„GEMEINSAM PERSPEKTIVEN SCHAFFEN.“ Durch die Einführung des Sozialgesetzbuches II (SGB II) im Jahr 2005 haben sich die Förderbedingungen für junge (hilfebedürftige) Menschen deutlich verändert. Durch den weiteren Akteur im Übergangssystem Schule – Beruf existieren neue Förderinstrumente, die nach einer anderen Förderphilosophie als die Angebote der Rechtskreise SGB III und VIII konzipiert sind. Diese Entwicklung hat vielerorts Unklarheiten und Verunsicherungen hinsichtlich folgender Fragen ausgelöst: – Welcher Akteur ist für welche Zielgruppe zuständig? – Welche Angebote hält welcher Rechtskreis vor? – In welchem Verhältnis stehen Leistungen des SGB II zu denen des SGB VIII? – Wie kann die Kooperation zwischen den Akteuren im Übergangssystem gestaltet werden? Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt für das …zweijährige Planungs- und Praxisentwicklungsprojekt „Perspektiven für die berufliche Ersteingliederung“ … Ausgehend von der von Jugendlichen wie von Fachkräften oftmals wahrgenommenen fehlenden Transparenz im Übergangssystem … stellte die Initiierung bzw. Optimierung einer gemeinsamen strategischen Koordinierungs- und Planungsarbeit der Rechtskreise SGB II, SGB III, SGB VIII und der Schulen das Ziel des Projektes dar. … Planung wurde in diesem Zusammenhang als eine notwendige methodische Handlungsvorbereitung zur Entwicklung kohärenter Förderstrukturen verstanden … die wiederum Jugendlichen eine bedarfsangemessene Qualifizierung auf dem Weg ins Berufsleben ermöglichen sollen. Damit verfolgt der hier beschriebene Planungsansatz eine der Jugendhilfeplanung vergleichbare Zielstellung. … Auszüge aus dem Hauptteil der Publikation: “ Im folgenden Kapitel werden in Anlehnung an das Planungsverfahren der Jugendhilfe (vgl. Schone 1998 S. 162ff.) einzelne Bausteine regionaler Koordinierungsund Planungsprozesse dargestellt. Die angeführten Bausteine leiten sich aus den skizzierten aktuellen Handlungsbedarfen im Übergangssystem Schule – Beruf ab. Die hier skizzierten Arbeitsschritte bilden die Grundlage für Maßnahmen der Praxisentwicklung, die in Kapitel drei beschrieben werden. 2.1 Rahmenbedingungen für Planung herstellen Die folgenden Ausführungen beschreiben die Bausteine der Koordinierungsarbeit. Zu diesen gehören: – Schaffung eines Problembewusstseins in der Kommune sowie Schaffung einer kommunalpolitischen Basis, – Aufbau eines regionalen Netzwerks, – Aushandlung einer zentralen Steuerungsfunktion der Netzwerkarbeit. 2.1.1 Schaffung eines Problembewusstseins Planungspartner gewinnen … Die bestehende Gesetzeslage verpflichtet die einzelnen Rechtskreise zur Kooperation (§§ 78, 81, 13 (4) SGB VIII § 9 (3) SGB III §§ 18 (1) und partiell 17 (1) SGB II), legt jedoch nicht fest, wie und in welcher institutionellen Verantwortung die Zusammenarbeit zu erfolgen hat. Prinzipiell kann somit jede Institution eine gemeinsame Koordinierung und Planung initiieren. Hat sich ein Initiator gefunden, gilt es, Planungspartner für das Vorhaben zu gewinnen. Dies ist notwendig, damit der Prozess ausreichend institutionelle und politische Unterstützung auf kommunaler Ebene erfährt. Die Gewinnung von Partnern kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: – Vorstellung des Vorhabens in kommunalen Gremien, wie z. B. in der Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII oder im Beirat Schule – Beruf, – Ansprache einzelner Akteure im persönlichen Gespräch, – Ansprache einzelner Akteure auf schriftlichem Wege, mit der Bitte, bei Interesse am Vorhaben einen „Letter of Intent“ einzureichen. Förderverständnis klären und eine gemeinsame Zielvorstellung entwickeln Hat sich ein Kreis von Akteuren gefunden, der an Planungen interessiert ist, sollte eine gemeinsame Zielvorstellung entwickelt werden: Wo liegen Knackpunkte im Übergangssystem und wie können Lösungen für diese Probleme entwickelt werden? Wo können im System Veränderungen auf organisatorischer oder konzeptioneller Ebene einen Gewinn für die Praxis bewirken? Um in diesem Prozess Verständnis für die Sichtweisen und Positionen der beteiligten Akteure zu entwickeln, ist es wichtig, sich über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und das daraus resultierende Förderverständnis der Beteiligten zu verständigen. Erst auf Grundlage dieser Informationen können Sichtweisen nachvollzogen und mögliche Handlungsspielräume der Beteiligten vor Ort eingeschätzt werden. Folgende Fragen können einen Diskussionsleitfaden bilden: – Mit welchem Förderverständnis arbeiten die einzelnen Akteure? – Welche Zielgruppen werden von wem angesprochen? – Wo beginnt und wo endet der Förderauftrag der jeweiligen Akteure? – Was muss und was kann der einzelne Akteur im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags, aber auch in Anbetracht der Rahmenbedingungen vor Ort (finanzielle Ausstattung, regionale Vernetzung etc.) im Hinblick auf eine gemeinsame Koordinierungs- und Planungstätigkeit leisten? Planungskonzept erarbeiten und politische Zustimmung einholen Konnten erste Zielvorstellungen hinsichtlich einer gemeinsamen Planung entwickelt werden, gilt es, für den entsprechenden Arbeitsprozess den politischen Rückhalt einzuholen. Dieser ist notwendig, damit der Koordinierungs- und Planungsprozess vor Ort auf breite Akzeptanz stößt und unterstützt wird. In der Regel lassen sich nur mit politischem Rückhalt ggf. notwendige Maßnahmen zur Veränderung des Übergangssystems durchsetzen und finanzieren. Um politische Akteure vom Vorhaben zu überzeugen, ist vorab die Entwicklung eines Planungskonzeptes notwendig, das (in Anlehnung an Schone 1998, S. 176) folgende Fragen beantwortet: – Welche fachlichen und fachpolitischen Zielvorstellungen werden mit der Initiierung von Planungsprozessen verbunden? In welchem politischen Kontext und unter welchen politischen Rahmenbedingungen wird die Planung stattfinden? – Wie sind die gemeinsam erarbeiteten Ziele zu erreichen? – Welches Planungsverständnis ist zwischen den Akteuren konsensfähig? – Wie soll der Planungsprozess organisiert werden (z. B. welche Planungsebenen werden eingesetzt? – Wie gestaltet sich der Zeitplan?)? – Welche (zeitlichen, finanziellen, fachlichen, personellen) Ressourcen stehen zur Verfügung? – Welche Akteure sind zu beteiligen? – Welche Vorteile ergeben sich für die Akteure, die sich beteiligen? – Welche regionalen Strukturen können für die Planung genutzt werden? Damit der Planungsprozess in seiner Bedeutung wahrgenommen wird, eine offizielle Beauftragung eines Planungsgremiums erfolgt und notwendige Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, ist schließlich ein Beschluss des Jugendhilfeausschusses (wahlweise auch des Schuloder Sozialausschusses) einzuholen. … 2.1.2 Aufbau eines regionalen Netzwerks Steuerungsgruppe einrichten Im Weiteren sind die Planungsebenen als Orte diskursiver Planungsprozesse festzulegen. Es bietet sich an, für die Steuerung und Koordinierung des Gesamtprozesses eine interdisziplinär besetzte Steuerungsgruppe einzurichten. Sie gewährleistet, dass die fachlichen Positionen aller Akteure im Übergangssystem und ihre Erfahrungen in die gemeinsame Planung einfließen und gleichzeitig ein Informationstransfer stattfindet. … Generell sollte die zu beteiligende Person im Auftrag der Amtsleitung/Geschäftsführung handeln, Interesse am Thema und einen guten Einblick in die praktische Arbeit der Institution haben. Die Steuerungsgruppe sollte sich aus maximal acht bis zehn Personen zusammensetzen, um arbeitsfähig zu sein. Die Gruppe sollte paritätisch mit folgenden Akteuren besetzt sein: – Agentur für Arbeit (z. B. Mitarbeiter/in der Berufsberatung), – Grundsicherungsträger (z. B. Mitarbeiter/in des Jobcenters Jugend), – Jugendhilfe (z. B. Jugendhilfeplaner/in), – allgemeinbildende Schule (z. B. Beratungslehrer/ in), – berufsbildende Schule (z. B. Lehrer/in aus berufsvorbereitenden Maßnahmen), Bildungsträger (z. B. der oder die Vorsitzende