PROBLEMANALYSE – BESCHÄFTIGUNGSFELDER – FÖRDERSTRATEGIEN Die Studie „Chancen für Jugendliche ohne Berufsausbildung“ wurde vom Deutschen Caritasverband und IN VIA im Rahmen der Befähigungsinitiative des DCV konzipiert. Das Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (IAJ) hat die Untersuchung durchgeführt. Die Erkenntnisse zu Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte resultieren aus Betriebsbefragungen von Caritas-Betrieben und Betrieben der Privatwirtschaft. Diese wurden zu den Voraussetzungen der jungen Menschen sowie den Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt, dem Übergangssystem sowie Entwicklungen im System der Erwerbsarbeit in Bezug gesetzt. Ferner bündelt die Studie Handlungsempfehlungen aus Modellprojekten und Förderprogrammen. Auszüge aus der Studie: “ BESCHÄFTIGUNGSPERSPEKTIVEN FÜR PERSONEN OHNE BERUFSAUSBILDUNG * Schlussfolgerungen für eine verbesserte Integration Im Verlauf der letzten zwei bis drei Jahrzehnte haben sich die Beschäftigungspotentiale für ungelernte Personen zugleich von mehreren Seiten her verengt: – Es ist ein erheblicher, nach wie vor anhaltender quantitativer Rückgang einfacher Arbeitsplätze zu verzeichnen, der von mehreren Faktoren beeinflusst wird. … – Einfache Arbeitsplätze sind auch ein Einsatzfeld für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie für Personengruppen, die Anlerntätigkeiten auf der Grundlage von Minijobs als Nebentätigkeit übernehmen es konkurrieren somit nicht nur Ungelernte, sondern verschiedene Personengruppen mit und ohne Ausbildung um knapper werdende einfache Arbeitsplätze. – In der Konkurrenz um knapper gewordene einfache Arbeitsplätze werden Ungelernte … von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung verdrängt, die wegen fehlender adäquater Beschäftigungsmöglichkeiten auf einfache Arbeitsplätze ausweichen. – Auch im Feld der einfachen Tätigkeiten ist in jüngerer Zeit ein Anstieg von Kompetenzanforderungen zu beobachten. – Nach wie vor gibt es einen bedeutenden Anteil einfacher Arbeitsplätze, vor allem auch im Bereich des produzierenden Gewerbes. Dennoch wird der Nachweis einer Berufsausbildung durch gestiegene Kompetenzanforderungen in den Betrieben im Zusammenspiel mit der Verdrängungskonkurrenz um knapper gewordene einfache Arbeitsplätze zu Lasten von Ungelernten tendenziell zur Mindestvoraussetzung für den Zugang zum Erwerbssystem. – Der schon seit längerem feststellbare Strukturwandel von Erwerbsformen setzt sich fort: neben sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung treten vermehrt Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung (Minijobs), Zeitarbeit und neue Formen der Selbstständigkeit. … Im Jahr 2005 entfielen von den rund 39 Mio. Erwerbstätigen zwei Drittel (26 Mio.) auf traditionelle sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (Vollzeit und Teilzeit) und der Rest – immerhin ein Drittel – auf die sonstigen Formen der Erwerbstätigkeit. Dies weist darauf hin, dass in der Förderpraxis von einer quasi unhinterfragten Selbstverständlichkeit einer Integration in ein „normales‘ sozialversicherungspflichtiges Vollzeitbeschäftigungsverhältnis nicht mehr ausgegangen werden kann. Angesichts dieser Entwicklung und vor dem Hintergrund, dass zugleich eine Entwertung des Hauptschulabschlusses zu beobachten ist … , muss die Situation von gering qualifizierten Jugendlichen – insbesondere jener ohne Schulabschluss – als dramatisch bezeichnet werden: während auf der einen Seite eine abgeschlossene Berufsausbildung tendenziell zur Mindestvoraussetzung für den Zugang zum Erwerbssystem wird, wird es für gering qualifizierte Jugendliche immer schwerer, überhaupt Zugang zu einer Ausbildung zu finden. Für die Förderpraxis wird hiermit noch einmal die Notwendigkeit einer zweigleisigen Förderstrategie unterstrichen, die sich – präventiv – auf die unterstützende Förderung der Schulentwicklung