KEIN BUNDESLAND HAT WENIGER ARBEITSLOSE ALS BADEN-WÜRTTEMBERG – UND KEINES HATTE IM JAHR 2006 EINEN HÖHEREN ZUWACHS AN KINDERARMUT: WIE PASST DAS ZUSAMMEN? “ Alles relativ, könnte man sagen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Baden-Württemberg unterhalb der Armutsgrenze leben, ist binnen eines Jahres relativ stark gewachsen, so stark wie in keinem anderen Bundesland. Im Jahr 2006 um ganze 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in Einzelschicksalen ausgedrückt waren es im Dezember 148 862 junge Menschen im reichen Südwesten, die – so der amtliche Begriff – unter „relativer Armut“ leiden. … Jedes traurige Schicksal davon ist natürlich eines zu viel, so sieht man es im zuständigen baden-württembergischen Sozialministerium, aber im Bundesvergleich ist die Zahl nicht nur „relativ“ niedrig, sondern hat Baden-Württemberg auch nach der deutlichen Zunahme mit neun Prozent der Kinder unterhalb der Armutsgrenze den niedrigsten Wert. … Arm – was heißt das schon im reichen Baden-Württemberg? Theoretisch heißt es, dass diese Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren – wie sie in der neuesten Statistik des „Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ (BIAJ) erfasst sind, materiell mit weniger als der Hälfte dessen auskommen müssen, was als normal gilt in dieser Gesellschaft, was dem Durchschnitt hierzulande zur Verfügung steht. Zum Beispiel an Mahlzeiten. Am Rande der boomenden Vorzeige-Metropole Stuttgart kann Christian Schmidt, Mitarbeiter der Mobilen Jugendhilfe Stuttgart im Brennpunkt-Bereich Stuttgart-Roth, wie alle seine Kollegen in den Großstädten des Landes ein Lied davon singen. Das Essen ist für die Kinder und Jugendlichen, die Schmidt und seine Kollegen in den Schulen und auf der Straße begleiten, in den letzten beiden Jahren das wichtigste Thema geworden. … Kinder, die ohne Frühstück in den Kindergarten oder in die Schule kommen, Jugendliche, die wochenlang den gleichen Trainingsanzug tragen, Eltern, die ihre Kinder nicht auf Ausflüge lassen oder vom Verein abmelden, weil sie kein Geld für den Bus und das Vesper oder für Fußballschuhe haben – für die Kinder- und Jugendbetreuer bei Sozialämtern, Diakonie oder Caritas, für Streetworker oder Schulsozialarbeiter bietet sich überall das gleiche Bild. Verwahrloste Kinder „Hartz IV“, der Wegfall von Sozialleistungen und Extraposten wie der „besonderen Hilfe zum Lebensunterhalt“, dazu massiv gestiegene Energiekosten haben die Lebensumstände für viele Familien in sozial ohnehin schwachen Verhältnissen noch verschärft. Dazu kommt, dass auch in Baden-Württemberg viele neue Jobs im Billiglohn-Bereich Zeitarbeit entstehen – und Eltern zwar aus der Arbeitslosigkeit holen, aber noch längst nicht in die Lage versetzen, mit einem Job ihre Familie ausreichend zu versorgen. … Kinder- und Jugendarmut ist schwer zu lösen von der Armut der Eltern und vor allem nicht ausschließlich ein Problem des Geldes. … „Ein Teufelskreis“, sagt Volker Häberlein vom Vorstand der Mobilen Jugendhilfe Stuttgart, der erlebt, wie sich derzeit zwei negative Erscheinung massiv verstärken: „Einerseits die Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation, die keine Aussicht auf einen Ausbildungs- und damit einen Arbeitsplatz hat – und andererseits die wachsende Bedeutung der Kompensation in einer Gesellschaft, in der Teilhabe am Wohlstand ausschließlich über Arbeit, Erfolg und Leistung erfolgt.“… Zum Thema: Kinderarmut in Deutschland Fast 1,9 Millionen Kinder (1,887 Millionen) unter 15 Jahren in Deutschland waren laut einer Studie des „Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ (BIAJ) im Dezember 2006 von Sozialgeld im Rahmen von Hartz IV abhängig. Besonders hat sich die Situation der Kinder in den westlichen Bundesländern verschlechtert. Der Zuwachs einer solchen finanziellen Abhängigkeit von staatlichen Hilfen betrug im Westen im Jahr 2006 elf Prozent, während diese finanzielle Abhängigkeit in den östlichen Bundesländern nur um sieben Prozent stieg. Die stärksten Zuwächse haben Baden-Württemberg mit einer Zunahme von 13 Prozent und Bayern mit zwölf Prozent zu verzeichnen. In diesen beiden Bundesländern ist der absolute Anteil von Kindern, die von staatlicher Hilfe abhängig sind, jedoch niedriger als in anderen Bundesländern. Nur die Steigerung der Kinderarmut gegenüber dem Vorjahr fiel hier stärker aus als in anderen Bundesländern. Durchschnittlich stieg in Deutschland die Zahl der von Sozialgeld abhängigen Kinder der Studie zufolge um zehn Prozent. „Spitzenreiter“ der Bundesländer gemessen am Anteil der Kinder, die in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft leben, ist das Bundesland Berlin. 2006 galten hier 37 Prozent der Kinder als arm. “
http://www.pz-news.de
http://www.unicef.de/kinder-armut.html
Quelle: Pforzheimer Zeitung Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ)