Integration geflüchteter Mädchen und Frauen

Auszüge aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen:
“ (…) Kenntnisse über die spezifische Situation von nach Deutschland geflüchteten Frauen und Mädchen
Bisher liegen (…) keine umfassenden Erkenntnisse über die Lebenssituation von geflüchteten Frauen und Mädchen vor. Erste konkrete Erkenntnisse sind in der Kurzanalyse des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 01/2016 enthalten. (…) Sie basiert auf dem Projekt „Integration von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen“. Die bislang vorliegenden Erkenntnisse aus dieser Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: ## Bei den in der Kurzanalyse betrachteten Herkunftsländern Afghanistan, Irak und Syrien machen Frauen jeweils etwa ein Drittel der Studienteilnehmer aus. Dabei handelt es sich überwiegend um verheiratete Frauen, die mit ihrem Ehemann und häufig auch mit Kindern im Haushalt leben.
## Frauen aus den betrachteten Herkunftsländern weisen einen deutlich geringeren schulischen und beruflichen Bildungsstand auf als Männer aus diesen Ländern. Dies gilt insbesondere für Frauen aus dem Irak, die zu 35,1 Prozent keine Schule besucht haben und bei denen 82 Prozent (noch) keine berufliche Qualifikation erworben haben.
## Auch das Ausmaß der Erwerbstätigkeit in Deutschland unterscheidet sich signifikant zwischen männlichen und weiblichen Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen. Frauen sind in deutlich geringerem Maße am Arbeitsmarkt aktiv (11,5 Prozent vs. 49,8 Prozent), was insbesondere wiederum für Frauen aus den drei genannten Herkunftsländern gilt, wo der Anteil jeweils bei unter 10 Prozent liegt. Die möglichen Ursachen dieser deutlichen Differenzen werden momentan noch untersucht.
##Die Mehrzahl der befragten geflüchteten Frauen möchte jedoch arbeiten, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß als Männer (über alle Herkunftsländer hinweg: 78,8 Prozent vs. 92,3 Prozent).
## Ebenfalls ausgeprägt ist bei beiden Geschlechtern die dauerhafte Bleibe- und Einbürgerungsabsicht in Deutschland. Jeweils über drei Viertel der afghanischen, irakischen und syrischen Studienteilnehmerinnen äußern entsprechende Absichten. (…)
Defizite bei der Integration
Gesicherte Erkenntnisse über die spezifische Situation der seit 2015 nach Deutschland geflüchteten Frauen und Mädchen (Bildungshintergrund, Arbeitsmarktqualifikationen, familiäre Situation; belastenden Erlebnisse, Zukunftsorientierung) liegen der Bundesregierung noch nicht vor.

Da Frauen – vor allem aus muslimisch geprägten Kulturen – in Deutschland oftmals mit Einschränkungen in der eigenen Lebensgestaltung und Bewegungsfreiheit leben, bietet das BAMF, besonders um diese Personengruppe zu erreichen, (…) niederschwellige Seminarmaßnahmen zur Integration ausländischer Frauen (sog. niederschwellige Frauenkurse) an. Die Kurse, die Frauen ab Vollendung des 16. Lebensjahrs besuchen können, orientieren sich an der Lebenswelt von Migrantinnen und berücksichtigen deren individuellen Bedürfnisse. Sie unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung von den Sprach- und Orientierungskursen vor allem durch ihre Niederschwelligkeit. Die Frauen sollen ermutigt werden, ihre Lebenssituation zu reflektieren, realistische Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln und erste Schritte aus einer häufig als unbefriedigend erlebten Situation zu tun. (…)

Seit Beginn des Jahres 2016 sind die Kurse generell für Asylbewerberinnen aus den Herkunftsländern Iran, Irak, Syrien und Eritrea geöffnet. (…)

Integrations- und bildungspolitischen Schlussfolgerungen und Konsequenzen (…)
Der Bundesregierung liegen keine validen Daten zum Bildungsstand geflüchteter Frauen und Mädchen im Vergleich zu männlichen Altersgenossen aus ihren jeweiligen Herkunftsländern vor.

