Trainingslager für Jugendliche

ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG – KLEINE ANFRAGE DER FRAKTION DIE LINKE Trainingslager für Jugendliche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Vorbemerkung der Fragesteller In mehreren Presseveröffentlichungen (z. B. DER TAGESSPIEGEL vom 28. August 2007, „Das Camp für harte Fälle“) wird über ein mehrtägiges „Trainingslager“ des Jobcenters Berlin-Neukölln für erwerbslose Jugendliche als Bestandteil einer „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ nach dem § 16 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) berichtet. In einer vorliegenden Hausordnung des „Erlebniscamps 25“ (auch „Päd-Camp“ genannt) vom 19. bis 23. März 2007 der Gesellschaft für berufliche Bildung (GBB) mbH wird ausgesagt, dass die Teilnahme am Erlebniscamp, welches in Uckley (Brandenburg) stattfindet, verpflichtender Bestandteil o. g. Arbeitsgelegenheit ist. Weiter heißt es darin, dass für die Jugendlichen im Camp der Verzehr von Speisen und Getränken nur nach Absprache mit den Mitarbeitern gestattet ist, dass die Mitnahme von Handys oder anderer Kommunikationsmittel verboten ist und zur Überprüfung dieses Verbotes vor Abreise ein Check mit Metalldetektoren stattfindet. Den Teilnehmern wurde vor Beginn der Maßnahme nicht mitgeteilt, wo sich das Lager befindet. Das„Päd-Camp“ erhielt, so die Medien, einen von den Arbeitsministerien ausgelobten Landespreis „Jugend in Arbeit“. Auf der Homepage der GBB mbH wird ausgesagt: „Wir sind stolz, dass wir das Projekt ,Päd-Camp‘ des Jobcenters Neukölln mitgestalten können. ,Päd-Camp‘ wurde nicht nur Landessieger sondern auch für den Bundespreis in der Kategorie ,SGB-II-Träger‘ nominiert.“ Vorbemerkung der Bundesregierung DasProjekt „PÄD CAMP“ wurde vom JobCenter Berlin Neukölln als Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausschließlich für Jugendliche bis einschließlich 24 Jahre mit multiplen Vermittlungshemmnissen (Sucht-/Drogenproblematik, Schulden, psychische/ intellektuelle Beeinträchtigungen) konzipiert. Die Maßnahme wird für Jugendliche mit Ausbildungs- und Arbeitsmarktferne durchgeführt, … die nicht auf erforderliche Schlüsselqualifikationen zurückgreifen können, die der allgemeine Arbeitsmarkt abverlangt. … Das einwöchige Erlebniscamp ist darauf ausgerichtet, dass Strukturen eines Arbeitstages, Sozial- und Arbeitstugenden vermittelt und grundsätzliche Regeln im Umgang miteinander erlernt werden sollen. … Auszüge aus der Antwort der Bundesregierung: „1. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II im Rahmen einer verpflichtenden Maßnahme nach dem SGB II an dem so genannten Päd-Camp teilnehmen müssen? Die Bundesregierung hat erstmals im Oktober 2005 mit der Bewerbung des Job-Centers Berlin Neukölln beim bundesweiten Wettbewerb „Deutscher Förderpreis Jugend in Arbeit“ vom Projekt „PÄD CAMP“ Kenntniserhalten. Das Erlebniscamp wurde als Baustein des gesamten Konzepts „PÄD CAMP“ zur Integration von Jugendlichen unter 25 Jahren erwähnt. Die Bundesregierung erhielt im Rahmen einer Petition vom 26. März 2007 weitergehende Kenntnis von dem Sachverhalt. … 3. Wie bewertet die Bunderegierung diese Maßnahme nach § 16 Abs. 3 SGB II hinsichtlich der Vorgaben des § 10 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), wonach ein prinzipielles Vorrangverhältnis zum SGB II besteht? Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) gehen Leistungen nach § 3 Abs. 2 und den §§ 14 bis 16 SGB II den Leistungen nach dem SGB VIII vor. Eshandelt sich im vorliegenden Sachverhalt um Maßnahmen nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Damit gilt der Vorrang vor den Leistungen des SGB VIII. 4. Seit wann ist der Bundesregierung die o. g. Hausordnung des „Päd-Camps“, die den Verzehr von Speisen und Getränken nur nach Absprache mit den Mitarbeitern des Trägers der Maßnahme erlaubt und die die Mitnahme von Handys und anderen Kommunikationsmitteln verbietet, bekannt? Von der Hausordnung hat die Bundesregierung im Rahmen der Petition vom 26. März 2007 Kenntnis erlangt. 5. Hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht interveniert, und auf die Veränderung der o. g. Hausordnung des „Päd-Camps“ eingewirkt, und wenn ja, wann? Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Hausordnung auf Veranlassung der Bundesregierung geändert. Nach der überarbeiteten Hausordnung erfolgen Verzehr von Speisen und Getränken in den vorgegebenen Pausenzeiten die Mitnahme privater Kommunikationsmittel ist grundsätzlich gestattet, die Nutzung unterliegt festgelegten Regeln. … 7. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II überhaupt an mehrtägigen „Trainingslagern“ außerhalb ihres Wohnortes teilnehmen müssen? Mit den Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II soll darauf hingewirkt werden, dass die Hilfebedürftigkeit beseitigt, vermieden oder deren Umfang verringert wird (§ 1 SGB II). Dabei müssen die Hilfebedürftigen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 SGB II). Der Gesetzgeber hat entsprechend diesen Grundsätzen die Zumutbarkeitsregeln in § 10 SGB II weit gefasst. Eine Arbeit oder Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme in Arbeit ist danach nicht allein deshalb unzumutbar, weil der Beschäftigungsort weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB II). Diese Grundsätze gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit gemäß § 10 Abs. 3 SGB II entsprechend. Grundsätzlich können daher zumutbare Eingliederungsmaßnahmen oder Teile davon auch außerhalb des Wohnortes stattfinden. … 9. Wie lautet die Begründung für die erfolgte Auszeichnung des „Traningslagers“? Eine gesonderte Auszeichnung des Erlebniscamps erfolgte nicht. Ausgezeichnet wurde das Gesamtkonzept „PÄD-CAMP“ durch eine Jury als einer der Berliner Landessieger des bundesweiten Wettbewerbs „Deutscher Förderpreis Jugend in Arbeit“. Die Jury setzte sich u. a. aus Vertretern des Landes Berlin, kommunaler Gremien, der Wirtschaft (IHK, HWK), der Gewerkschaften (DGB), Wohlfahrtsverbänden, der Forschung (Humbold-Universität) und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit zusammen. Durch die Jury wurde das Projekt wie folgt beschrieben: „In Praktika, Gruppensitzungen und Einzelgesprächen erlernen Sie (die Jugendlichen) unter anderem Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Höflichkeit.“ 10. Wird das „Trainingslager Päd-Camp“ des Jobcenters Berlin-Neukölln weiter durchgeführt? Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, die als Bestandteil jeweils ein einwöchentliches Erlebniscamp bzw. ein Erlebnis/Qualifizierungs-Camp enthalten, werden weitergeführt. Die Teilnahme an den Camps ist freiwillig. Sie stellt ausschließlich auf pädagogisch wünschenswertes Einüben von Tagesstrukturierungen ab und soll das Einhalten von Arbeits-/Spielregeln erlebbar machen sowie zur persönlichen Stabilisierung und damit zur Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen. … 12. Gedenkt die Bundesregierung etwas zu unternehmen, um in Zukunft zu verhindern, dass Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II in solche Art oder ähnliche „Trainingslager“ verpflichtet werden, und wenn ja, was? Die Bundesregierung hat im Rahmen der Petition die Bundesagentur für Arbeit über ihre Rechtsauffassung informiert und gebeten, die Agentur für Arbeit Berlin Neukölln anzuweisen, als Auftraggeber eines gesetzlichen Auftrags gegenüber dem JobCenter Berlin Neukölln zu veranlassen, dass von einer allgemein verpflichtenden Durchführung von Erlebniscamps abgesehen wird. “ Den Volltext der Antwort entnehmen Sie bitte dem Anhang oder nach vorliegen der lektorisierten Druckfassung über aufgeführten Link.

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: PaedCamp_1607257.pdf

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