Forderungen zur Jugendpolitik aus katholischer Sicht

Der Trägerkreis Jugend(hilfe) legt einen Forderungskatalog zur Jugendpolitik vor: Die zentralen Themen der Kinder- und Jugendhilfe, die aus katholischer Sicht für ein gelingendes Aufwachsen und zur Entwicklung einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit besonders relevant sind, wurden darin zusammengefasst. Die Entfaltung der eigenen Talente und die Verantwortungsübernahme für das eigene Leben, Subjektwerdung und Identitätsfindung sind sowohl eine Gabe als auch eine Aufgabe.

Damit den Kindern und Jugendlichen diese Aufgabe gelingen kann, benötigen sie Freiräume zur Selbstentfaltung und zugleich Unterstützung zur Verwirklichung ihrer Interessen und Fähigkeiten. Zur Ausbildung und Reifung der Persönlichkeit und zur gesellschaftlichen Teilhabe müssen sie die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Potenziale weiterentwickeln und an politischen und gesellschaftlichen Prozessen partizipieren zu können. Um hier allen Kindern und Jugendlichen gute Chancen zu bieten sowie eine Umgebung zu schaffen, in der sie diese Chancen auch ergreifen können, bedarf es einer öffentlichen Verantwortung für geeignete Rahmenbedingungen zu gelingendem Aufwachsen junger Menschen.

FOKUS Jugend

Junge Menschen bei der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen, damit diese ihre Rechte wahrnehmen und ihrer Verantwortung in Gesellschaft und Staat gerecht werden können, war und ist eine der Kernaufgaben der katholischen Kinder- und Jugendarbeit auf allen Ebenen. Bei der Verwirklichung ihres Auftrages richten sich die katholischen Träger stets an den Zielen des SGB VIII aus.

Nach diesem Verständnis muss Jugendpolitik die gesamte Persönlichkeit einbeziehen, ihre körperlichen Fähigkeiten, ihre emotionalen Empfindungen, ihre Wertevorstellungen, ihr Wissen und ihre Können sowie ihre Handlungsfähigkeit umfassen. Sie muss die Jugendphase als eigenständige Phase anerkennen, Jugendpolitik vom jungen Menschen her denken und in vielfältigen Beteiligungsprozessen die Ansichten und Meinungen von jungen Menschen in den politischen Prozess mit einbeziehen. Im Interesse der eigenständigen Lebens- und Zukunftsgestaltung von Kindern und Jugendlichen soll eine Politik für junge Menschen sich darüber hinaus für eine gerechte, solidarische und zukunftsfähige Gesellschaft einsetzen.

„Freiräume für Jugendliche Außerschulische Jugendarbeit

  • (…) Freiräume für junge Menschen müssen erhalten bleiben und neu entstehen können. Junge Menschen brauchen Zeit und Raum.
  • Das formale Bildungssystem muss Platz lassen für diese Freiräume, die zum Erwachsenwerden dazugehören.
  • Freiräume müssen auch finanziell dauerhaft gesichert werden, um gelingende Rahmenbedingungen zu garantieren.

Mehr Bildungsgerechtigkeit – Verbesserung der Bildungschancen

  • (…) Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen darf nicht von der sozialen Herkunft und dem Bildungsstand der Eltern abhängig sein. Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus und/oder mit Migrationshintergrund benöten deutlich bessere Bildungschancen. Es gilt, dieser Kluft politisch durch den Abbau segregierender Mechanismen und der Verbesserung individueller Förderung entschiedener entgegenzuwirken. (…)
  • Die schulbezogene Jugendsozialarbeit und Angebote der Jugendarbeit an Schulen, insbesondere im Rahmen verbindlicher Ganztagsschulen, sind auszubauen und finanziell besser abzusichern. Mit diesen Angeboten können Alltagskompetenzen gefördert und ein Ausgleich sozialer Benachteiligung geschaffen sowie Freiräume und nicht verzweckte Zeit gestaltet werden. (…)
  • Jugend- und Bildungspolitik muss sich verstärkt dafür einsetzen, dass junge Menschen, die auf dem Weg in den Beruf Zwischenschritte und Unterstützung benötigen, ein verlässliches Förderangebot und eine kontinuierliche personale Begleitung erhalten. Zum Aufbau eines kohärenten Fördersystems ist die regionale Zusammenführung aller Akteure, Konzepte und Projekte unabdingbar. Alle Förderangebote auf dem Weg in Ausbildung sind mit einer Garantie für berufliche Anschlüsse zu verknüpfen.
  • Um junge Menschen, die nur mit intensiver Unterstützung eine Ausbildung absolvieren können, in eine betriebliche Ausbildung zu integrieren, sollte ergänzend zu den vorhandenen Maßnahmen die bundesweite Förderung trialer Ausbildungskonzepte in Kooperation von Betrieben, Berufsschulen und arbeitsweltbezogener Jugendsozialarbeit erfolgen.

