ASYLSUCHENDE UND GEDULDETE FLÜCHTLINGE BEIM ZUGANG ZUM ARBEITSMARKT GLEICHSTELLEN Antrag der Fraktion DIE LINKE Die Bundesregierung soll sowohl Asylsuchenden als auch geduldeten Flüchtlingen und Personen mit Aufenthaltserlaubnis, aber ohne unbeschränkte Arbeitserlaubnis, ungehindert Zugang zum Arbeitsmarkt verschaffen. In einem Antrag fordert die Linksfraktion außerdem die Einführung eines sozial gerechten Mindestlohns und die Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber. Auszüge aus dem Antrag und der Begründung: “ Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: 1. Das in § 61 des Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) normierte gesetzliche Arbeitsverbot diskriminiert Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge und macht ihnen im ersten Jahr ihres Aufenthalts eine eigenständige Sicherung ihres Lebensunterhalts unmöglich. … 3. Die Arbeitsmarktprüfung nach § 39 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erweist sich für Asylsuchende, geduldete Flüchtlinge und diejenigen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, deren Aufenthaltserlaubnis nicht zur Erwerbstätigkeit ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit berechtigt, in vielen Fällen als ein faktisches Arbeitsverbot. Die Arbeitsmarktprüfung erschwert bzw. verhindert, dass Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge nach einem Jahr Aufenthalt eine Beschäftigung ausüben können. 4. Die Arbeitsmarktprüfung stellt eine erhebliche Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt dar, weil die Betroffenen unabhängig von ihren Qualifikationen und ihren vorhandenen Berufserfahrungen faktisch nur auf niedrigqualifizierte und geringfügig entlohnte Beschäftigungen verwiesen werden. Die Arbeitsmarktprüfung trägt somit dazu bei, dass der Anteil von Menschen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit im Niedriglohnsektor überdurchschnittlich hoch ist. 5. Die räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG und § 61 Abs. 1 AufenthG („Residenzpflicht“ ) … stellt eine den gesamten Lebensalltag dominierende Erfahrung der Ausgrenzung, … dar, die auch die Arbeitsplatzsuche erheblich erschwert. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen sowie Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, die nicht zur Erwerbstätigkeit ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit berechtigt, einen ungehinderten und gleichrangigen Zugang zur Beschäftigung zu gewähren. Hierzu sind vorrangig zumindest die §§ 4 und 39 AufenthG, § 61 AsylVfG und §§ 9 und 10 BeschVerfV entsprechend zu ändern und § 11 BeschVerfV zu streichen. 2. einen sozial gerechten Mindestlohn einzuführen, um generell alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen zu schützen und die bestehenden Entgeltungsungleichheiten zu verringern. Dafür wird ein System dualer Mindestlöhne eingeführt, das einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn mit tariflich vereinbarten und per Gesetz fixierten, branchenbezogenen Mindestlöhnen koppelt. 3. die räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG und § 61 Abs. 1 AufenthG („Residenzpflicht“ ) abzuschaffen. … Begründung Gesetzliche und faktische Arbeitsverbote verwehren bzw. erschweren geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchenden die Erwerbstätigkeit unabhängig davon, wie lange sie schon ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Damit wird ihnen systematisch und gesetzlich die Möglichkeit genommen, aus eigener Kraft für sich selbst zu sorgen und unabhängig von sozialstaatlichen Leistungen leben zu können. … Für geduldete Flüchtlinge hat sich mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme bzw. der Fortsetzung bestehender Arbeitsverhältnisse noch einmal verschlechtert. Seit dem 01.01.2005 sind die Ausländerbehörden nicht nur für die Erteilung der Aufenthaltstitel, sondern auch für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis zuständig, wobei sie die Arbeitsagenturen in einem für die Betroffenen undurchsichtigen internen Verfahren beteiligen. … vergeben einige Ausländerbehörden gemäß § 11 BeschVerfV gar keine Arbeitserlaubnisse mehr an geduldete Flüchtlinge. Die Konsequenzen dieses gesetzlichen Arbeitsverbots sind dramatisch, da zum Teil geduldete Flüchtlinge aus Arbeitsverhältnissen entlassen werden, die seit Jahren bestehen. Hinzu kommt, dass sie auch nach langjähriger Beschäftigung kein Arbeitslosengeld I erhalten, weil sie aufgrund des Arbeitsverbots dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. … Mit der „Arbeitsbedingungsprüfung“ für Drittstaatsangehörige ist nicht erreicht worden, soziale Standards zu halten und Lohndumping zu verhindern. Für die systematische Herabsetzung von Lohn- und Arbeitsstandards ist die neoliberale Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte verantwortlich. Die Arbeitsbedingungsprüfung“ hat hingegen faktisch vor allem dafür gesorgt, dass selektiv Drittstaatsangehörige vom Arbeitsmarkt ferngehalten wurden, weil die Arbeitsagenturen nur für sie die Bezahlung von tariflichen bzw. ortsüblichen Löhnen zur Voraussetzung der Beschäftigung machen. Aus diesem Grund wurden bereits Anträge von geduldeten Flüchtlingen auf eine Arbeitserlaubnis negativ beschieden, die potenziell von der Bleiberechtsregelung der Bundesländer begünstigt sind. Weil Arbeitgerber/innen nicht bereit sind, geduldeten Flüchtlingen tarif- bzw. ortsübliche Löhne zu zahlen, finden diese keine Beschäftigung und erhalten deswegen auch keine Aufenthaltserlaubnis. Schutzmaßnahmen wie z.B. ein sozial gerechter und gesetzlicher Mindestlohn (gemäß dem Antrag BT-Drs.16/1878) zur Bekämpfung des Lohndumpings sind deswegen zielführender, weil sie alle Arbeitgeber/innen zur Zahlung eines Mindestlohns verpflichten. … Der Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 und die Vorschläge der großen Koalition für eine geplante bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung verbinden grundsätzlich die Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis mit dem Vorliegen eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses, das den Lebensunterhalt sichert. Es ist abzusehen, dass deswegen nur sehr wenige geduldete Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis erhalten werden. Für eine zukünftige bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung muss davon abgesehen werden, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von einem Beschäftigungsverhältnis abhängig zu machen (Siehe BT-Drs. 16/3912). “ Den Volltext des Antrags entnehmen Sie in der elektronischen Vorabfassung bitte dem Anhang oder zu einem späteren Zeitpunkt in der lektorierten Druckfassung dem aufgeführten Link.
http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm
Quelle: Bundestagsdrucksache Nr. 099 vom 16.4.2007
Dokumente: 1604907.pdf