des kommunalen Trägerverbundes). – Die Praxis zeigt, dass – aus unterschiedlichen Gründen – nicht immer alle Akteure für die gemeinsame Planungsarbeit zu gewinnen sind. In diesem Fall sollten die jeweiligen Institutionen zumindest auf informativem Wege, z. B. über Jugendkonferenzen … , eingebunden werden. Aufgaben der Steuerungsgruppe definieren Die Aufgaben der Steuerungsgruppe können … folgende sein: – Einbringung der fachlichen Vorstellungen der einzelnen Akteure im Übergang Schule – Beruf, – Informationsaustausch untereinander, – Organisation der Bestandsaufnahme der jeweiligen Arbeitsfelder, – Erarbeitung einer Bewertung zum Entwicklungsstand des Übergangssystems und notwendiger Handlungsbedarfe, – Vorbereitung der Beteiligung weiterer zentraler Akteure im Übergangssystem (Anbieter flankierender Maßnahmen wie Drogen- und Schuldnerberatung, Betroffene, Jugendgerichtshilfe etc.), – Aufbau und Entwicklung einer trägerübergreifenden Diskussionsebene z. B. über Jugendkonferenzen, – Einleitung zentraler Planungsschritte (Formulierung und Aufteilung von Arbeitspaketen, die aus Feinzielen resultieren), – Einleitung von Maßnahmen (in institutionseigener oder institutionsübergreifender Verantwortung), – regelmäßige Auswertungen der Planungsarbeit. Innerhalb der Steuerungsgruppe müssen die Arbeitsaufträge der Beteiligten und ihre Zuständigkeitsbereiche geklärt werden. Außerdem ist festzulegen, wer für die Koordinierung der Steuerungsgruppe verantwortlich ist und somit die Gesamtkoordination übernimmt. Zu den Koordinierungsaufgaben können zählen: – Übernahme der Funktion der zentralen Ansprechperson für die Planungsarbeit vor Ort, – Organisation der Treffen der Steuerungsgruppe, – Federführung in der Organisation der Jugendkonferenz, – Federführung in der Organisation der Datenanalyse, – Sicherung des Informationstransfers in andere Arbeitsgremien der Kommune, – Öffentlichkeitsarbeit, – Kontaktpflege zur Politik, – Sicherung der Förderung der Koordinierungs- und Planungstätigkeit vor Ort (z. B. Mittelakquise über Modellprogramme), – regelmäßige Überprüfung der Qualität der Koordinierungs- und Planungsarbeit (z. B. über einmal jährlich stattfindende Wirksamkeitsdialoge). Um einen kontinuierlichen Planungsprozess zu gewährleisten, haben sich Sitzungen der Steuerungsgruppe im Abstand von ca. acht Wochen bewährt. In der Steuerungsgruppe werden zentrale Entscheidungen über die Gestaltung des Planungsprozesses aufgrund regelmäßig durchgeführter Bedarfsermittlungen vorbereitet. Die Planungsergebnisse bilden die Grundlage strategischer Vereinbarungen über Maßnahmen zur Optimierung des Übergangssystems, über die dann die Politik zu entscheiden hat. Beteiligung weiterer zentraler Akteure sicherstellen Neben den Hauptakteuren im Übergang Schule – Beruf leisten viele weitere Institutionen wichtige Beiträge, um die Chancen von Jugendlichen zur sozialen und beruflichen Eingliederung zu verbessern. Dabei liegt ihr originärer Förderauftrag nicht unbedingt in der beruflichen Integration ihres Klientels. Zu diesen Institutionen zählen z. B. Drogen- und Schuldnerberatungsstellen, Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung, Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung, Freizeiteinrichtungen etc. Diese Institutionen, die in engem Kontakt zum potentiellen Klientel berufsvorbereitender, berufsqualifizierender oder beschäftigungsorientierter Maßnahmen stehen, sollten regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im Übergangssystem informiert und zum Austausch motiviert werden. … Um diesen erweiterten Kreis von Fachkräften regelmäßig über aktuelle Entwicklungen zu informieren und um mit ihnen die Arbeitsergebnisse der Steuerungsgruppe zu reflektieren und weiterzuentwickeln, bietet es sich … an, die seitens der Bundesagentur für Arbeit (2005) empfohlene Jugendkonferenz als Planungsebene einzubinden. Jugendkonferenzen können nicht nur für Fachkräfte, sondern auch für