Warum sind die Rechten im Osten so stark?

Auszüge aus den Handlungsempfehlungen und Anschlussperspektiven:
(…) ## „Sozialpolitik als Prävention – Gerade für ein bereits seit langer Zeit stigmatisiertes Viertel wie den Herrenberg wäre zunächst ein ganz klassischer Ansatzpunkt: eine Arbeitsmarkt-, Wohn- und Sozialpolitik, Quartiersentwicklung und auch und ganz zentral, Sozialarbeit vor Ort, die benachteiligten Jugendlichen und abgehängten Älteren eine Perspektive bietet – die sie aktiv befähigt, einen Platz in der Arbeitswelt oder Lebenswelt zu erlangen, der ihnen ein Gefühl der Anerkennung vermittelt. Das soll nicht heißen, dass Rechtsextremismus lediglich sozioökonomische Ursachen hat. (…) Aber die Integration in ein intaktes Netz wechselseitiger Anerkennungsbeziehungen ist ein wirksamer Schutz gegen die Ausbildung fremdenfeindlicher Einstellungen. (…)
## Beteiligung ausbauen und Widersprüche aushalten – Eine weitere, sehr allgemeine, scheinbar banale Empfehlung (…): Bei der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Autoritarismus hilft nicht weniger, sondern mehr Raum für offene politische Auseinandersetzungen. (…) gerade in Ostdeutschland besteht die große, durchaus authentische Sorge, die Sensoren des politischen Systems seien für das, was der „gemeine Bürger“ denkt, nicht mehr hinreichend empfänglich. Im schlimmsten Fall geht dieser Eindruck in blanken Zynismus über, etwa in das auf Pegida-Demonstrationen vielfach vernommene Verdikt, in der DDR sei es auch nicht anders zugegangen. (…) Wer so denkt, ist durch Maßnahmen politischer Bildung oder die vielfach beschworene „Stärkung der Zivilgesellschaft“ – deren „dunkle Seite“ Pegida im Übrigen darstellt – wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen. Dennoch kann der Eindruck, das parlamentarische System sei für die Sorgen und Nöte der BürgerInnen nicht mehr hinreichend empfänglich, nur durch ein Mehr an Beteiligung zerstreut werden, was gleichwohl ein schwieriges Unterfangen ist etwa in Vierteln wie dem Herrenberg, wo die Mehrheit der BewohnerInnen nicht einmal mehr wählen geht. (…) Angesichts der zunehmenden Verwilderung der Identitätskämpfe, zu deren Symptomen der Aufstieg des Rechtspopulismus zählt, mag gerade auf Seiten der politischen Eliten im Gegenteil das nachvollziehbare Bedürfnis bestehen, konflikthafte Themen wie die Einwanderungspolitik aus dem politischen Diskurs herauszuhalten und aus Furcht vor dem „Volkszorn“ die (…) Vorstellungen von einer beteiligungszentrierten Demokratie vorerst aufzugeben und stattdessen auf sozialtechnologische Lösungen zu setzen. (…)
## (…) sich an ostdeutschen Positivbeispielen orientieren – Dass eine partizipative Kultur (…) ein richtiger und wichtiger Weg sein kann, zeigen (…) etwa Jena, Leipzig und in jüngeren Ansätzen auch die (…) Stadt Hoyerswerda. Jene Städte und Regionen sind in unterschiedlichen Intensität und mit unterschiedlichem Erfolg scheinbar nicht nur bereit, ihr historisches Gedächtnis zu überprüfen und zu reformulieren sowie das spezifische Erbe von DDR und ostdeutscher Transformation anzunehmen. Sie zeigen damit auch einen Weg auf, wie mittels einer politisch gewollten und unterstützten Selbstbefragung und durch politisches Engagement ein Weg der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gewählt werden kann, an dessen Ende auch Erfolge im ostdeutschen Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit stehen dürften. Diese (…) ostdeutschen „Erfolgsgeschichten“ stärker zu betonen, statt einen als westdeutsch wahrgenommenen Zeigefinger walten zu lassen, kann womöglich auf lange Sicht dazu führen, dass nicht nur „die Sachsen“, um das geflügelte Wort Kurt Biedenkopfs zu nutzen, stärker als bisher „immunisiert“ werden gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.
## (…) die Rolle altbundesrepublikanischer Rechtsextremer im Osten untersuchen – (…) den westdeutschen Rechtsextremismus-Export nach Ostdeutschland seit 1989 (…) als Ursache für das Erstarken der rechten Szene im Osten in den Blick nehmen. Immobilienankäufe, Aufbauhilfen, Kaderschulungen, Geldflüsse, PolitikerInnenexport, Wahlkampfhilfen, Ideologietransfer, neu-rechte Bildungseinrichtungen und deren führende Köpfe – der Anteil der alten Bundesrepublik an der Schlagkraft der ostdeutschen Szene ist kaum hoch genug einzuschätzen. (…)“

Die Studie ist über aufgeführtem Link abrufbar.

Link: http://www.beauftragte-neue-laender.de/BNL/Redaktion/DE/Downloads/Publikationen/studie-rechtsextremismus-in-ostdeutschland.html

Quelle: Ostbeauftragte der Bundesregierung Gleicke; Göttinger Institut für Demokratiefoschung; ARD-tagesschau.de

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