Das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung

Obwohl Schule und außerschulische Lernorte zentrale Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen sind, spielt Paritizipation dort immer noch nicht die Rolle, die ihr zusteht – findet das Deutsche Institut für Menschenrechte. Welchen Stellenwert hat die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem? Wie kann das Recht auf Partizipation verwirklicht werden, und welche Rolle spielt Menschenrechtsbildung dabei? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Policy Paper „Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Partizipation. Was aus menschenrechtlicher Sicht im Bildungsbereich getan werden muss“. Es erläutert die unterschiedlichen Verständnisse von Partizipation und zeigt auf, wie Menschenrechtsbildung ein rechtebasiertes Verständnis von Partizipation unterstützt. Weiter stellt es Ergebnisse einer Umfrage zur Förderung von Menschenrechtsbildung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen in den Bundesländern vor und schließt mit konkreten Empfehlungen an Bund, Länder und andere Bildungsakteure.

Auszüge aus dem Policy Paper „Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Partizipation“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte:

Partizipation ist ein eigenständiges in der UN-Kinderrechtskonvention verankertes Recht und Grundprinzip für alle Kinderrechte

„(…) Schule und außerschulische Lernorte sind zentrale Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist die Verwirklichung des Rechts von Kindern und Jugendlichen auf Partizipation gerade hier so wichtig. Im Bildungskontext wird Partizipation häufig als Mittel zum Zweck, etwa zur Einübung demokratischer Entscheidungsprozesse, verstanden.
Aus menschenrechtlicher Perspektive ist ein solches Verständnis jedoch ungenügend: Partizipation ist ein eigenständiges Recht von Kindern und Jugendlichen, das in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) verankert ist und als Grundprinzip bei der Umsetzung aller Kinderrechte berücksichtigt werden muss. Partizipation ist demnach kein einmaliges Ereignis, das abhängig von der Gnade und Befindlichkeit der Erwachsenen ist, sondern ein kontinuierlicher, verbindlicher Prozess. Partizipation muss inklusiv gestaltet werden, damit alle Kinder ihre Rechte ohne Diskriminierung ausüben können. (…)

Rechtebasierte Partizipation

Auch wenn ein funktionales Verständnis von Partizipation seine Berechtigung hat, muss es doch ergänzt werden um eine rechtebasierte Perspektive. Dies unterstützt zudem die Funktionen, die mit Partizipation in der Regel erreicht werden sollen: Ohne kritische Reflexion der Rahmenbedingungen, ohne Ausweitungsbemühungen in die thematische Breite und hierarchische Tiefe werden die Maßnahmen schnell als Scheinpartizipation oder Mogelpackung erkannt. Untersuchungen zeigen, dass Kinder und Jugendliche ihre Mitsprachemöglichkeiten insbesondere in der Schule und am Wohnort als gering einschätzen. Die Beteiligten können frustriert und lustlos werden, sodass gar kein Interesse mehr an demokratischen Prozessen besteht und gemeinsam getroffene Entscheidungen keineswegs von allen Personen unterstützt werden.

Aus menschenrechtlicher Sicht ist Partizipation kein Mittel zum Zweck, sondern ein eigenständiges Recht von Kindern und Jugendlichen wie es auch in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) verankert ist. (…) Zentral für Partizipation ist Artikel 12 der KRK, der besagt, dass jedes Kind das Recht hat, seine Meinung in allen es selbst berührenden Angelegenheiten frei zu äußern. Die Meinung des Kindes muss angemessen und entsprechend des Alters und der Reife des Kindes berücksichtigt werden. Partizipation muss als ein Grundprinzip bei der Umsetzung aller Kinderrechte berücksichtigt werden. (…)

Der UN-Kinderrechtsausschuss entwickelte die folgenden Kriterien, wie die Beteiligung von Kindern gestaltet sein soll:

