Chancen der Reform für die Qualität sozialer Dienstleistungen nutzen

Die Modernisierung des Vergaberechts in Deutschland ist Thema einer Öffentlichen Anhörung, die der Ausschuss für Wirtschaft und Energie am Montag, den 9. November, durchführen wird. Dabei geht es um den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts. Damit will die Bundesregierung das Vergaberecht in Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien völlig neu ordnen. Die durch die neuen EU-Vergaberichtlinien eröffneten Handlungsspielräume will die Bundesregierung nutzen. So sollen öffentliche Auftraggeber zukünftig mehr Möglichkeiten bekommen, soziale, umweltbezogene und innovative Vorgaben zu machen. Neben dem in der parlamentarischen Beratung befindlichen Vergaberechtsreformgesetz gibt es nunmehr einen Diskussionsentwurf zur Neufassung der Vergabeverordnung (VgV). Sie eröffnet die Chance auf eine bessere Berücksichtigung bieterbezogener Qualitätskriterien. Dazu sind aber Nachbesserungen am Entwurf erforderlich, findet ein breites Bündnis von Verbänden und Organisationen, die an der Erbringung von Arbeitsmarktdienstleistungen beteiligt sind. In einem Schreiben an die Minister Nahles und Gabriel fordert das Bündnis, eine Optimierung der VgV. Bieterbezogene Qualitätskriterien müssen Aussagen über die tatsächlichen, indivuellen Leistungen der Bieter ermöglichen. Die derzeit Vorrangig zugrunde gelegte Integrationsquote ist dazu nicht ausreichend.

Auszüge aus dem Schreiben an die Minister Nahles und Gabriel:

“ (…) Bieterbezogene Qualitätskriterien müssen in erster Linie eine Aussage über die individuelle Leistung der Bieter zulassen. Das ist nicht möglich, wenn ihre Erfüllung wie bei der von der Bundesagentur vorrangig zugrunde gelegten Integrationsquote überwiegend äußeren Einflüssen unterliegt, die sich der Steuerung der Bieter entziehen. Denn zum einen haben die Anbieter auf die personelle Zusammensetzung von Qualifizierungsmaßnahmen keinen Einfluss. Zum anderen hängt die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes ganz wesentlich von jeweils aktuellen lokalen Entwicklungen der Konjunktur ab, wie beispielsweise Schließung größerer Betriebe. (…) Außerdem berücksichtigt die Bundesagentur für Arbeit auch nicht die Leistungen, die Arbeitsmarktdienstleister an die kommunalen Jobcenter erbracht haben. Diese machen immerhin 25% der Jobcenter aus. Schließlich führt die Betonung der Integrationsquote dazu, dass nur noch die aussichtsreichsten Maßnahmeteilnehmer gefördert werden, sich ein sogenannter Creaming-Effekt ergibt. (…)

Die Rechtsordnung und gerade auch das Vergaberecht erkennen die Notwendigkeit subjektiver Bewertungen an und haben dafür transparente und erprobte Verfahren entwickelt (z. B. bei der Ausschreibung von Architektenleistungen).

Ergänzungen der VgV

Ein modernes Vergaberecht muss die in der Qualitätssicherung etablierten Kriterien Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität abbilden. Das Bündnis schlägt deshalb vor, einen Absatz zu Arbeitsmarktdienstleistungen etwa wie folgt in § 67 VgV-Entwurf einzufügen:

„Bei Aufträgen, deren Gegenstand Integrationsdienstleistungen am Arbeitsmarkt sind, gilt Absatz 2 mit folgender Maßgabe:

1. sollen bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots Erfolg und Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Dabei sind insbesondere folgende
Aspekte zu berücksichtigen:

  • die Integrationsquote in den allgemeinen Arbeitsmarkt,
  • die Abbruchquote,
  • die Prüfungsergebnisse (wenn im Rahmen der Maßnahme eine Prüfung abgelegt wird),
  • die Zufriedenheit der Teilnehmenden,
  • die Zufriedenheit der regionalen Netzwerkpartner,
  • die Zufriedenheit der/des regionalen Auftraggeber/s mit dem Leistungsergebnis.

2. Die Träger müssen nach § 2 der AZAV zugelassen sein. (…)“

Diese Kriterien tragen der Intention des Art. 76 Abs. 2 der Auftrags-Richtlinie Rechnung, der die Mitgliedsstaaten dafür verantwortlich macht, „dass die öffentlichen Auftraggeber die Notwendigkeit, Qualität, Kontinuität, Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und Vollständigkeit der Dienstleistungen sicherstellen, sowie den spezifischen Bedürfnissen verschiedener Nutzerkategorien, einschließlich benachteiligter und schutzbedürftiger Gruppen, der Einbeziehung und Ermächtigung der Nutzer und dem Aspekt der Innovation Rechnung tragen können. Die Mitgliedstaaten können auch vorsehen, dass die Auswahl der Dienstleister auf der Grundlage des Angebots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis unter Berücksichtigung von Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien für soziale Dienstleistungen getroffen wird.“ Nach Auffassung des Bündnisses wird der derzeitige VgV-Entwurf dieser Verantwortung noch nicht gerecht und verspielt auch die Chancen, die das Europarecht eröffnet.

Mehr Leistung, weniger Preis

Im gesamten Bereich der sozialen Dienstleistungen muss sichergestellt werden, dass bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots die Wertung der angebotenen Leistung gegenüber dem Preis mehr Gewicht bekommt. Die Defizite der Ausrichtung am günstigsten Preis werden besonders in der von der Bundesagentur für Arbeit verwendeten Bewertungsmethode deutlich, die Preis und Leistung in ihrer Bedeutung für den Zuschlag gleichstellt. Die Aufgabe dieser Ausschreibungspraxis ist unbedingt notwendig. Jedenfalls bei der Ausschreibung von Arbeitsmarktdienstleistungen muss der Leistung und damit auch dem Gesichtspunkt der Leistungsqualität der Schwerpunkt bei der Angebotswertung zukommen (Verhältnis von 70 % Leistung zu 30 % Preis).

Dezentraler Einkauf

Von überragender Bedeutung für die Gewährleistung der Qualität bei Maßnahmen der Arbeitsförderung erachtet das Bündnis einen stärker dezentralisierten Einkauf durch die Bundesagentur für Arbeit. Eine solch dezentralisierte Beschaffung erlaubt – wie auch der Vergleich mit den Beschaffungen kommunaler Leistungsträger zeigt – die bessere Ausrichtung an den Bedarfen sowohl des lokalen Arbeitsmarkts als auch der Klientinnen und Klienten. In einem ersten Schritt einer stärkeren Dezentralisierung sollten zumindest die Leistungsbeschreibungen von den örtlichen Arbeitsagenturen und Jobcentern erstellt und verantwortet werden. (…) “

Quelle: BAGFW; Pressedienst des Deutschen Bundestages

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