STATT GEOMETRIE UND GRAMMATIK – VORBEREITUNG AUF HARTZ-IV VERSUS AUSBILDUNG FÜR ALLE? Ein Gedankenanstoß Müssen junge Menschen heutzutage auf ein Leben ohne Erwerbsarbeit vorbereitet werden? Einerseits fördert die Bundesagentur für Arbeit derzeit verstärkt Berufsorientierung, gerade um benachteiligten Jugendlichen bessere Chancen beim Übergang Schule – Beruf zu ermöglichen. Kooperationen zwischen der Jugendsozialarbeit und der Wirtschaft werden geschlossen und ausgebaut. Unzählige Träger, Projekte und Initiativen tragen dazu bei, Jugendlichen mit schlechteren Startchancen einen Einstieg in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Der Deutsche Caritasverband tritt für Chancengleichheit durch Bildungsgerechtigkeit ein. Der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, Vernor Muñoz, stellte bei seinem Besuch in Deutschland eine Verletzung der Menschenrechte (Recht auf Bildung) fest. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert eine Verbesserung der Situation bildungsbenachteiligter junger Menschen und speziell von Kindern aus Migrationsfamilien. Die im Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit zusammengeschlossenen sieben bundesweiten Organisationen fordern nachdrücklich „Ausbildung für Alle“ und damit die konsequente Förderung benachteiligter Jugendlicher durch mehr Ausbildungsstellen und eine koordinierte Gesamtstrategie. (vgl. Meldung ‚Ausbildung für Alle – ein Ziel mit Konsequenzen für die Förderung benachteiliter Jugendlicher‘ in dieser Ausgabe der Jugendsozialarbeit News) Andererseits steht die Forderung im Raum, Jugendliche auf ein Leben ohne Erwerbsarbeit vorzubereiten. Die Zahlung von Bürgergeld oder bedingungslosem Grundeinkommen wird diskutiert. Die geringe Wahrscheinlichkeit für SchülerInnen ohne Schulabschluss oder SchülerInnen einer Förderschule einen Ausbildungs- und/oder Arbeitsplatz zu bekommen, führte an einer Schule im Ruhrgebiet zu eher ungewöhnlichen Unterrichtsinhalten: “ Die Hartz IV-Schule Die Schüler der Wattenscheider Fröbelschule erleben die Folgen der Arbeitslosigkeit im täglichen Leben – und werden im Unterricht schon auf die eigene Arbeitslosigkeit vorbereitet. Die 16-jährige Andrea wollte früher Krankenschwester werden. Inzwischen geht sie allerdings davon aus, dass das nicht klappen wird. Dafür hat sie in der Schule gelernt, wie man am besten mit 345 Euro im Monat auskommt, dem Regelsatz für ‚Hartz IV‘. Vorbereitung auf die Arbeitslosigkeit Ein Zimmer, kleine Küche, kleines Bad – so groß darf die Wohnung werden, wenn man nach der Schule von Hartz IV lebt. Das lernen Mustafa und Bekir im Unterricht. Die Fröbelschule in Wattenscheid ist eine Förderschule. Mehr als die Hälfte der Eltern leben von Hartz IV. Und die SchülerInnen? Sie sollen lernen, mit den Problemen ihrer Eltern umzugehen. Weil es in Wattenscheid selbst keine Hilfsarbeiterjobs mehr gibt, bereitet Schulleiter Christoph Graffweg seine Schützlinge von der Förderschule jetzt konsequent auf die Arbeitslosigkeit vor. … In den letzten drei Jahren haben nur zwei Schüler eine richtige Lehrstelle bekommen. Christoph Graffwegs Konsequenz: Statt Geometrie und Grammatik gibt’s Vorbereitungskurse auf Hartz IV … Um vier ist die Schule vorbei. Andreas Eltern haben sich getrennt. Sie wohnt bei ihrem Vater. Andrea hilft viel mit, hat den Haushalt im Griff. … Der Vater war Malermeister, hat aber seit fünf Jahren keine Arbeit mehr. Er ist froh, dass die Schule seine Tochter jetzt schon gut auf Hartz IV vorbereitet. Zu Hause gibt es kaum Ermutigung und in der Schule auch nicht. … Als Andrea zum Ende des Schuljahrs ihr Abschlusszeugnis bekommt, ist trotz guter Noten klar: Erst einmal wird sie abwarten müssen. Die einzige Perspektive für sie: Eine Fördermaßnahme vom Arbeitsamt. “ Ist der Realitätssinn der PädagogInnen an der Wattenscheider Fröbelschule (Förderschule) zu bewundern? Müssten nicht vielmehr alle Alarmglocken schrillen, weil jungen Menschen Motivation und Hoffnung geraubt werden und Entwicklungschancen ignoriert werden?
http://www.wdr.de/tv/aks/spezialbeitraege/20070827_hartz4schule.jhtml
http://www.froebelschule-bochum.de/
http://www.wdr.de/themen/kultur/bildung_und_erziehung/foerderschulen/070823.jhtml
http://www.dksb.de/front_content.php?bezug=21
50&idcatart=914&idcat=50
http://www.unternimm-die-zukunft.de/
http://www.archiv-grundeinkommen.de/
Quelle: WDR Archiv Grundeinkommen Positionspapier des DCV, Deutscher Kinderschutzbund GEW
Dokumente: FlyerGrundeinkommenMBlow.pdf