Große Ungleichheit an Schulen

Eine Umfrage unter Schülern, Lehrern und Eltern zum Bildungsalltag in Deutschland, die das Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt hat, ist Grundlage der Studie „Hindernis Herkunft“ der Vodafone Stiftung. Fast zwei Drittel der Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland bezweifeln danach, dass Schüler ungeachtet ihrer sozialen Herkunft die gleichen Bildungschancen haben: 61 Prozent sehen eine Chancengerechtigkeit an deutschen Schulen grundsätzlich nur unzureichend oder überhaupt nicht gegeben. Drei Viertel der Lehrer sind der Ansicht, dass eine individuelle Förderung einzelner Schüler kaum oder gar nicht möglich ist. Insgesamt geben 54 Prozent der Lehrer an, dass das Unterrichten und der Umgang mit den Schülern im Laufe der letzten fünf bis zehn Jahre deutlich schwieriger geworden sei.

Auszüge aus den Erkenntnissen der Allensbach-Studie „Hindernis Herkunft“ im Auftrag der Vodafone-Stiftung:

„Leistungskluft zwischen Schülern verschiedener sozialer Herkunft wächst weiter

Wie die Studie zeigt, sind fast alle Lehrer in Deutschland (96 Prozent) davon überzeugt, dass der soziale Hintergrund des Elternhauses die Leistung von Schulkindern beeinflusst – 83 Prozent halten diesen Einfluss sogar für groß bis sehr groß. Ferner sind 54 Prozent der Pädagogen der Ansicht, dass die Leistungsunterschiede zwischen Schülern aus verschiedenen sozialen Schichten zugenommen haben. (…)

Defizite im Elternhaus sind die Hauptursache für ungleiche Chancen von Kindern

Sowohl Lehrer als auch Eltern sind sich einig: Defizite im Elternhaus sind die wesentliche Ursache dafür, dass einige Kinder schlechtere Chancen haben als andere. 84 Prozent der Lehrer und 79 Prozent der Eltern betonen vor allem das fehlende Interesse von Eltern an einer Beschäftigung mit den eigenen Kindern. Auch nennen Lehrer und Eltern Erziehungsmängel im Hinblick auf gewissenhaftes Arbeiten (77 bzw. 76 Prozent), eine fehlende Vorbildfunktion der Eltern (75 bzw. 78 Prozent) und zu wenig Zeit der Eltern für ihre Kinder (69 bzw. 65 Prozent) als Hauptursachen (…). Es sind mehr als drei Viertel aller Lehrer (76 Prozent) der Meinung, Eltern aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten zeigen vergleichsweise wenig Interesse am schulischen Alltag ihrer Kinder. Für diese Ansicht spricht auch die Tatsache, dass diese Eltern weniger mit ihren Kindern über deren Schulalltag sprechen: 69 Prozent geben an, dies häufig zu tun – und damit 16 Prozentpunkte weniger als bei Eltern aus höheren sozialen Schichten (85 Prozent). Auch ist der Anteil von Schülern, die ihren Eltern wenig bis gar kein Interesse an deren Schulalltag attestieren, in sozial schwachen Bevölkerungsschichten fast doppelt so hoch (23 Prozent) wie im Durchschnitt aller befragten Schüler (13 Prozent). (…)

Viele Ansprüche von Lehrern und Eltern an gute Schulen sind unerfüllt

Bei der Beurteilung dessen, was eine ideale Schule ausmacht, sind sich Lehrer und Eltern weitgehend einig: 94 Prozent der Lehrer und 92 Prozent der Eltern betonen vor allem das Engagement der Pädagogen, auf deren gute Ausbildung legen 85 Prozent aller Lehrer und 83 Prozent aller Eltern besonderen Wert. Auch in der Gesamtbevölkerung sind 83 Prozent aller Befragten der Meinung, dass der Schulerfolg eines Kindes primär davon abhängt, wie gut dessen Lehrer sind. Allerdings teilen Lehrer und Eltern auch die Auffassung, dass die Situation an den Schulen teils weit hinter diesem Ideal zurückbleibt. (…) Spezielle Förderkurse für benachteiligte Schüler fordern 69 Prozent aller Lehrer sowie 71 Prozent aller Eltern, schulische Realität sind diese jedoch nur aus Sicht von 44 Prozent der Lehrer und 25 Prozent der Eltern. Auch die gezielte Förderung begabter Schüler ist für 62 Prozent der Lehrer und 64 Prozent der Eltern ein wichtiges Element der idealen Schule, aber nur für die wenigsten Lehrer und Eltern (19 bzw. 13 Prozent) Teil des Schulalltags. (…)

Deutsche Regelschulen auf Integration behinderter Schüler schlecht vorbereitet

Wie die aktuelle Erhebung der Vodafone Stiftung Deutschland zeigt, findet an nahezu jeder zweiten Schule in Deutschland (49 Prozent) wenigstens in Teilen bereits ein gemeinsamer Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung statt. Im Falle von Schülern mit körperlicher Behinderung, so die Meinung von 63 Prozent aller Lehrer, hätten diese an einer Regelschule zudem bessere individuelle Chancen als an einer speziellen Förder- oder Sonderschule. Allerdings sehen fast drei Viertel aller Lehrer (74 Probleme) derzeit größere Probleme bei der erfolgreichen Integration behinderter Schüler an deutschen Regelschulen. Als größte Hürden betrachten Lehrer dabei vor allem Ausbildungsdefizite hinsichtlich des Umgangs mit behinderten Schülern (41 Prozent) sowie unzureichende räumliche Gegebenheiten an den Schulen (36 Prozent). (…)

Lehrer und Eltern halten an mehrgliedrigem Schulsystem fest

Einigkeit legen die befragten Lehrer und Eltern zudem bei der Frage an den Tag, ob auf die Grundschule besser ein mehrgliedriges Schulsystem oder eine Gemeinschaftsschule folgen sollte: 59 Prozent der befragten Pädagogen und 54 Prozent aller Eltern von Schulkindern sprechen sich für die Beibehaltung des mehrgliedrigen Schulsystems aus. Allerdings fällt auf, dass Eltern von Grundschülern mit beachtlicher Mehrheit (54 Prozent) für ein Gesamtschulmodell plädieren. In der Gesamtbevölkerung wird das mehrgliedrige Schulsystem derzeit noch von insgesamt 51 Prozent aller Befragten befürwortet. (…)

Versuche der Einflussnahme von Eltern auf Lehrer nehmen zu

Obwohl Lehrer und Eltern ähnlicher Meinung in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung und das mehrgliedrige Schulsystem sind, deutet die Studie der Vodafone Stiftung Deutschland darauf hin, dass die konkrete Zusammenarbeit von beiden Seiten unterschiedlich bewertet wird. Einerseits sind fast sechs von zehn Eltern (59 Prozent) der Ansicht, dass deren Meinungen und Vorstellungen zu schulischen Themen für die Lehrer wichtig sind. Lediglich 23 Prozent der Eltern können sich hingegen vorstellen, dass Lehrer dies als Einmischung empfinden könnten. Andererseits bestätigen fast zwei Drittel aller Lehrer (64 Prozent), dass Eltern immer stärker versuchen würden, Einfluss etwa auf die Unterrichtsgestaltung oder die Notenvergabe zu nehmen – eine Tendenz, die diese Lehrer mehrheitlich negativ bewerten (46 Prozent). Besonders ausgeprägt scheint dieses Missverständnis an Grundschulen zu sein: Während Eltern von Grundschulkindern überdurchschnittlich oft (64 Prozent) glauben, Lehrer würden besonderen Wert auf deren Ansichten legen, betonen Grundschullehrer wiederum besonders oft (71 Prozent) die zunehmenden Versuche elterlicher Einflussnahme. Vor diesem Hintergrund sind zudem 52 Prozent aller Lehrer überzeugt, dass die fachliche Leistungseinschätzung eines Kindes durch dessen Lehrer das entscheidende Kriterium zur Auswahl der weiterführenden Schule sein sollte. Kaum ein Viertel aller Lehrer (24 Prozent) hält hingegen die Ansichten der Eltern in dieser Frage für maßgeblich. (…)“

Die Studie ist auch als ePub innerhalb der App der Vodafone Stiftung Deutschland im Apple App Store und über Google Play für Android abrufbar.

Quelle: Vodafone-Stiftung Deutschland

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