BIBB-Hauptausschuss nimmt Stellung zum Entwurf der Bundesregierung

Auszüge aus der Stellungnahme des BIBB-Hauptausschusses sowie die einzelnen Voten der Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Länder: „Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) begrüßt die eingetretene Verbesserung der Lage am Ausbildungsmarkt. Das duale System ist der mit Abstand größte Bereich im deutschen Berufsbildungssystem. Die Zahl der neubegründeten Ausbildungsverträge im Jahr 2007 entspricht 66,2 % der verzeichneten Schulabgänger und Schulabgängerinnen des Jahres. Aufgrund verminderter Abbrecherquoten und hoher Übernahme- und Einmündungsquoten und des Ausbildungsengagements der beteiligten Unternehmen ist es auch ein erfolgreiches und effizientes Berufsbildungssystem. Dennoch bedarf es weiterer Anstrengungen, um die Zahl der Altbewerber nachhaltig abzubauen. STELLUNGNAHME DER GRUPPE DER ARBEITGEBER ZUM ENTWURF DES BERUFSBILDUNGSBERICHTS 2008 Nur wer ausreichend auf die Anforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet ist, kann selbstständig sein Leben gestalten und ohne dauerhafte Transferleistungen auskommen. Es ist daher zu begrüßen, dass sich zahlreiche Initiativen die Stärkung der Bildung zum Ziel gesetzt haben: bildungsbereichsübergreifend die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung in der beruflichen Bildung der Innovationskreis Berufliche Bildung sowie der Innovationskreis Weiterbildung. Denn es bleibt die zentrale Herausforderung, die Potenziale der Menschen in Deutschland stärker zu entfalten. Für die berufliche Bildung heißt dies vor allem: • Verbesserung der Eingangsvoraussetzungen der Jugendlichen (Stichwort: Ausbildungsreife), • eine stärkere Verknüpfung mit anderen Bildungsbereichen (Stichwort: Durchlässigkeit), • den Ausbau der Stärken des dualen Systems (Stichwort: Praxis- und Bedarfsorientierung) sowie – das hat insbesondere die positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt 2007 gezeigt – • eine wachstums- und beschäftigungsförderliche Politik (Stichwort: Wachstumspolitik). Ausbildungsbonus klar auf Leistungsschwache begrenzen. Die Wirtschaft sieht den Ausbildungsbonus, wie im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehen, kritisch. Je weiter die Zielgruppe des Bonus gefasst ist, um so mehr Mitnahmeeffekte und Fehllenkungen auf dem Ausbildungsmarkt sind zu erwarten. Die in diesem Sinne gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommene Eingrenzung ist allerdings bei weitem noch nicht ausreichend – insbesondere bei der Ermessensleistung. So bleibt vor allem die Förderung der Einstellung von Hauptschülern – rund ein Drittel aller Ausbildungsanfänger – weiterhin uneingeschränkt als Pflichtleistung möglich. Bei der neuen Ermessensleistung sind sogar Abiturienten „bonusfähig“. Nach wie vor liegt damit das Potenzial für den Ausbildungsbonus bei über 300.000 Jugendlichen. Offenbar geht selbst die Bundesregierung nicht davon aus, mit dem aktuellen Gesetzentwurf eine klare Konzentration auf wirkliche „Problemfälle“ unter den Altbewerbern zu erreichen, wie ihre gleich bleibenden Schätzungen für die Kosten des Ausbildungsbonus belegen. Ein solcher Bonus würde vor allem die Unternehmen brüskieren, die sich in den letzten Jahren trotz wirtschaftlicher Probleme und ohne jeden Bonus im Ausbildungspakt engagiert haben. Sinnvoll ist – statt eines breit gefassten Bonus – eine gezielte finanzielle Hilfe zur Integration leistungsschwacher Altbewerber mit individuellen personen- und eignungsbezogenen Vermittlungshemmnissen, die ohne zusätzliche Hilfe keine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben. Die