Um dem Integrationsgedanken Rechnung zu tragen, hält es die Bundesregierung für geboten, in erster Linie Angebote vorzuhalten, die sich an Frauen und Männer gleichermaßen richten. Ausnahmen davon bilden jedoch die speziell für Frauen eingerichteten Frauenintegrationskurse nach § 13 Absatz 1 Satz 2 IntV und die niederschwelligen Seminarmaßnahmen für ausländische Frauen. Sowohl für Männer als auch für Frauen, denen in ihrem Heimatland aus den unterschiedlichsten Gründen eine ausreichende Schulbildung verwehrt geblieben ist, werden die 960 UE umfassenden Alphabetisierungskurse nach § 13 Absatz 1 Satz 3 IntV angeboten. (…)

Spezifische Angebote für die Integration von (…) Mädchen (…)
Die Schaffung konkreter Integrationsangebote und Bereitstellung ggf. notwendiger Maßnahmen zur Alphabetisierung, insbesondere für Mädchen im schulpflichtigen Alter, obliegt den Ländern. Die Alphabetisierung stellt neben der Vermittlung der deutschen Sprache eine gesonderte Aufgabe dar.
(…) Heute, da die Sprachkompetenz sehr ins Blickfeld rückt, wird bereits über Benachteiligung von Jungen in der schulischen Bildung gesprochen. Zukunftsfähige Konzepte können sich also nicht schlicht auf Frauenförderung oder Mädchenförderung konzentrieren, sondern müssen unterschiedliche Entwicklungen und unterschiedliche Notwendigkeiten von Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts in verschiedenen Altersphasen in Betracht ziehen. Neue Bildungs- und Unterrichtskonzepte müssen mit den Unterschieden und der Individualität zielgenauer umgehen als in der Vergangenheit. (…)

(…)Spezifische Angebote für die Integration von Frauen und Mädchen (…)
Aus Sicht der Bundesregierung ist es wichtig, den geflüchteten Frauen und Mädchen Brücken zur Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland zu bauen. Hierbei spielen die Migrantinnen(selbst-)organisationen eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung fördert den Aufbau der bundesweiten, herkunftsübergreifenden Dachorganisation der Migrantinnenorganisationen.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) führt die EAF Berlin (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V.) im Jahr 2016 das Projekt „It’s our turn. Politik braucht Vielfalt. Politik braucht Dich.“ durch. Ziel des Projekts ist eine Ermutigung zu politischer Teilhabe von jungen Frauen durch bessere Kenntnis der politischen Praxis und Mitbestimmung. Geflüchteten jungen Frauen soll eine bessere Integration durch Erfahrungsaustausch ermöglicht werden. Das Projekt hat Modellcharakter und soll auf andere Träger und Organisationen übertragbar sein. (…)

(…) Spezifischen Angebote (…) für die Integration geflüchteter Frauen und Mädchen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt?
Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration bietet Frauen unabhängig von ihrer Lebens- und Familiensituation den Weg zu gesellschaftlicher Integration, wirtschaftlicher Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Frauen und Mädchen sollen daher ebenso wie Männer und Jungen an Maßnahmen zur Förderung der Erwerbsaufnahme teilhaben. Frauen und insbesondere Mütter brauchen dabei besondere Angebote der Unterstützung, damit sie an Erwerbsfähigkeit und -tätigkeit herangeführt werden können. Der Ansatz des ESF-Bundesprogramms „Stark im Beruf – Frauen mit Migrationshintergrund steigen ein“ bewährt sich auch für geflüchtete Frauen (…).

Die Arbeitsmarktintegration ist außerdem besonders für allein eingereiste Frauen existenziell. Die Bundesregierung plant daher mit einem Projektstart spätestens zum 1. September 2016 mit einer Projektlaufzeit von zwei Jahren ein „Gleichstellungspolitisches Modellprogramm zur Arbeitsmarktintegration von weiblichen Flüchtlingen, insbesondere Alleinreisender“. Es wird eine verstärkte Berücksichtigung praktischer Kompetenzen (durch berufliche Tätigkeiten oder in Form von unbezahlter Arbeit in Familie/Haushalt informell erworben) beinhalten, da ca. 80 Prozent der Flüchtlinge über keine formalen Qualifikationen verfügen.
Der Feststellung von Kompetenzen und Potenzialen kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Arbeitsmarktintegration zu. Das geplante Modellprogramm wird in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) und anderen Partnern (…) durchgeführt, soll am Standort Berlin erprobt werden und ist auf den besonderen Unterstützungsbedarfder Zielgruppe zugeschnitten. (…)

Für Gestattete mit einer guten Bleibeperspektive, für Geduldete, die nicht einem Beschäftigungsverbot unterliegen, und für Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel soll der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem SGB III befristet bis Ende des Jahres 2018 und in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus vom Voraufenthalt erleichtert werden. Dies hilft auch jungen geflüchteten Frauen und Mädchen. (…)“

Quelle: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Dokumente: Integratrion_gefluechteter_Frauen_und_Maedchen_Antwort_der_Bundesregierung.pdf

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