konzentriert …, zugleich aber auch eine effektive Förderung jener Jugendlicher gewährleistet, die die Schule bereits verlassen haben oder sich kurz davor befinden. Des Weiteren ergibt sich aus den skizzierten Befunden, dass gerade für junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, eine intensiv verfolgte Strategie der Qualifizierung, die auf einen Berufsabschluss hinführt, im Zentrum jeder Förderkonzeption stehen muss. Mit Blick auf die Zielgruppe dieser Studie, die gering qualifizierten Jugendlichen, die die Schule u.U. schon seit mehreren Jahren verlassen haben, oder für die aufgrund ihrer Voraussetzungen und aktuellen Situation ein Einstieg in eine Ausbildung realistischerweise nicht möglich ist, muss sich die Integrationsförderung gleichwohl auch auf einfache Tätigkeitsfelder, die eine Beschäftigungsperspektive für Ungelernte sind, richten und sich auf die Erschließung solcher Tätigkeitsfelder konzentrieren. Dabei wäre es jedoch wichtig, Übergänge in angelernte Arbeit von vornherein mit einer Qualifizierungsstrategie zur schrittweisen Erlangung eines Berufsabschlusses zu verbinden, wie es in den Ausführungen unter Teil III am Beispiel entsprechender Förderansätze angesprochen worden ist. Ebenso wäre – in Abhängigkeit von den konkreten individuellen Voraussetzungen – im Einzelfall vor der anvisierten Aufnahme einer einfachen Tätigkeit zunächst eine Vorlaufphase in einem geschützten Rahmen … voranzustellen, wie es im Sinne eines schrittweisen Heranführens an die betriebliche Arbeitsrealität skizziert worden ist. Mit Hilfe der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Befragung von je 18 Unternehmen der Privatwirtschaft und aus dem Caritas-Bereich sollten exemplarisch Tätigkeitsfelder für gering qualifizierte Personen (ohne Berufsausbildung) und damit verbundene Kompetenzanforderungen identifiziert werden, an der sich eine Förderung der Integration in eine ungelernte Beschäftigung orientieren kann. Im nun folgenden letzten Abschnitt werden die Ergebnisse dieser Betriebsbefragung vorgestellt und auf dieser Grundlage sodann im Abschlusskapitel übergreifende Schlussfolgerungen zu den Ergebnissen dieser Studie formuliert. * Tätigkeitsfelder für Personen ohne Berufsausbildung … Bei den Caritas-Betrieben ist das inhaltliche Tätigkeitsspektrum eher begrenzt, bei den Betrieben der Privatwirtschaft ist es entsprechend dem breiten Branchenspektrum deutlich breiter gestreut. … Bei einer Reihe von Tätigkeitsfeldern wiesen die Interviewpartner/innen explizit daraufhin, dass es sich zwar um Einsatzbereiche von Mitarbeiter(inne)n ohne Berufsausbildung handele, diese aber keineswegs als „einfache Arbeiten‘ einzuordnen seien. … Caritas-Betriebe Bei den Caritas-Betrieben sind die Tätigkeitsfelder weitgehend auf die Bereiche Küche/Hauswirtschaft, Reinigung, Wäscherei, Telefonzentrale und Pflegehilfe beschränkt. … Betriebe der Privatwirtschaft Bei den Betrieben der Privatwirtschaft handelt es sich um folgende Tätigkeiten (Branchen). – Wareneingang und –verteilung, Kasse (Einzelhandel) – Lagerarbeiten, Kommissionierung (Logistik/Verkehr, Produzierendes Gewerbe) – Verpackung/Versand (Produzierendes Gewerbe) – Transportwesen, interne Kurierdienste (Produzierendes Gewerbe, Altenheim) – Maschinenbedienung in der Produktion (Produzierendes Gewerbe Maschienenbau, Windenergieanlagen, Chemie)) – Garten- und Landschaftsbau: alle Tätigkeitsfelder – Bedienung, Küchenhilfe, Beikoch/Beiköchin (Gastronomie) – Abriss- und Aufräumarbeiten (Bauhandwerk) – Fassadenanstriche, Gerüstaufbau (Malerhandwerk) – Hofpflege und Pflege der Verkaufsräume (KFZ-Vertrieb) … Erwartete Voraussetzungen bei Bewerber(inne)n … An der Spitze der als sehr wichtig oder wichtig bewerteten Voraussetzungen stehen sowohl bei den Caritas-Betrieben als auch bei den Betrieben der Privatwirtschaft Leistungsmotivation, Zuverlässigkeit (Pünktlichkeit, verlässliche Aufgabenerfüllung) und