Auszüge aus der Antwort: Reaktion der Bundesregierung auf den Berufsbildungsbericht 2007

Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke „… 1. a) Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung nicht bereit, sich auf das Ziel eines auswahlfähigen Angebotes an Ausbildungsplätzen in der Definition des Bundesverfassungsgerichtes zu verständigen? b) Wie bewertet die Bundesregierung die Unzulänglichkeit ihrer Zielstellung im Verhältnis zur Forderung des Bundesverfassungsgerichtes? Antwort (die Fragen 1a und 1 b werden im Zusammenhang beantwortet): Bei der Frage, ob ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen vorhanden ist, ist in der Vergangenheit vielfach die Definition aus dem Gesetz zur „Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen in der Berufsausbildung“ (Ausbildungsplatzförderungsgesetz) vom 7. September 1976 herangezogen worden, welches das Bundesverfassungsgericht am 10. Dezember 1980 für nichtigerklärt hat. Ein Blick in die Berufsbildungsstatistik der letzten 25 Jahre zeigt, dass die in diesem Gesetz vorgenommene Definition eines auswahlfähigen Angebots – im Durchschnitt sollen 100 Bewerbern 112,5 Ausbildungsplätzen zur Verfügung stehen – zwar im Interesse der Jugendlichen wünschenswert, tatsächlich aber unrealistisch war, da es ein solches Angebot nur in wenigen Jahren gab. Außerdem ist bei der Beurteilung der Ausbildungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, dass das Ausbildungsplatzangebot, das durch die Betriebe und Unternehmen jährlich zur Verfügung gestellt wird, ein zwar wichtiges Segment der gesamten Ausbildungsmöglichkeiten darstellt, daneben aber insbesondere das in den vergangenen Jahren gestiegene Angebot an vollzeitschulischen Ausbildungsgängen, die Ausbildungsmöglichkeiten der Beamtenausbildung sowie die an Schulen in Berufen des Gesundheitswesens mit einbezogen werden müssen (vgl. Berufsbildungsbericht 2007, Teil II, Kapitel 2.5.). 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Ausbildung? Die Forderungnach einem Rechtsanspruch auf Ausbildunglässt die Frage außer acht, gegen wen sich ein solcher Anspruch zu richten hätte. Eine diesbezügliche rechtliche Verpflichtungder „Wirtschaft“ würde voraussichtlich an den Vorgaben des Art. 12 GG (unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitgeber) scheitern. Eine Selbstverpflichtung des Staates hätte im Ergebnis eine Abkehr vom dualen Ausbildungssystem zur Folge, die nicht ernsthaft gewollt sein kann. 3. Wie bewertet die Bundesregierung den Widerspruch zwischen ihrer Zielstellung und der konkreten Erfahrungauf dem Ausbildungsstellenmarkt, wonach nicht einmal dieses unzureichende Ziel erreicht wird, da 160 000 Bewerberinnen und Bewerber im letzten Jahr ohne ein konkretes Ausbildungsangebot blieben? … Aufgrund der demografischen Entwicklung in den alten Ländern und der Nachfrage aus früheren Schulentlassjahrgängen („Altbewerber“) wurden bei den Agenturen für Arbeit 2006 mit 763 097 Bewerberinnen und Bewerbern (+ 22 136) deutlich mehr Jugendliche registriert. Beide Faktoren haben dazu geführt, dass trotz der positiven Entwicklungbei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen die Zahl der Jugendlichen, die am 30. September noch ohne ein Ausbildungsangebot waren, auf rd. 49 500 (+ 8 600) gestiegen ist. Im Rahmen der Nachvermittlungsaktionen des Ausbildungspaktes konnte jedoch der überwiegenden Mehrzahl der dazu erschienenen Jugendlichen ein Angebot für eine Ausbildung oder eine andere Qualifizierung unterbreitet werden, … 4. a) In welcher Form müssen bei den in der Zielstellungder Bundesregierung genannten „Ausbildungsangeboten“ qualitative Kriterien erfüllt sein? b) Hält die Bundesregierung kurzfristige Qualifizierungsmaßnahmen oder Übergangsangebote für „Ausbildungsangebote“ im Sinne ihrer Zielstellung (bitte mit Begründung)? c) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass ein qualitativ hochwertiges Ausbildungsangebot unter anderem voraussetzt, dass Jugendliche damit die Möglichkeit zum Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses haben müssen? Antwort (die Fragen 4 a bis 4 c werden im Zusammenhang beantwortet): … Die praktische Umsetzung, d. h. die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, ist jedoch zunächst eine Aufgabe der Wirtschaft, die damit in weitgehend eigener Verantwortung ihre Fachkräfte ausbildet. Jugendliche, die sich für eine Berufsausbildung nach BBiG/HwO zwar beworben haben, aber noch keinen entsprechenden betrieblichen Ausbildungsplatz finden konnten, erhalten in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Bildungsträgern Ausbildungsangebote, die sich möglichst an der betrieblichen Praxis entsprechender Ausbildungsgänge orientieren. Dadurch soll der Übergang in eine betriebliche Ausbildung erleichtert werden. Entscheidendes Kriterium für die Qualität eines Ausbildungsangebotes ist die spätere Verwendungsfähigkeit für den Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt. Eher kurzfristige Ausbildungsangebote (z. B. Praktikumsplätze im Rahmen des EQJProgramms) sollen den Einstieg in die betriebliche Ausbildung erleichtern. Sie ermöglichen zwar keinen Berufsabschluss, sollen aber die Möglichkeit der individuellen Anrechenbarkeit auf die spätere betriebliche Ausbildungbeinhalten. Flankierende staatlich finanzierte Ausbildungsangebote dagegen (z. B. betriebsnahe Ausbildungen im Rahmen des Bund-Länder- Ausbildungsplatzprogramms Ost) müssen zu einem anerkannten Berufsabschluss führen. … 6. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Forderung nach einem generellen Anspruch auf Fortsetzungeiner zweijährigen Ausbildung bis hin zu einem dreijährigen Berufsabschluss anstatt für die Fortsetzung wie bisher überdurchschnittliche Leistungen des Auszubildenden vorauszusetzen? Gleichwohl wird entsprechend § 5 Abs. 2 letzter Satz BbiG bei jedem Neuordnungsverfahren für zweijährige Ausbildungsberufe u. a. geprüft, ob diese auf andere, einschlägige Ausbildungsberufe angerechnet werden können. Von dieser Regelungsbefugnis ist in jüngster Vergangenheit in zahlreichen Fällen Gebrauch gemacht worden. Die Bundesregierung sieht allerdings aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit, in diesen Fällen die Vertragsfreiheit von Betrieben einzuschränken und sie zum Abschluss eines insoweit ergänzenden, neuen Ausbildungsvertrages zu verpflichten. Das Berufsbildungsgesetz enthält hierfür auch keine Zulassungsregelungen. Soweit von Betrieben für solche Anschlussverträge überdurchschnittliche Leistungen des Auszubildenden in der zweijährigen Ausbildung gefordert werden, entspricht dieses den individuellen Entscheidungskriterien dieser Betriebe. “ Den Volltext der Antwort der Bundesregierung in der elektronischen Vorabfassung entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Deutscher Bundestag

Dokumente: 1605345_Antwort_Berufsbildungsbericht.pdf

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