Betroffene ein Gesprächsforum darstellen. … Die Zwischenergebnisse der Planungsarbeit sind regelmäßig den Jugendhilfe-, Sozial- und Schulausschüssen in Berichtsform vorzulegen. Dabei sollte der Bericht in kurzer und knapper Form zentrale Entwicklungen aufzeigen und auf notwendige Handlungsschritte hinweisen. … Initiieren Sie – wenn nicht unbedingt notwendig – keine neuen Netzwerke vor Ort. In der Regel sind Gremien vorhanden, die für die Planungsarbeit ressourcenschonend genutzt werden können und in denen die Hauptakteure vertreten sind (z. B. in der Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SG VIII oder in der Lenkungsgruppe des Jobcenters). Vermeiden Sie die Arbeit an gleichen Themen in unterschiedlichen Arbeitskreisen und Gremien. Um Doppelarbeit zu verhindern, stellen Sie ferner den Informationstransfer zwischen Arbeitskreisen und Gremien vor Ort sicher, die sich mit dem Thema „Übergang Schule – Beruf“ beschäftigen (z. B. Arbeitskreise von Schulsozialarbeiter/inne/n oder Beratungslehrer/inne/n). Sozialräumlichkeit sicherstellen Generell ist die Koordinierungs- und Planungsarbeit sozialräumlich auszurichten, um bestmöglich auf spezifische Bedarfe reagieren zu können. … Ein generelles Problem bei der Festlegung des Planungsgebietes sind die unterschiedlichen Planungsebenen der beteiligten Institutionen. Der Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit ist in der Regel nicht deckungsgleich mit dem der Jugendhilfe. Ebenso können die Zuständigkeitsbereiche der Arbeitsgemeinschaften und der Bildungsträger unterschiedlich sein. Soll sozialraumorientiert geplant werden, muss ein Kompromiss eingegangen werden. Dies bedeutet, dass z. B. die Agentur für Arbeit aufgrund des Zuschnitts ihres Agenturbezirkes und zudem aufgrund ihrer Finanzierung aus Bundesmitteln nur eingeschränkt am Planungsgeschehen mitwirken kann. … Sozialräumlichkeit bedeutet für eine Planungsarbeit im Übergang Schule – Beruf, dass eine Kleinstadt oder eine mittelgroße Stadt auf kommunaler Ebene und Großstädte auf Bezirks- oder Stadtteilebene arbeiten sollten. Landkreise sind als Planungsebene zu weitläufig, zudem wären zu viele Akteure am Planungsprozess zu beteiligen. 2.1.3 Aushandlung einer zentralen Steuerungsfunktion … Um die Steuerungsgruppe von Aufgaben zu entlasten, ist es natürlich von Vorteil, eine hauptamtliche Fachkraft aus der öffentlichen Verwaltung oder aus einer staatlichen Institution mit der Aufgabe der Gesamtkoordination des Planungsprozesses zu beauftragen. Hier stellt sich die Frage, ob z. B. der oder die Jugendhilfeplaner/in oder ein/e engagierte/r Mitarbeiter/ in des Jobcenters Jugend mit einem entsprechenden Stellenanteil die Planungsarbeit koordinieren kann. Als erschwerend für die Festlegung einer zentralen Steuerungsfunktion hat sich zudem erwiesen, dass der Gesetzgeber Kooperation unter den Hauptakteuren im Übergang Schule – Beruf eindeutig fordert, aus keinem Sozialgesetzbuch jedoch hervorgeht, wer in diesem Prozess eine steuernde Funktion übernehmen soll. Dieser Umstand kann positiv interpretiert bedeuten, dass der Gesetzgeber den Kommunen hier Gestaltungsmöglichkeiten lässt. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Gesetzesgrundlage vielfach nur unzureichenden Aufforderungscharakter hat, da keiner der möglichen Akteure an dieser Stelle einen umfassenderen Steuerungsauftrag reklamiert und wahrnimmt. In einigen Kommunen ist es jedoch gelungen, z. B. über Modellförderungen so genannte „Übergangsagenturen“ oder „Regionale Übergangsmanagements“ (RÜM) zu initiieren. Diese Projekte verfügen über umfassende Planungsressourcen. Nicht selten stehen zwei bis drei Fachkräfte zur Koordination des Übergangs zur Verfügung. Eine Herausforderung stellt jedoch die zeitliche Befristung dieser Projekte dar. Eine mit der Jugendhilfeplanung vergleichbare Regelförderung ist bislang nicht festzustellen. Planungsprozesse, wie sie hier beschrieben werden, sind jedoch eine kommunale