Zielgruppe muss daher unbedingt weiter eingegrenzt werden – insbesondere bei der Ermessensleistung. Die Wirtschaft appelliert an den Bundestag, die Zielgruppe insgesamt auf Altbewerber zu begrenzen, die maximal über einen Realschulabschluss verfügen und bereits seit mehr als einem Jahr vergeblich auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind und individuell benachteiligt sind. Es muss alleiniges Ziel des Ausbildungsbonus sein, gezielt solche Jugendliche zu erreichen, die ohne Eingliederungshilfe so gut wie keine Chancen für eine betriebliche Ausbildung erhalten. Ausschließlich Betriebe, die sich zur Ausbildung derart benachteiligter, leistungsschwacher Jugendlicher entschließen, sollten von den zusätzlich entstehenden Kosten entlastet werden. Die Finanzierung dieser Maßnahmen darf überdies nicht aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung erfolgen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für Jugendliche, die selbst noch nie Beiträge bezahlt haben, und damit eine versicherungsfremde Leistung, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist. STELLUNGNAHME DER GRUPPE DER ARBEITNEHMER ZUM ENTWURF DES BERUFSBILDUNGSBERICHTS 2008 Jungen Menschen steht immer noch kein auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot zur Verfügung. Sie sind gezwungen, auf vorhandene Ausbildungsplätze zurückzugreifen, ohne ihre persönlichen Berufswünsche verwirklichen zu können. Hinzu kommt, dass nach wie vor viele Altbewerberinnen und -bewerber aus den vergangenen Jahren auf der Suche sind. Mit bundesweit rund 385.000 Personen stellen sie inzwischen mehr als die Hälfte aller registrierten Bewerber und Bewerberinnen, darunter 281.000 aus Westdeutschland und 103.900 aus Ostdeutschland. Das gesellschaftliche Ziel, ausreichend Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen zur Verfügung zu stellen, rückt also immer weiter in die Ferne. Sorge bereitet die weiter sinkende Zahl der ausbildenden Betriebe, die gegenwärtig noch ca. 24 % beträgt. Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass der Rückzug der Betriebe aus der Ausbildung im traditionellen Bereich und die mangelnde Kompensation der Ausbildungsplätze im Dienstleistungsbereich dazu führt, dass die Qualität und Funktion des Dualen Systems über Jahre geschwächt wird. Der Rückzug aus der Ausbildung und die Reduzierung der Anzahl der Ausbildungsplätze sind volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich betrachtet kontraproduktiv. Ausbildungsreife Der DGB will für alle Jugendlichen eine Ausbildung erreichen und spricht sich für das Grundrecht auf Ausbildung aus. Die Kriterien für Ausbildungsreife sind für die allgemeinbildenden Schulen nützlich, um auf die Ausbildung vorzubereiten. Sie sind geeignet für einen Kompetenz-Check, der für ausbildungssuchende Jugendliche herangezogen werden kann. Jedoch dürfen sie auf keinen Fall verhindern, dass Jugendliche nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule eine Ausbildung beginnen können. Die Kompetenzschwächen von 15-jährigen Jugendlichen sind durch mehrere PISA-Untersuchungen inzwischen hinlänglich belegt. An das allgemeinbildende Schulsystem stellt sich die Anforderung, eine nachhaltige Konzeption der Verbesserung des allgemeinen Lernniveaus zu entwickeln und Jugendliche in der Phase des Übergangs in Ausbildung intensiv zu begleiten. Dass für 15 % der Jugendlichen eine sehr gering entwickelte Sprachkompetenz festgestellt wird, ist für den Übergang in Ausbildung eine große Hürde und belegt erhebliche Mängel des allgemeinbildenden Schulsystems. Personale und soziale Kompetenzen, heute mehr denn je