Neue Richtlinien für die Berufsorientierung in Berufsbildungsstätten

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat neue Richtlinien für die Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten (Berufsorientierungsprogramm des BMBF – BOP) herausgegeben. Diese sind zum 01.01.2012 in Kraft getreten. Neben der Einführung eines standardisierten Antragsverfahrens und eines qualitativen Bewertungssystems werden zukünftig länderspezifische und regionale Fragestellungen an Bedeutung gewinnen. Außerdem soll das Orientierungsspektrum der jungen Menschen erweitert werden: Es müssen mindestens fünf Berufsfelder angeboten werden, die sowohl den Block „Produktion/Handwerk/Technik“ als auch den Block „Dienstleistung/Wirtschaft/Soziales“ abdecken.

Seit Juni 2010 rund 300.000 Schüler/-innen mit Potenzialanalyse und Werkstatttagen bei der Berufsorientierung unterstützt

Das Berufsorientierungsprogramm des BMBF startete im Jahr 2008 mit einer Pilotphase und ist Teil der Bildungsketten-Initiative. Seit Juni 2010 konnte das Programm vorzeitig verstetigt werden. Bisher wurden mehr als 123 Mio. € für rund 300.000 Schülerinnen und Schüler bereitgestellt. Angesichts der weiterhin hohen Nachfrage wird es voraussichtlich ein ähnliches Fördervolumen in den kommenden Jahren geben.

Das BOP richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die einen Abschluss der Sekundarstufe I anstreben. Gefördert werden eine Potenzialanalyse, die in der Regel im 2. Halbjahr der Klasse 7 stattfindet, sowie Werkstatttage in Klasse 8. Während der Potenzialanalyse sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Neigungen und Kompetenzen entdecken und daraus Hinweise für Eignungen für mögliche Berufe erhalten. In den Werkstatttagen erhalten die Jugendlichen die Chance, zwei Wochen lang mindestens drei Berufsfelder kennenzulernen und erste berufsspraktische Erfahrungen zu machen.

Am 16.12.2011 veröffentlichte der Bundesanzeiger die neuen Förderrichtlinien für das Programm. Diese traten zum 01.01.2012 in Kraft. Die Förderrichtlinien sind mit einem Datum vom 06.12.11 versehen.

Auszüge aus den „Richtlinien für die Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten“ (Berufsorientierungsprogramm des BMBF – BOP) und eine Zusammenfassung der wichtigsten Veränderungen:

„Gegenstand der Förderung

Gegenstand der Förderung sind Berufsorientierungsmaßnahmen für Schülerinnen/Schüler, die einen Abschluss der Sekundarstufe I als höchsten Schulabschluss an einer allgemeinbildenden Schule anstreben, bestehend aus

  • einer Potenzialanalyse, in der Regel ab Klasse 7/2, soweit eine entsprechende Potenzialanalyse nicht bereits vorliegt bzw. von anderer Seite durchgeführt wurde (siehe Nummer 4.1);
  • Werkstatttagen in ÜBS oder vergleichbaren Berufsbildungsstätten in der Regel ab Klasse 8. Potenzialanalyse und Werkstatttage sind in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchzuführen. (…)

Zuwendungsvoraussetzungen

Die Maßnahmen der Berufsorientierung müssen für mindestens 50 Jugendliche beantragt werden und für jeden Jugendlichen grundsätzlich eine Potenzialanalyse und Werkstatttage vorsehen.

  • Potenzialanalyse
    Eine vorgelagerte Potenzialanalyse ist für jede teilnehmende Jugendliche/jeden teilnehmenden Jugendlichen in der Regel ab Klasse 7/2 durchzuführen. Dies gilt nicht, sofern eine entsprechende Potenzialanalyse bereits vorliegt bzw. von anderer Seite durchgeführt wird. Die Potenzialanalyse bezieht sich insbesondere auf die individuellen Kompetenzen, Neigungen, Interessen und die jeweiligen Entwicklungspotenziale der Jugendlichen. Sie hat den vorgegebenen Qualitätsstandards zu entsprechen, die auf der Internetseite des Berufsorientierungsprogramms abrufbar sind. Erkennbare Potenziale und Förderempfehlungen sind für die Jugendliche/den Jugendlichen nachvollziehbar mündlich und schriftlich darzustellen. Die Ergebnisse der Potenzialanalyse sind für die berufsorientierenden Werkstatttage zu nutzen. Es ist darüber hinaus im Sinne der Bildungsketten-Initiative sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Potenzialanalyse ebenso der Schule zur individuellen schulischen Förderung als auch an der Schule tätigen Berufseinstiegsbegleitern zugänglich gemacht werden. Das Datenschutzrecht ist zu beachten. (…)

  • Werkstatttage
    Es sind mindestens fünf Berufsfelder anzubieten, aus denen die teilnehmenden Jugendlichen mindestens drei Berufsfelder auswählen. Gezählt werden nur Berufsfelder, die auf der Internetseite des Programms veröffentlicht und erläutert sind. Das Angebot muss zudem beide der dort definierten Blöcke abdecken. (…)[Ergänzung der Redaktion: Angaben der Blöcke und Berufsfelder auf der genannten Website:
    Block I: Produktion/Handwerk/Technik, Landwirtschaft und Ernährung, Metall, Fahrzeuge, Elektro, Sanitär/Heizung/Klimatechnik, Bau, Holz, Farbe/Raumgestaltung, Naturwissenschaften, Textil/Leder/Bekleidung
    Block II: Dienstleistung/Wirtschaft/Soziales, Hauswirtschaft, Lager/Logistik, Verkauf, IT und Medien, Wirtschaft und Verwaltung, Gesundheit/Erziehung/Soziales, Kosmetik und Körperpflege, Hotel- und Gaststätten]
    Die Gruppengröße soll nicht mehr als 15 Jugendliche umfassen. Bei Gruppen aus Förderschulen soll die Gruppengröße maximal zehn betragen. Zur Verbesserung der Verknüpfung von schulischem und berufspraktischem Lernen wird die Anwesenheit von Lehrkräften der beteiligten Schulen erwartet. (…)“

Das neue Antragsverfahren

Neu ist, dass die Verteilung der Mittel auf die Länder zukünftig äquivalent zu den Bildungsketten auf der Grundlage der Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss eines Bundeslands erfolgt. Darüber hinaus wird Wert darauf gelegt, dass das BOP unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten umgesetzt wird. Das kann z.B. heißen, dass das BOP mit anderen regionalen Maßnahmen verknüpft wird oder Regionen erschlossen werden, die bisher noch nicht mit dem BOP oder vergleichbaren Maßnahmen erreicht wurden. Es kann auch zu Sondervereinbarungen zwischen Bund und Ländern kommen, die eine flächendeckende Einführung von Berufsorientierungsmaßnahmen durch ein Landeskonzept vorbereiten. Dies kann zu einer vorübergehend überproportionalen Förderung von Anträgen eines Landes führen.

Das neue Antragsverfahren sieht vor, dass alle Anträge ab dem 1. Januar bis zum Ablauf des 1. März eines Jahres (aktuell: 2012) über das BOP-Portal beim BIBB gestellt werden. Bis zum 30. Juni erhalten die Antragssteller eine Auskunft, ob sie für die Förderung vorgesehen sind. Einheitlich ist zukünftig auch der Bewilligungszeitraum. Er umfasst 20 Monate, vom 01.01. eines Jahres bis zum Ablauf des 31.08. des Folgejahres. In der Antragsrunde 2012 heißt das konkret: 01.01.2013 bis 31.08.2014. Zur Unterstützung der bisherigen manuellen Antragsstellung wurde ein Online-Portal entwickelt, um die Antragsstellung weit möglichst zu digitalisieren. Mit der Einführung des Online-Portals zur Abwicklung der Anträge und Abrechnungen wird die administrative Abwicklung des Programms für Antragsteller weiter vereinfacht. Alle neuen Antragstellungen, die das Berufsorientierungsprogramm betreffen, können nur noch über dieses Portal erfolgen.