Daueraufgabe – ebenso wie die Jugendhilfe- und Sozialplanung. In Konsequenz ist bereits bei einer Förderung über Modellprojekte frühzeitig auf kommunaler Ebene zu prüfen, unter welchen Bedingungen eine Fortführung der Arbeit in kommunaler Verantwortung erfolgen kann. Um Planungsarbeit im Übergang Schule – Beruf dauerhaft realisieren zu können, ist zudem zu Beginn der Arbeit genau zu prüfen, in welche bestehenden Strukturen die Planungsarbeit eingebunden werden kann und wer welche Ressourcen hierfür zur Verfügung stellt. Sie kann z. B. als Teil der Jugendhilfe- oder Sozialplanung verstanden und politisch transportiert werden. Möglicherweise ist sie zukünftig aber auch Bestandteil kommunaler Bildungsplanung. Denkbar ist in diesem Zusammenhang, Aufgaben der hauptamtlichen Koordinierung der Planungsarbeit im Kreis der Hauptakteure rotieren zu lassen und eine Person jeweils für die Dauer von einem Jahr damit zu betrauen. 2.1.4 Zusammenfassung … Abhängig von den Strukturen vor Ort ist es jedoch möglich oder ggf. notwendig, dass einzelne Koordinierungsschritte zeitlich versetzt oder parallel erfolgen. Die Ausführungen sollen deshalb nur als Anregungen verstanden werden. Die Aushandlung der zentralen Steuerungsfunktion war z. B. in einer Modellregion des Projektes ein Arbeitsschritt, der nicht zu Beginn, sondern erst nach einem längeren „Testlauf“ der Planungstätigkeit diskutiert wurde. Schließlich ist es durchaus legitim, wenn Politik zunächst einen Eindruck vom Sinn und Zweck der Arbeit erhalten möchte, bevor über Zuständigkeiten und Ressourcen verhandelt und entschieden wird. … 2.2 Planung einleiten und umsetzen Stehen die Akteure, Arbeitsweisen und Ziele eines gemeinsamen Planungsprozesses fest, sind die Planungsschritte zu konkretisieren. … – Datenerhebung, – Bedarfsermittlung, – Verständigung über strategische Ausrichtungen des Übergangssystems, – Formulierung eines Handlungskonzeptes, – Evaluation der Planungsprozesse. Grundsätzlich ist im Planungsprozess zu berücksichtigen, dass die Akteure, insbesondere die freien Träger, nicht nur Kooperationspartner, sondern zugleich auch Mitbewerber auf einem gemeinsamen Markt sind. Demnach muss eine Steuerungsgruppe genau klären, welche Planungsschritte gemeinsam geleistet werden können und wo die beteiligten Institutionen in Eigenverantwortung weiterzuplanen haben. Eine Stolperfalle stellt z. B. die Annahme dar, gemeinsam neue und innovative Maßnahmeangebote konzipieren zu können, die den Geschäftsinteressen der Planungspartner vollständig entsprechen. An derartigen Aufträgen werden z. B. Bildungsträger, die unumgänglich ihre Geschäftsinteressen in die Planungsarbeit mit einbringen, kein Interesse haben. Hier ist realistisch zu entscheiden: Was kann gemeinsam geleistet werden? Die Antwort auf diese Frage lautet in der Regel: Die Verständigung über die strategische Ausrichtung des bergangssystems. Was die Verständigung über die strategische Ausrichtung wiederum konkret für die Konzipierung von Maßnahmeangeboten bedeutet, ist intern in der Verantwortung der beteiligten Institutionen zu klären. 2.2.1 Datenerhebung Eine Voraussetzung für die Ermittlung von Bedarfslagen im Übergangssystem Schule – Beruf ist eine datenbasierte Erfassung des Ist-Standes. Sollen die Ist-Stände in den Rechtskreisen SGB II, III und VIII sowie im Schulbereich erhoben werden, ist der Arbeitsaufwand allerdings nicht unerheblich. Dementsprechend erfordert die Planungsphase der Datenerhebung eine gute Organisation. Welche Daten wozu?