Flexibilität. … Es folgen sodann „Soziale Kompetenzen‘, das allgemeine „Erscheinungsbild‘ und „Basiskompetenzen‘, wobei die Bewertungen je nach Berufsfeld bzw. Tätigkeitsfeld etwas schwankten. Klar im hinteren Drittel liegen als notwendige Voraussetzung ein Schulabschluss, Praxiserfahrungen im betreffenden Tätigkeitsfeld und ganz am Ende berufsfeldbezogene Grundlagen. … • Betriebe erwarten von gering qualifizierten Personen (ohne Berufsausbildung) für den Einsatz in einfachen Tätigkeitsfeldern in erster Linie überfachliche Kompetenzen • Die für die Tätigkeit notwendigen fachlich-inhaltlichen Kenntnisse und Fähigkeiten werden über Anlernung und Einarbeitung im Prozess der Arbeit erworben. … * Einstieg in Arbeit als „zweite Chance‘? In der Gesamtschau der … Befunde ist zunächst festzuhalten, dass die Tätigkeitsfelder von Personen ohne Berufsausbildung einerseits stark von den branchen- und berufsfeldbezogenen Arbeits- und Kompetenzanforderungen geprägt sind. … Bei der Beschäftigung von Personen ohne Berufsausbildung bestehen auch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Betrieben einer Branche geben kann, da die Beschäftigung von Ungelernten von weiteren Einflussgrößen mitbestimmt wird. So können die jeweiligen Erfahrungen mit dem Einsatz von Ungelernten sowie besondere Strategien der Unternehmensentwicklung und die damit zusammenhängende Personaleinsatzpolitik sowie arbeitsorganisatorische und finanzielle Faktoren bedeutsame Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Ungelernten sein. Hieraus folgt, dass Beschäftigungssituation und Beschäftigungsperspektiven für Ungelernte sich nicht zuverlässig allein aus der gegebenen Branche ableiten lassen und weitere Einflussfaktoren – und ihr spezifisches Zusammenwirken – zu berücksichtigen sind. … Einfache Tätigkeitsfelder sind keine stabile, betriebsgebundene Größe sind, sondern befinden sich „in Bewegung‘. Während in bestimmten Branchen einfache Tätigkeiten (durch Auslagerung) wegfallen, können an anderer Stelle über Spezialisierung und die Suche nach Marktnischen neue Marktsegmente mit einfachen Tätigkeiten entstehen. … Weitere relevante Befunde im Hinblick auf die Frage nach möglichen Tätigkeitsfeldern und Beschäftigungsperspektiven für Personen ohne Berufsausbildung sind: – In Tätigkeitsfeldern von Ungelernten arbeiten in der Regel auch Personen mit Berufsausbildung. Das Segment der – vermeintlich – einfachen Tätigkeiten steht also nicht vollständig den Ungelernten zur Verfügung. … – Personen ohne Berufsausbildung arbeiten auch in anspruchsvolleren Tätigkeitsfeldern. Das bedeutet, dass von der formalen Qualifikation nicht ohne weiters auf das Anspruchsniveau der Tätigkeit geschlossen werden kann. … – Arbeitsplätze sind oft Mischarbeitsplätze von einfachen und anspruchsvolleren Tätigkeiten. Einfache Tätigkeiten füllen – insbesondere in Kleinbetrieben – oft nicht einen ganzen Arbeitsplatz aus. … – In Betrieben hat der Kompetenzerwerb über die Arbeit hohe Bedeutung. Dies zeigt sich prägnant daran, dass Personen ohne Berufsausbildung in anspruchsvollere Tätigkeitsfelder aufsteigen können, für die normalerweise eine Berufsausbildung absolviert werden soll. – Eine abgeschlossene Berufsausbildung scheint vor allem für den Zugang zu einem Beschäftigungsverhältnis bedeutsam zu sein. Ist jemand erst einmal in einen Betrieb gelangt (z.B. über ein Praktikum), können sich für Personen ohne Berufsausbildung im Rahmen des Kompetenzerwerbs über Arbeit Chancen der betrieblich-beruflichen Weiterentwicklung geben. ECKPUNKTE EINER VERBESSERTEN INTEGRATION – KERNERGEBNISSE * Ungünstige sozial-familiäre Einbindung und fehlender Schulabschluss sind wesentliche Hemmnisse der beruflichen Integration Auf der Ebene der Voraussetzungen der Jugendlichen ist ein wesentliches Hemmnis der Integration der niedrige oder ganz fehlende Schulabschluss, … dringender Handlungsbedarf liegt bei der