Das neue Bewilligungsverfahren

Nach Eingang sollen alle Anträge einem einheitlichen Auswahlverfahren unterzogen werden. Zunächst wird die Erfüllung der Mindeststandards überprüft. Die Prüfung der formalen Föderfähigkeit umfasst folgende Punkte:

  • Fristgerechter Eingang des Antrags bis zum 01.03.2012 über das Portal und auf dem Postweg. Es gilt das Datum des Poststempels. Die Papierversion des Antrags muss rechtsverbindlich durch eine nachweislich dazu befugte Person unterschrieben sein.
  • Vollständigkeit des Antrags. Beizufügende Unterlagen sind im Antragsformular und in den FAQ aufgeführt.
  • Erfüllung der Mindeststandards/Zuwendungsvoraussetzungen nach den Nummer 2 bis 4 der Richtlinien.

Alle förderfähigen Anträge werden einer qualitativen Bewertung unterzogen. Anhand folgender Kriterien soll eine Rangfolge der förderfähigen Anträge für jedes Bundesland erstellt werden:

  • Eignung des Trägers
  • Regionale Einpassung
  • Schlüssiges Gesamtkonzept
  • Gestaltung der Kooperation mit den Schulen und Eltern
  • Nachhaltigkeit
  • Ausgestaltung der Potenzialanalyse
  • Ausgestaltung der Werkstatttage
  • Qualifikation des Personals
  • Diesjährige inhaltliche Priorität: Kooperation mit Schule(n), an denen eine Berufseinstiegsbegleitung der Initiative „Bildungsketten“ stattfindet

Die maximale Gesamtpunktzahl, die in der Bewertung erreicht werden kann, beträgt 65 Punkte. Für jedes Kriterium sind in einem Bewertungsformular Indikatoren definiert, die zur Beurteilung des Kriteriums herangezogen werden. Sonderpunkte werden vergeben, wenn Kooperationen mit einer oder mehreren Schulen vorliegen, an denen ein/-e Berufseinstiegsbegleiter/-in Bildungsketten tätig ist. Anhand der erreichten Gesamtpunktzahl wird eine Rangfolge der Anträge für jedes Bundesland erstellt. Die regionale Verteilung der Mittel auf die Länder erfolgt bezogen auf die Zahl der Schulabgänger/-innen ohne Hauptschulabschluss. Gehen für ein Land mehr förderfähige Anträge ein als Mittel zur Verfügung stehen, erfolgt die Auswahl entsprechend der Rangfolge. Sollten aus einem Land weniger förderfähige Anträge eingehen als Mittel für dieses Land zur Verfügung stehen, rücken förderfähige Anträge aus anderen Ländern entsprechend der Gesamtrangfolge nach. Sondervereinbarungen mit einzelnen Ländern, die eine flächendeckende Einführung von Berufsorientierungsmaßnahmen durch ein Landeskonzept vorbereiten, können zu einer vorübergehend überproportionalen Förderung von Anträgen eines Landes führen.

Sollten im Auswahlverfahren nicht ausreichend Mittel für alle Anträge mit gleicher Gesamtpunktzahl zur Verfügung stehen, wird zunächst ein 2. Gutachten für diese Anträge erstellt. In der Rangfolge zählt dann der Mittelwert beider Gutachten. Sollten weiterhin zu viele Anträge mit der gleichen Punktzahl vorliegen, wird über die Förderung in einem Gremium bestehend aus BMBF und BIBB entschieden.

Anträge, die keine Potenzialanalyse umfassen, weil die Potenzialanalyse von anderer Seite – also außerhalb des BOP – durchgeführt wird, erhalten bei der Bewertung der „Ausgestaltung der Potenzialanalyse“ den Durchschnittswert aller Bewertungen zu diesem Punkt, mindestens jedoch 3 Punkte. Dies gilt auch für Anträge aus den Ländern, in denen die Potenzialanalyse flächendeckend von anderer Seite abgedeckt wird (Beispiel: Baden-Württemberg, Profil AC). In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass im Gesamtkonzept beschrieben wird, wie geplant ist, die Ergebnisse der Potenzialanalyse in den weiteren Verlauf der BO-Maßnahme einzubeziehen.

Die Antragsteller werden bis 30. Juni 2012 über das Ergebnis des Auswahlverfahrens benachrichtigt.

Quelle: BMBF; BiBB

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