/Datenqualität Zu Beginn des Prozesses stellt sich die Frage, welche Daten im Hinblick auf die Planungsziele benötigt werden (Festlegung von Muss-, Soll- und Kann-Daten)? Eine genaue Beantwortung der Frage ist unumgänglich, um zu vermeiden, dass überflüssige Daten unter hohem Arbeitsaufwand zusammengetragen werden. Die Definition des Gegenstandsbereiches bildet folglich die Voraussetzung zur Datensammlung. Im Weiteren ist zu prüfen, welchen Informationsgehalt welches Datenmaterial aufweist. … Schließlich ist immer zu berücksichtigen, dass (politische) Interessen Statistiken beeinflussen. … Bei der Überprüfung der Datenqualität sind folgende Faktoren von Bedeutung … – Datenquelle (die Daten sind dahingehend zu prüfen, wer sie aus welcher Motivation heraus erhoben hat), – Raumbezug (die Daten sollten im Bezug zum Sozialraum stehen), – Zeitbezug (die Daten sollten Zeitreihen wiedergeben, damit Entwicklungen zu identifizieren sind), – Zielgruppenbezug (die Daten sollten Aufschluss über einzelne Zielgruppen geben). Steuerungsgruppen, die mit ihrer Datenerhebung eine Gesamtanalyse des Ist-Standes verfolgen (SGB II, III, VIII und Schule), müssten bei einer erstmaligen Auswertung bestehender Datensätze umfangreiches Datenmaterial aufbereiten. Hier ist es sinnvoll, dass alle Mitglieder der Steuerungsgruppe Daten in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern sammeln und nach einem gemeinsam entworfenen Auswertungsdesign aufbereiten. Stehen hauptamtliche Ressourcen für die Auswertung zur Verfügung, bietet es sich an, die Auswertung in eine Hand zu legen. Eine Gesamtanalyse sollte u. a. folgende Datensätze umfassen: Daten zur Sozialstruktur – Einwohner/innenzahlen (nach Alter und Staatsbürgerschaft), – Ausbildungszahlen (Zahl der Ausbildungsplätze im dualen System, Zahlen zur Nachfrage nach Ausbildungsplätzen, Ausbildungsbranchen), – Erwerbsarbeit (Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, Beschäftigungsstruktur in einzelnen Branchen, Zahl der Ein- und Auspendler/innen, Zahl offener Stellen), – Bildung (Zahl der Schulabgänger/innen, Entwicklung der Schüler/innenschaft an allgemein- und berufsbildenden Schulen). Daten zur sozialadministrativen Intervention – Bildung (Zahl der Haupt- und Förderschulabsolvent/inn/en, Zahl der Schüler/ innen ohne Schulabschluss, Zahl unversorgter Schüler/innen beim Verlassen der Schule pro Schulabgangsjahr Zahl der Ausbildungsabbrecher/innen), – Arbeitslosigkeit (nach Alter, Dauer, Geschlecht, Bildungsstand, Staatsangehörigkeit). Daten zur Infrastruktur des Übergangssystems – Angebote zur Berufsorientierung, – Angebote im Übergang in Ausbildung, – Angebote zur Beschäftigungsförderung, – Angebote im Übergang in Arbeit, – Beratungsangebote. In der Auswertung ist eine Strukturierung der Angebote nach Rechtskreisen bzw. in Zuordnung zu Schulen sinnvoll. … Die Abfrage der Daten zu den Angeboten im Übergangssystem sollte sich möglicht auf Kerndaten beschränken, um den Arbeitsaufwand so gering wie möglich zu halten und um Überschaubarkeit zu gewährleisten. Folgende Angaben sollten abgefragt werden: – Name des Angebotes, – Anbieter, – Zielgruppe, – Rechtliche Verortung/gesetzlicher Auftrag/Finanzierungsgrundlage, – Ziele, – Inhalte, – Laufzeit, – Platzzahl (Abfrage des quantitativen Bedarfs: Sind die Maßnahmeplätze besetzt? Wenn nein, warum nicht? Gibt es eine Warteliste?). Aufgrund der Dynamik der Angebotsstruktur sind Aktualisierungen dieser Datenbestände mindestens einmal jährlich vorzunehmen, z. B. nachdem größere Ausschreibungen und Vergaben erfolgt sind. Erfahrungsgemäß bedeuten die Aktualisierungen im Gegensatz zur erstmaligen Abfrage der Angebote keinen großen Aufwand. Abhängig von aktuellen Entwicklungen in der Kommune kann es durchaus sinnvoll sein, neben der regelmäßigen Fortschreibung des Datenbestandes aktuelle Themen in die Datenabfrage mit aufzunehmen. So interessierte zu Beginn des Projektes z. B. die Organisation der neu errichteten Jobcenter nach dem SGB II, so dass sich eine gesamte Fragebatterie diesem Thema widmete. Zu erhebende Daten in diesem Kontext waren u. a.: – Zahl der Jugendlichen mit Vermittlungs-, Beratungs- oder Betreuungsbedarf, – Zahl der Jugendlichen im Fallmanagement, – Betreuungsschlüssel im Fallmanagement, – Berufsqualifikationen der Fallmanager/innen. Die Zusammenführung dieser Daten ist nicht nur eine Grundlage zur Ermittlung von