Das starke Geschlecht in der Krise – Jungenförderung

VERSCHIEDENE ANSÄTZE IN DER DISKUSSION “ Jungs sind unruhig, trotzig, aggressiv. Ist das männlich? Oder cool? Allemal stören sie den Schulunterricht. Und damit bekommen sie Probleme. Und die Schule bekommt Probleme mit den Jungs. Gibt es einen Ausweg? Zwei Drittel aller Schulabbrecher und drei Viertel der Sonderschüler sind männlich. Gut, mögen die einen sagen, das verwächst sich – schließlich sind zwar 56 Prozent aller Abiturienten weiblich, aber im späteren Berufsleben setzen Mädchen ihren Bildungsvorteil nicht mehr um, landen in typisch weiblichen Berufen oder bleiben auf der Karriereleiter oft stecken. Aber das kann nicht von der Tatsache ablenken, dass Jungs sich in der Schule schwerer tun. ‚Jungen, insbesondere aus bildungsfernen, sozial schwachen und Migrationsfamilien haben ein hohes Risiko, in unserem Bildungssystem zu scheitern‘, berichtet Ute Erdsiek-Rave, schleswig-holsteinische Bildungsministerin. Mit ihren Aggressions-, Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen geraten Jungs in die ADHS-Falle – 85 Prozent der mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom diagnostizierten Kinder sind Jungs. Den Knaben mangelt es an emotionaler und sozialer Kompetenz, sie sind zudem lese- und reflexionsschwach Identifikationspersonen fehlen. Die Ursachen mögen vielfältig sein. ‚Die modernen Familien sind Befindlichkeitsgemeinschaften, sie sind nicht verlässlich genug, sie sind auch nicht genügend konfliktfähig‘, schreibt Familienpsychologe und Buchautor Wolfgang Bergmann in seinem Buch ‚Kleine Jungs in großer Not‘. Er konstatiert eine allgemeine Ratlosigkeit unter den Eltern und plädiert unter anderem für eine Strenge, die gleichzeitig liebevoll gelebt werden solle. Mit einer weiteren Erklärung wartet eine Langzeitstudie der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Basel auf: Jungen benutzen umso weniger aggressive Konfliktlösungsmodelle, je eingebundener und positiv erfahrbarer der Vater in der Familie ist. Immer mehr Jungen werden in Kindergarten und Grundschule aber ausschließlich von Frauen erzogen – den Jungs fehlt es an positiven männlichen Identifikationspersonen. Und die Welt der digitalen Medien mit brutalen Computerspielen und ‚wahren‘ Helden verschärft die Problemlage zusätzlich. Auswege aus der Krise Den Bedürfnissen der Jungs kommen projektorientierter Unterricht und der sogenannte bewegte Unterricht entgegen, wo ihrem geschlechtsspezifischen Bewegungsdrang genügend Raum gegeben werden kann. Mittlerweile gibt es viele Initiativen zur speziellen Förderung von Jungen. Dazu gehört auch das Projekt ‚Kicken und Lesen‘. Damit will das Landesinstitut für Schulentwicklung in Baden-Württemberg die Fußballbegeisterung von Jungen nutzen, um sie ans Lesen zu bringen. Die jungen Fußballfans sollen durch Texte motiviert werden, die sich mit dem beliebten Ballsport beschäftigen. Auch das vom Bundesministerium für Familie geförderte Vernetzungsprojekt ‚Neue Wege fuer Jungs‘ hat interessante Anregungen hervorgebracht. Zwei Beispiele: Im Projekt ‚Boys wanted‘ gingen Regensburger Grundschuljungs als Vorleser in Kindergärten sie verbesserten dabei ihre Lesefähigkeit und ihre soziale Kompetenz. Im Berliner Projekt ‚Zukunft(s) meister(n)‘ wurden Jungs dabei unterstützt, alltägliche Arbeiten in Familie und Hausarbeit zu bewältigen. Zum Abschluss erhielten sie einen ‚Führerschein der Selbstständigkeit‘. Die grundsätzliche Herausforderung ist durch Einzelprojekte allerdings nicht gelöst, Möglichkeiten für den Weg zum idealen pädagogischen Konzept aber zeigen sie allemal auf. “ Die Bildungsmesse didacta (19.-23.02.2008) bietet zu der Thematik folgende Veranstaltung an: – Bleiben Jungs auf der Strecke? Wie Kindergarten und Schule helfen können. Referenten: StD`ìn Dr. Margrit Wienholz, Landesinstitut für Schulentwicklung Stuttgart, Projekt ‚Kicken und Lesen‘, Dr. Bruno Köhler, jugendpolitischer Sprecher des Vereins MANNdat, Leiter des Projektes ‚Jungenleseliste‘, Wolfgang Bergmann, Institut für Kinder- und Jugendpsychologie und Lerntherapie Hannover, Robert Müller-Sinn, Erzieher, Städtischer Kindergarten und Schülerhort, Rottenburg, Donnerstag, 21.02.2008, 15.30 bis 17.00 Uhr, forum bildung, Halle 1, Stand 1C51 – Jungs – die neuen Sorgenkinder? Neue Wege der Jungenförderung, Referenten: Marc Böhmann, Hauptschullehrer und Diplompädagoge, Autor StD´in Dr. Margrit Wienholz, Landesinstitut für Schulentwicklung Stuttgart, Samstag, 23.02.2008, 11.00 bis 12.00 Uhr, Forum Unterrichtspraxis Halle 1, Stand 1K60

http://www.neue-wege-fuer-jungs.de
http://www.messe-stuttgart.de/cms/didacta-besucher-infos.0.html

Quelle: bildungsklick, Fachkräfteportal Kinder- und Jugendhilfe, Themendienst 1 zur didacta 2008

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