Qualifizierungsanteile für diejenigen Arbeitsgelegenheiten finanziert haben, in die Jugendliche vermittelt wurden. … Die Erfahrungen der Betroffenen, hier der Jugendlichen, sind nach unseren Erfahrungen sehr unterschiedlich – sie reichen von einem vorzeitigen Maßnahmenabbruch bis hin zu positiven Rückmeldungen der Jugendlichen und echten Vermittlungserfolgen wie beispielsweise einer anschließenden Ausbildung. Handlungsbedarf Bei der weiteren Umsetzung des SGB II für Jugendliche sollten Arbeitsgelegenheiten sukzessive stärker durch alternative Angebote, insbesondere durch Angebote zur Berufsvorbereitung und Berufsausbildung, ersetzt werden. Das Ziel, alle Jugendlichen an eine Ausbildung heranzuführen muss auch unter den Bedingungen des SGB II gelten. Das hat in der Praxis zur Folge, dass viele Jugendliche über einen längeren Zeitraum begleitet und gefördert werden müssen. Arbeitsgelegenheiten können hier ein geeignetes, niedrig schwelliges Einstiegsangebot darstellen. Dafür muss der Zeitraum der Arbeitsgelegenheiten zukünftig stärker als bisher an den jeweiligen Förderbedarf der Jugendlichen angepasst – und sehr häufig auch verlängert – werden. Weitergehende Förderinstrumente im Anschluss an eine Arbeitsgelegenheit müssen geplant und umgesetzt werden. Zur Qualitätssteigerung der Angebote sollte die Zusammenarbeit zwischen Trägern der Grundsicherung und der Jugendhilfe intensiviert werden. Insbesondere bei der Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten als niedrig schwelliges Förderinstrument ist eine Kooperation mit der Jugendhilfe sinnvoll. Gleichzeitig sollten Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante auch für Jugendliche häufiger als bisher angeboten werden, damit wirtschaftsnahe Betätigungsfelder zur Verfügung stehen und sich die Übergangschancen für Jugendliche verbessern. Ebenso sollten Arbeitsgelegenheiten, mit denen der Schulabschluss nachgeholt werden kann, angesichts der großen Zahl an Jugendlichen im SGB II ohne Schulabschluss, ausgebaut werden. … * GEMEINWOHLARBEIT ALS JOBCHANCE IN DER SOZIALWIRTSCHAFT Integration von Jugendlichen – aktive Stärkung des Gemeinwohls … Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband setzt sich dafür ein, dass Arbeitsgelegenheiten so umgesetzt werden, dass Jugendliche qualifiziert werden und berufliche Perspektiven erhalten. Das „Fördern“ und die Integrationsunterstützung für Langzeitarbeitslose in Arbeitsgelegenheiten sollen in den Mittelpunkt gestellt werden. Ihnen ist eine Wahlfreiheit zu gewähren, damit sie eine passende und sinnvolle Beschäftigung finden können. Dieser Anspruch an Arbeitsgelegenheiten ist für Träger und Anbieter von Arbeitsgelegenheiten wichtig. Eine passgenaue Auswahl und Besetzung der Einsatzstellen ist Voraussetzung für Sinn und Erfolg der Arbeitsgelegenheiten. … GemeinwohlArbeit für die Zielgruppe der unter 25 jährigen (U 25) hat trotz und wegen dieser Voraussetzungen das Ziel, Arbeitsgelegenheiten zur Erledigung von zusätzlichen, öffentlichen Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls zur beruflichen Integration von jungen Erwachsenen zu entwickeln und GemeinwohlArbeit auf der Basis von Qualitätsstandards als eine öffentlich anerkannte und staatlich finanzierte Leistung für das Gemeinwohl zu etablieren. … *GEMEINWOHLARBEIT UND ERSTER ARBEITSMARKT … Übergänge in Ausbildung und Arbeit Auch wenn die Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt das wichtigste Ziel bleibt, sind die Ansprüche hierbei eher zurückhaltend: Als Ziel wird nicht die direkte Übernahme in ein Arbeitsverhältnis betrachtet, da dies als unrealistisch eingeschätzt wird. Der Nutzen der Arbeitsgelegenheiten für erwerbsfähige Hilfebedürftige wird von den ARGE-Mitarbeitern vielmehr darin gesehen, dass jene an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt werden (47 %), an Selbstwertgefühl durch die Aufgabe gewinnen (31 %) und Kontakt zur Arbeitswelt bekommen (31 %). Darüber hinaus sehen 33 % der Befragten einen Hauptnutzen der Arbeitsgelegenheiten in den zusätzlichen finanziellen Mitteln, die z. B. zur Schuldentilgung eingesetzt werden können. … Betrachtet man die Verteilung der Zugänge nach beruflichen Vorqualifikationen (ohne Altersdifferenzierung), wird deutlich, dass Arbeitsgelegenheiten vorwiegend für Personen ohne Berufsabschluss (47,33 Prozent Mehraufwandsvariante, 45,26 Entgeltvariante) und für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung (46,18 Prozent Mehraufwandsvariante, 45,87 Entgeltvariante) eingesetzt werden. … Jugendliche unter 25 Jahren machen ein Viertel der Zugänge in die Mehraufwandsvariante aus, bei der Entgeltvariante beträgt der Anteil dieser Altersgruppe etwa ein Drittel. Daraus ist allerdings nicht zu schließen, das Jugendliche häufiger in der Entgeltvariante gefördert werden. … Hinsichtlich der Abgangsraten wurde bereits darauf hingewiesen, dass sie für die unter 25-jährigen am höchsten sind. Dies dürfte aber im wesentlichen Personen mit abgeschlossener Ausbildung oder höheren (hoch-) schulischen Abschlüssen betreffen, denn die Abgangsraten für Personen ohne Berufsabschluss sind mit 1,8 Prozent (bezogen auf alle Altersgruppen) am geringsten. … Auch Arbeitsgelegenheiten für Jugendliche in Verbindung mit niedrigschwelliger Qualifizierung weisen mit 23,5 Prozent überdurchschnittliche Integrationsquoten auf, während Arbeitsgelegenheiten mit Hauptschulabschlusskursen oder Deutschkursen mit 8,5 Prozent nur niedrige Übergänge in Ausbildung oder Arbeit aufweisen. Insgesamt bedeutet dies aber, dass nur jede/r fünfte Teilnehmende aus Arbeitsgelegenheiten im Anschluss in Ausbildung oder Arbeit vermittelt worden sind. Zum Vergleich: 43 Prozent der Teilnehmenden an Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind im Anschluss in eine Ausbildung, Arbeit oder an eine Berufsbildende Schule gewechselt. “ Die Arbeitshilfe ist erhältlich beim Paritätischen Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V. unter: jugendsozialarbeit@paritaet.org
http://www.paritaet.org
Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V.