Handlungsbedarfen, sondern dient zudem im hohen Maße der gegenseitigen Information der einzelnen Rechtskreise über Zielgruppen, Angebote etc. Die Informationsstreuung kann z. B. im Rahmen von Jugendkonferenzen erfolgen. Datenquellen In der Regel existieren bereits unterschiedliche Datenbestände, die sekundäranalytisch auszuwerten sind. Folgende Datenquellen sind zu prüfen: – Kommunale Berichte wie Bildungs-, Familien-, oder Integrationsberichte, – Daten des Einwohnermeldeamtes, – Daten der Jugendhilfestatistik, – Daten der Agentur für Arbeit (über die zuständige Agentur für Arbeit oder zentral über die Regionaldirektion zu beziehen), – Daten des Grundsicherungsträgers, – Schuldaten (über das zuständige Schulamt oder über das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik zu beziehen), – Datenbestände der Kammern, – Daten der Bildungsträger (über Jahresberichte, Internet oder gesonderte Abfrage). Neue Erhebungen Neben der Auswertung vorhandener Datensätze zu Planungszwecken ist es abhängig vom Planungsziel unter Umständen notwendig, neue Daten zu erheben…. Für die Datenauswertung sollte eine klare Zuständigkeit innerhalt der Steuerungsgruppe festgelegt werden. Die Analyse sollte im Nachgang mit allen Mitgliedern der Steuerungsgruppe diskutiert werden, bevor sie als Grundlage der Bedarfsermittlung in eine Jugendkonferenz eingeht. … 2.2.2 Bedarfsermittlung … Die Interpretation sollte zunächst im Kreis der Steuerungsgruppe vorgenommen werden. Anschließend sind die Ergebnisse einer größeren Fachöffentlichkeit zur Prüfung vorzustellen, z.B. im Rahmen einer Jugendkonferenz. Um den Beteiligten einer Jugendkonferenz nicht mit Daten und möglichen Interpretationszusammenhängen zu ‚überfluten‘, ist eine gute Veranstaltungskonzeption wichtig. Im Projekt hat es sich bewährt, jeweils Daten zu einem spezifischen Thema zu präsentieren und zu diskutieren. So können Themen wie ‚Die Förderungstruktur im Übergang in Ausbildung‘, ‚Die Förderstruktur im Übergang in Arbeit‘ oder ‚Migrant/inn/en im Übergangssystem‘ den inhaltlichen Rahmen einer Konferenz bilden, in der nur Ausschnitte aus den Ergebnissen der Datenerhebung im Mittelpunkt stehen. … Die Ergebnisse der Konferenzen bilden die Grundlage für die Steuerungsgruppe, weitere Schwerpunkte für die Planung und Praxisentwicklung zu analysieren. … Bedarfe bestehen in der Regel in drei Richtungen: – Entwicklung weiterer spezifischer Beratungs-, Qualifizierungs- oder Beschäftigungsangebote, – Neujustierungen in der lokalen Netzwerkarbeit z.B. in der Form von Schnittstellenmanagement, – Ansatzpunkte für weitere Sachstands- und Bedarfsanalysen Innerhalb der Steuerungsgruppe sind eine Auswertung bzw. eine kritische Betrachtung der ermittelten Bedarfe sowie eine Prioritätensetzung hinsichtlich weiterer Arbeitsschritte vorzunehmen. Diese Verfahren können z.B. nach der Beantwortung folgender Fragen erfolgen: – Bestehen ggf. bereits Initiativen vor Ort, die sich mit den ermittelten Handlungsbedarfen auseinandersetzen? – Auf welchen Handlungsbedarf lässt sich im Rahmen kommunaler Handlungsspielräume reagieren? Welchem Handlungsbedarf ist nur durch Entscheidungen auf übergeordneter Ebene (z.B. auf Landes- oder Bundesebene) zu begegnen? – Welcher Bedarf lässt sich durch kostengünstige Maßnahmen (z.B. durch eine Verbesserung von Kooperation) decken? … 2.2.3 Formulierung eines Handlungskonzeptes Die Ergebnisse der Planungsarbeit müssen schließlich Eingang in ein Handlungskonzept finden. Dieses Konzept dient der Zusammenführung der Ergebnisse aus der Datenauswertung, Bedarfsermittlung und Prioritätensetzung über einzuleitende Maßnahmen der Praxisentwicklung. Zudem schafft es ein hohes Maß an Transparenz über die Arbeit. … Zudem dient das Konzept als Entscheidungsgrundlage in kommunalpolitischen Ausschüssen. Dort sollte es mit seinen wichtigsten Ergebnissen vorgestellt werden. … Erfahrungsgemäß sind zumeist keine Ressourcen vorhanden, um ein detailliertes, in alle