Engagementförderung und Freiwilligendienste für junge Menschen

  • (…) Freiwilligendienste müssen vollständig zivilgesellschaftlich organisiert und damit das Subsidiaritäts- und Trägerprinzip beachtet werden.
  • Freiwilligendienste sind Lerndienste und Lernorte bürgerschaftlichen, sozialen, politischen und entwicklungspolitischen Engagements. Dafür bedarf es sowohl einer Vielzahl als auch einer Vielfalt von Partizipations- und Beteiligungsmöglichkeiten für die einzelnen Freiwilligen und die Einsatzstellen bei Inlandsdiensten sowie der Partnerorganisationen bei Auslandsdiensten. In Anlehnung an die bewährten Qualitätsstandards im FSJ und dem dialogorientierten Qualitätsmanagement bei internationalen Diensten kann eine pädagogische Begleitung nicht auf die 25 Seminartage beschränkt sein. (…)
  • Der arbeitsmarktneutrale Einsatz von Freiwilligen muss in der Praxis über einheitliche Mindeststandards für FSJ- bzw. BFD-Einsatzstellen sichergestellt und regelmäßig überprüft weren. (…)
  • Die derzeitige Doppelrolle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben als Zentralstelle und zugleich als Prüfbehörde muss schnellstmöglich abgeschafft und die beiden Bereiche in einem transparenten Verfahren deutlich voneinander getrennt werden. (…)

Umsetzung der Behindertenrechtskonvention – Inklusion

  • (…) Kinder und Jugendliche mit Behinderung können das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe in der Regel im Lebensraum der Familie vollziehen. Die Ausgestaltung der selbstbestimmten Teilhabe hat sich an Alter und Reife des jungen Menschen unter Einbeziehung des familiären Umfeldes zu orientieren. In Übereinstimmung mit dem 13. Kinder- und Jugendbericht bedeutet die Einnahme einer inklusiven Perspektive die Entwicklung eines Leistungsangebots für Kinder und Jugendliche mit Behinderung, das sich primär an der Lebenslage „Kindheit und Jugend“ orientiert und erst sekundär nach der Behinderung oder anderen Benachteiligungen und Belastungen in dieser Lebenslage differenziert. (…)
  • Inklusion braucht die dafür notwendigen Ressourcen und darf nicht als Sparmaßnahme missverstanden werden. (…)
  • Die Weiterentwicklung eines inklusiven Bildungssystems und die damit verbundenen Veränderungsprozesse müssen den Prozess des Miteinander-Lernens im gesamten Lebenslauf im Blick haben und verantwortungsvoll gestalten. Von daher müssen sich vorschulische Einrichtungen, Förderschulen als auch Regelschulen öffnen und eine individuelle Förderung durch Erzieher, Lehrer und Sonderpädagogen in multiprofessionellen Teams zum Wohl des einzelnen Kindes und Jugendlichen sicherstellen.
  • Inklusion bzw. der kompetente Umgang mit Verschiedenheit benötigt eine Sensibilisierung für die bestehende Vielfalt. Mit Vielfalt (im Sinne einer Pädagogik der Vielfalt) kompetent umgehen können, muss prägendes Kennzeichen pädagogischer Fachkompetenz, mithin zentraler Bestandteil jeder pädagogischen Ausbildung werden.

Eine kohärente Jugendförderpolitik – auf allen Ebenen

  • (…) Es bedarf einer regelmäßigen Anpassung der Fördersummen an Personal- und Sachkostensteigerungen. Die „Überrollungen“ der Fördersysteme des KJP in den letzten Jahren stellen nichts anderes als jährliche Kürzungen dar.
  • Neben der regelmäßigen Anpassung an vorhandene Kostensteigerungen bedarf es eines einmaligen Ausgleichs der letzten zehn Jahre. Die Einsparmöglichkeiten bei den Trägern sind erschöpft und zur Sicherstellung der inhaltlichen hochwertigen Arbeit bedarf es eines realistischen Ausgleichs.
  • Die Kohärenz der Kinder und Jugendförderpolitik in Deutschland von der Kommune über die Länder bis hin zur Bundesebene muss verbessert werden. (…)
  • Die Gewichtung der Fördersysteme des Bundes – aber auch der Länder – hin zu mehr Projektförderung muss wieder verändert werden. Eine sinnvolle Förderung einer effektiven Infrastruktur der freien Träger der Jugendhilfe muss wieder stärkere Beachtung erfahren. (…)
  • Der Grundgedanke zur Förderung von jungen Menschen in unserer Gesellschaft muss zu einem Querschnittsthema in allen Politikfeldern werden. (…)“

Der Trägerkreis Jugend(hilfe) ist ein Zusammenschluss der Träger katholischer Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene. Die Mitglieder des Trägerkreises sind die maßgeblichen Akteure „kirchlicher Jugendarbeit“ in der katholischen Kirche. In den 16 Verbänden des Bundes der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ), in ca. 12.000 Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten werden weit über eineinhalb Millionen Jugendliche erreicht. Hinzu kommen die Einrichtugen und Angebote der Katholischen Jugendsozialarbeit, der Freiwilligendienste, der politischen Bildung oder die Beratung durch Institutionen der Caritas. Mitglieder des Trägerkreises Jugend(hilfe) sind:

  • Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB)
  • Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj)
  • Arbeitsgemeinschaft Katholischer Hochschulgemeinden (AKH)
  • Bund der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendsozialarbeit (BAG KJS)
  • Deutscher Caritasverband (DCV)
  • Kommissariat der Deutschen Bischöfe
  • Jugendhaus Düsseldorf (JHD)

Quelle: Trägerkreis Jugend(hilfe)

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