präventiv ausgelegten Förderung, welche die Schulen dabei unterstützt, alle Kinder und Jugendlichen zu einem erfolgreichen Schulabschluss zu führen. Ein besonderes Augenmerk wäre dabei auf die Unterrichtssituation in Hauptschulen zu legen, da sich diese in den letzten Jahrzehnten zu „Restschulen‘ entwickelt haben, in der sich Kinder aus sozial schwachen Familien zunehmend konzentrieren. … , mit einer solchen Homogenisierung gehen in der Unterrichtspraxis negative Einflüsse auf das Anregungs- und Lernmilieu einher, so dass es zu einem Zusammentreffen von ungünstiger sozialer Herkunft und ungünstigem Lernmilieu kommt … Der negative schulische Entwicklungsverlauf steht in einem engen Zusammenhang mit der ungünstigen sozial-familiären Lebenssituation der Jugendlichen … , in der letztlich ein wesentlicher Hintergrund der nicht gelingenden Integration zu sehen ist. Damit einher geht bei vielen Jugendlichen die Kumulation unterschiedlichster persönlicher Probleme … , die ihrerseits die Integration in Ausbildung oder Arbeit erschweren. … Infolge ihrer ungünstigen schulisch-sozialisatorischen Entwicklungsgeschichte haben viele Jugendliche keine hinreichende Sozialkompetenz entwickelt und fallen zum Teil durch ein problematisches Sozialverhalten auf. Dabei sind die Voraussetzungen der Jugendlichen insgesamt sehr heterogen …, die breite Handlungsspielräume in der Förderpraxis und hohe Flexibilität bei der Gestaltung von Qualifizierungsprozessen erfordern. * Notwendig ist eine zweigleisige Förderstrategie, die präventive Ansätze ausbaut und die nachschulische Förderung weiter optimiert Angesichts der weit reichenden Steuerungsfunktion des Schulabschlusses … und den deutlichen Hinweisen, dass eine nachträgliche „Reparatur‘ der im vorangegangenen Entwicklungsverlauf aufgebauten Defizite, insbesondere im Bereich Sozialverhalten/soziale Kompetenzen, im Rahmen der nach Schulaustritt stattfindenden Fördermaßnahmen an Grenzen stößt, … ist eine zweigleisige Förderstrategie gefordert, die eine präventiv, in der Schule einsetzende Unterstützung mit der nachschulischen Förderung verbindet, das heißt beide Förderstränge aufeinander abstimmt und dabei auch die notwendige Koordinierung der beteiligten Akteure beachtet. … * Förderkonzepte müssen Vörlaufphasen und Kontinuität im Förderverlauf ermöglichen, eine begleitende Unterstützung gewährleisten, die auch den Betrieb einschließt, und auf die gesamte sozial-familiäre Lebenssituation bezogen sein … Eine wichtige Voraussetzung … sind bei der unterstützenden Begleitung des Förderverlaufs die Gewährleistung von personeller Kontinuität … und für die Förderpraxis generell ein hohes Maß an Handlungsflexibilität, um auf die individuellen Problemlagen und Unterstützungsbedarfe angemessen reagieren zu können. Die hohe Bedeutung von Vorlaufphasen … sowie einer begleitenden Unterstützung, die sich auch nach einem erfolgten Übergang in Ausbildung oder Arbeit fortgesetzt, wird dabei prägnant durch die Ergebnisse der Betriebsbefragung unterstrichen. Praktika, so zeigen die Ergebnisse, können eine wichtige Brücke in Ausbildung oder Arbeit sein. Tatsächlich tragfähig wird diese Brücke jedoch erst, wenn sie in eine angemessene Vorbereitung sowie eine Begleitung eingebettet ist, welche über das Praktikum hinaus sich auch auf die unterstützende Begleitung des Ausbildungsverlaufs erstreckt. … Die unterstützende Begleitung muss sich auch an die Betriebe richten, die Jugendliche als Praktikant(inn)en oder in ein Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis übernehmen. Solche Unterstützungsangebote sollten jeweils konkret jenen Betrieben unterbreitet werden, denen Jugendliche zur Aufnahme in ein Praktikum (oder Arbeitsverhältnis) vermittelt werden. … * Die nicht gelingende Integration ist in hohem Maße ein Mengenproblem … Auf dem Ausbildungsmarkt führt der Rückgang des Ausbildungsstellenangebots seit den 1990er Jahren