Facetten des Übergangssystems hineinreichendes Konzept zu erstellen. Ziel sollte es jedoch zumindest sein, in einem überschaubaren Kurzpapier die wichtigsten Ergebnisse des Koordinierungs- und Planungsprozesses zusammenzuführen und strategische Entscheidungsvorlagen zum weiteren Vorgehen darzulegen. Folgende Inhalte sollte das Konzept umfassen: – Kurzbeschreibung des Planungsziels, – Bennennung der Beteiligten am Planungsprozess, – Benennung des Planungszeitraums, zentrale Arbeitsschritte, – wichtigste Ergebnisse der Datenerhebung, – wichtigste Ergebnisse der Bedarfsermittlung, – Ergebnisse des Entscheidungsverfahrens der Steuerungsgruppe über das weitere strategische Vorgehen (z. B. Einleitung von Förderangeboten für spezifische Zielgruppen, Optimierung von Systemübergängen), – Ansatzpunkte zum Verfahren zur Realisierung der Maßnahmen, Zwischenergebnisse bereits erfolgter Praxisentwicklung (Umsetzungsbilanz), Empfehlungen und Perspektiven. Das Handlungskonzept sollte aufzeigen, mit welchen Themen sich die Koordinierungs- und Planungsgremien im folgenden (zu definierenden) Zeitraum auseinandersetzen. Demnach illustriert das Konzept den Prozesscharakter der Planungsarbeit, die nicht mit der Fertigstellung eines Berichtes abgeschlossen ist. … 2.2.4 Evaluation des Planungsprozesses Koordinierungs- und Planungstätigkeiten im Übergang Schule – Beruf werden nur dort in eine etablierte Arbeitsstruktur übergehen, wo sich möglichst zeitnah Teilerfolge im Prozess einstellen und Praxisveränderungen realisiert werden können. … Eine regelmäßige Überprüfung ist der Planungsarbeit unumgänglich. Diese kann z. B. einmal jährlich in Form eines Wirksamkeitsdialoges auf der Ebene der Steuerungsgruppe erfolgen. Es kann sinnvoll sein, zu ausgewählten Themen einzelne Schlüsselpersonen aus dem Übergangssystem in diesen Prozess einzubeziehen (z. B. Personen aus politischen Gremien, Wirtschaftsvertreter/innen, betroffene Jugendliche). … 2.2.5 Zusammenfassung … Die gemeinsame Planung „endet“ an dem Punkt, an dem strategische Entscheidungen getroffen werden. Aufgrund der Zusammensetzung der Planungsgremien ist es unmöglich, strategische Entscheidungen im Kollektiv in ein konkretes Maßnahmekonzept einfließen zu lassen. Hier unterscheidet sich das Verfahren der Jugendhilfeplanung von Verfahren der Koordinierungs- und Planungsarbeit im Übergang Schule – Beruf. … Im vorliegenden Fall koordinieren und planen jedoch unterschiedliche Organisationen miteinander. Diese unterscheiden sich erheblich in vier Merkmalen: – Rechtliche Grundlage, – Förderauftrag, – Organisationskultur, – Planungskultur. … In dem hier skizzierten Planungsverfahren liegt der Bereich der Maßnahmekonzipierung in der Verantwortung einzelner Institutionen. … Die Ergebnisse der Planungsarbeit auf Steuerungsebene können deshalb nur empfehlenden Charakter haben, in der Hoffnung, dass sie organisationsintern Berücksichtigung finden. Die Realisierung einzelner Planungsziele, wie z. B. die Vereinfachung von Arbeitsprozessen oder die Verbesserung der Förderstruktur für ausgewählte Zielgruppen, ist jedoch nicht nur für das Gesamtsystem, sondern auch für einzelne Institutionen gewinnbringend. Demnach schließen organisationsinterne Planungsprozesse in der Regel an die strategischen Planungsprozesse auf der Steuerungsebene an. Ein großer Gewinn der gemeinsamen Planungsarbeit liegt in dem Informationsgewinn aller (auch nicht originär am Übergangssystem) Beteiligten, der sich bestenfalls direkt auf eine bessere Förderung der Jugendlichen auswirkt. Dies ist z. B. der Fall, wenn Mitarbeiter/innen von Beratungseinrichtungen durch einen Angebotskatalog umfassend über die Angebote des kommunalen Übergangssystems informiert sind und entsprechende Informationen ohne Umwege an die Jugendlichen weiterreichen können, ohne dass diese erst die zuständigen Institutionen einzeln aufsuchen müssen. “
http://www.isa-muenster.de
Quelle: Institut für soziale Arbeit e.V., Münster