im Arbeitsleben erforderlich, sind eng mit der Sprachkompetenz verwoben. In einer Ausbildung muss grundsätzlich auch die Chance bestehen, bisher Versäumtes nachzuholen. Dazu gehören ausbildungsbegleitende Hilfen, um Jugendlichen wie auch Ausbildern über Schwierigkeiten hinweg zu helfen und den Abbruch der Ausbildung zu vermeiden. Insbesondere die Sprachkompetenz bedarf dringend der weiteren Förderung im Rahmen von beruflicher Ausbildung. Dafür sprechen mehrere Gründe: • Durch den hohen und weiter wachsenden Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wächst die Notwendigkeit sprachlicher Förderung in der deutschen Sprache. • Die Anforderung an kommunikative Kompetenz ist im Hinblick auf verstärkte Teamarbeit, Reflexionsfähigkeit, interkulturelles Know-how und wegen des steigenden Anteils an Dienstleistungsberufen gewachsen. • Junge Menschen haben im europäischen/internationalen Bildungsraum und Arbeitsmarkt nur dann Chancen, wenn sie sprachlich gut ausgebildet sind und sowohl die eigene Sprache als auch Fremdsprachen beherrschen. • Die hohe Zahl von funktionellen Analphabeten in Deutschland verweist auf die Dringlichkeit rechtzeitiger sprachlicher Förderung, denn die Beherrschung der Sprache in Wort und Schrift ist für Beruf und Lebensgestaltung von großer Bedeutung. STELLUNGNAHME DER GRUPPE DER BEAUFTRAGTEN DER LÄNDER ZUM ENTWURF DES BERUFSBILDUNGSBERICHTS 2008 Altbewerber / Benachteiligte / Ausbildungsfähigkeit Angesichts der zu erwartenden weiteren Entlastung am Ausbildungsmarkt müssen alle Maßnahmen, auch die zur Umsetzung der Leitlinien des „Innovationskreises Berufliche Bildung“ und der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung, kritisch darauf untersucht werden, ob diese tatsächlich benachteiligten Bewerbern zugute kommen oder ob sie Mitnahmeeffekte hervorrufen, die Unternehmen zur Reduzierung ihres Ausbildungsengagements anreizen. Insbesondere der geplante Ausbildungsbonus muss klar auf leistungsschwache Altbewerber mit individuellen personen- und eignungsbezogenen Vermittlungshemmnissen begrenzt werden, die ansonsten so gut wie keine Chance auf betriebliche Ausbildung haben. Die Zielgruppe muss unbedingt fokussiert werden auf Altbewerber, die maximal über einen Realschulabschluss verfügen und bereits seit mehr als einem Jahr vergeblich auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind und individuell benachteiligt sind. Vollzeitschulische Ausbildungsangebote sind für diese Bewerbergruppe nachrangig in Betracht zu ziehen. Insbesondere sind Unternehmen zu unterstützen, die sich auch in der Ausbildung Benachteiligter engagieren. Die dafür im Bereich der Sozialgesetzbücher (SGB) II/III bereitgestellten neuen Instrumente sollten dafür genutzt und gegebenenfalls so ausgebaut werden, dass Betriebe konkrete und leicht erreichbare Hilfestellungen erhalten. Von besonderer Bedeutung sind die Anstrengungen der Länder und des Bundes zur Verbesserung der schulischen Leistungen, insbesondere zur Halbierung der Zahl der Schulabgänger und Schulabgängerinnen ohne Abschluss. Die Anstrengungen zur Einführung größerer Anteile praktischen Lernens fußen letztlich auf den guten Erfahrungen mit dem dualen System. Hinzuweisen ist vor diesem Hintergrund auf die Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit zur Finanzierung von Maßnahmen der vertieften Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler.“ Den Volltext der Stellungnahme erhalten Sie über den Link in der Quellenangabe.

http://www.bibb.de/dokumente/pdf/pm_12_2008_empfehlung_ha.pdf

Quelle: Bundesinstituts für Berufsbildung

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