  • transparent und informativ, damit Kinder sie verstehen;
  • freiwillig – Kinder sind nicht verpflichtet, ihre Meinung zu äußern. Auch ein Kind, das sich nicht beteiligen will, übt sein Recht auf Beteiligung aus;
  • respektvoll – die Meinungen von Kindern müssen geachtet werden;
  • bedeutsam für die Bedürfnisse und den Erfahrungsschatz von Kindern;
  • kinderfreundlich, das heißt so gestaltet, dass sie für Kinder zugänglich sind und Kinder ermutigen;
  • inklusiv, damit alle Kinder ihr Recht auf Partizipation ohne Diskriminierung ausüben können. Auch benachteiligte Kinder müssen sich beteiligen können, entsprechende Barrieren müssen abgebaut werden;
  • unterstützt durch Bildungsmaßnahmen für beteiligte Erwachsene, um die Rechte des Kindes zu schützen;
  • schützend und feinfühlig in Bezug auf das Risiko, das mit Meinungsäußerungen einhergehen kann;
  • rechenschaftspflichtig mittels Rückmeldung, Monitoring und Evaluation; So verstanden wird Partizipation zu einem kontinuierlichen, verbindlichen Prozess und bleibt kein einmaliges Ereignis. (…)

Empfehlungen

Die Umfrage des Deutschen Instituts für Menschenrechte zur Förderung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in den Bundesländern hat gezeigt, dass Partizipation sowohl rechtebasiert wie funktional verstanden, gefördert und umgesetzt wird. Die Ausgestaltung von Partizipation auf Länderebene ist jedoch sehr unterschiedlich und der Umfang von gelebter Partizipation insgesamt unklar. (…)

Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Deutsche Institut für Menschenrechte

  • dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie anderen Forschungsakteuren, die systematische, bundesweite Analyse von Partizipationsprogrammen und -mechanismen in Bildungsinstitutionen in Auftrag zu geben. Dabei sollte untersucht werden, inwiefern rechtebasierte Perspektiven und inklusive Angebote, die auch benachteiligte Lernende erreichen, gestärkt werden können.
  • Bund, Ländern und Bildungsträgern, Partizipationsrechte im Bildungsalltag von Lernenden – in allen Schulformen sowie in allen die Schülerinnen und Schüler betreffenden Bereiche – nachhaltig zu verankern. Dabei sollten die Kriterien des UN-Kinderechtsausschuss für die Beteiligung von Kindern als Orientierungsrahmen genutzt werden.
  • dem Bundesministerium für Frauen, Senioren und Jugend sowie den Schulministerien der Bundesländer, Menschenrechtsbildung als Wegbereiterin für die Umsetzung von Partizipation stärker zu fördern und explizit in Bildungsplänen und Curricula zu verankern. Dabei ist darauf zu achten, sämtliche Ebenen der Menschenrechtsbildung anzusprechen (Bildung über, durch, für Menschenrechte) und Menschenrechtsbildung in Kernfächern, aber auch fächerübergreifend für das gesamte Schulleben verbindlich festzuschreiben. Zudem sollten weitere Pilotprojekte mit Schulen initiiert und gefördert werden, die Menschenrechtsbildung und rechtebasierte Partizipation kombinieren, sodass Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt und ausgetauscht werden können.
  • den Akteuren, die für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von schulischem wie außerschulischem Personal zuständig sind, rechtebasierte Partizipation und explizite Menschenrechtsbildung in den Aus- und Weiterbildungsplänen verbindlich zu verankern.
  • allen Bildungsinstitutionen, Prozesse der Organisationsentwicklung zu nutzen, um zu diskriminierungsfreien und partizipationsfördernden Einrichtungen zu werden. Bestehende Evaluations- und Planungsinstrumente, zum Beispiel die Schulinspektion oder die Schulprogrammentwicklung, sollten um menschenrechtliche Perspektiven ergänzt werden.
  • den Bildungspraktikerinnen und -praktikern sowie den Bildungsinstitutionen, zu überprüfen, inwiefern bestehende Partizipationsangebote um rechtebasierte Partizipationselemente ergänzt werden müssen und wie sie inklusiver gestaltet werden können. So kann Bildung insgesamt partizipativer gestaltet werden.“

Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte

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