bei einer zeitgleich steigenden Zahl von Schulabsolvent(inn)en zu einem erheblichen Nachfrageüberhang, dessen „Rückstau‘ ein gewisses Ventil im expandierenden Übergangsfeld zwischen Schule und Ausbildung gefunden hat, in dem sich Jugendliche mit und ohne Hauptabschluss besonders stark konzentrieren. So mündeten etwa im Jahr 2005 von den insgesamt bei den Arbeitsagenturen registrierten 740.700 Bewerber(inne)n 350.400 in eine Ausbildungsstelle ein, während fast ebenso viele (340.200) in schulische oder außerschulische Berufsvorbereitungsmaßnahmen (z.B. BvB, EQJ, BVJ, BGJ), in Arbeitsstellen oder sonstigen Alternativen verbleiben oder arbeitslos sind. Die unzureichende Aufnahmefähigkeit des Ausbildungsmarktes zeigt sich prägnant auch an der steigenden Zahl der Altbewerber(inne)n, die im Jahr 2006 mit über 50 Prozent aller bei der Arbeitsagentur registrierten Bewerber/innen den Anteil der Bewerber/innen aus dem aktuellen Schulentlassjahr erstmalig übertrafen. Insofern lässt sich festhalten, dass die nicht gelingende berufliche Integration in hohem Maße ein Mengenproblem (= quantitativer Aspekt) ist, d.h. es in der Konkurrenz um knappe Arbeits- und Ausbildungsplätze zu einer verstärkten Verdrängung von gering qualifizierten und leistungsgeminderten Jugendlichen durch besser qualifizierte Bewerber/innen kommt. Zugleich resultiert die Verdrängung auch aus der gestiegenen Kluft zwischen den (unzureichenden) Kompetenzvoraussetzungen von Haupt- und Sonderschulabsolvent(inn)en einerseits und den gewachsenen Leistungsanforderungen in Ausbildung und Arbeit andererseits, welche zunehmend auch einfache Tätigkeitsfelder erfassen (= qualitativer Aspekt). … * Den Einstieg in Arbeit als Chance gestalten? … Für Jugendliche mit besonders ungünstigen Voraussetzungen eine kohärente Gesamtstrategie der Integrationsförderung notwendig ist, die neben der Ausbildungsförderung von vornherein auch den Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis konzeptionell mit einbezieht. Ein solche Strategie könnte beispielsweise an öffentlich geförderten Arbeitsplätzen ansetzen und dabei betriebliche Arbeit mit einer begleitenden, ausbildungsbezogenen Qualifizierung verbinden, … . Ein solcher, zunächst auf den Übergang in ein Arbeitsverhältnis zentrierter Ansatz könnte gerade für jene jungen Menschen den Weg in eine Ausbildung ebnen, die sich im Verlauf von Maßnahmekarrieren und fortgesetzten Negativerfahrungen innerlich von der Möglichkeit einer Ausbildung verabschiedet haben und mit unterschiedlichen Überlebensstrategien begonnen haben, sich in einem Leben „jenseits normaler Erwerbsarbeit‘ einzurichten. Im Rahmen einer kohärenten Gesamtkonzeption könnte also auch der Einstieg in angelernte Arbeit am Anfang des Integrationsprozesses stehen, an den sich eine ausbildungsbezogene Weiterentwicklung anschließen kann. … * Es mangelt in erster Linie an der Umsetzung vorhandener Erkenntnisse und an einer Förderpolitik, die die „Schätze‘ aus der Förderpraxis systematisch nutzt … Bei der Frage nach einer verbesserten Integration handelt es sich weniger um ein Erkenntnisproblem, sondern um die Aufgabenstellung, die vorliegenden Erkenntnisse und insbesondere den Erfahrungsschatz einschließlich der für eine Optimierung außerordentlich wichtigen Detailkenntnisse der in der Förderpraxis tätigen Expert(inn)en aufzugreifen und produktiv zu nutzen. Unbedingt notwendig wären zudem ein stärker abgestimmtes Vorgehen und mehr Transparenz über Förderaktivitäten mit gleichartiger Zielsetzung auf regional-lokaler Ebene, um kontraproduktive Effekte … zu vermeiden. “ Das Buch ist beim Lambertus-Verlag zu bestellen. Über aufgeführten Link oder per e-Mail info@lambertus.de Marianne Goltz, Gerhard Christe, Elise Bohlen „Chancen für Jugendliche ohne Berufsausbildung“, 2008, 271 Seiten, 28,50 Euro ISBN 978-37841-1814-7
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Quelle: IN VIA