Mit einem eigenen Politikfeld für junge Menschen Freiräume schaffen, Chancen eröffnen, Rückhalt geben

Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Antrag zur eigenständigen Jugendpolitik ins Parlament eingebracht: Es fehle in Deutschland an einer schlüssigen, wirkungsvollen und bedarfsgerechten Politik für junge Menschen. Deutschland müsse eine Gesamtstrategie für ein gutes Aufwachsen junger Menschen unter Einbeziehung aller relevanten Politikfelder und föderalen Ebenen entwickeln, heißt es in dem Antrag. Die Sozialdemokraten fordern von der Bundesregierung deshalb ein breites Maßnahmenpaket in der Familien-, Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

So müsse unter anderem das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik abgeschafft werden, damit sich der Bund an der Finanzierung eines flächendeckenden Ausbaus von Ganztagsschulen beteiligen kann. Zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation junger Menschen fordern die Sozialdemokraten unter anderem eine stärkere Regulierung der Leiharbeit, die Abschaffung unbegründet befristeter Arbeitsverträge und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro. Mit dem Ziel, allen Jugendliche eine zweite Chance auf Ausbildung zu ermöglichen, sei ein Förderprogramm aufzulegen. Um die beruflichen Perspektiven zu verbessern, soll die Berufswegeplanung ab dem 7. Schuljahr eingeführt werden.

Auszüge aus dem Antrag Mit einer eigenständigen Jugendpolitik Freiräume schaffen, Chancen eröffnen,Rückhalt geben der SPD-Bundestagsfraktion:

„Der Bundestag soll feststellen und beschließen:
(…) Gestiegene Bildungserfordernisse, Globalisierung von Wirtschaft und Arbeitsmärkten, höhere Lebenserwartung mit einer damit einhergehenden alternden Gesellschaft – die Anforderungen an die jüngere Generation sind gewachsen. Diese Veränderungen bieten Chancen, bergen aber auch Risiken. (…)“

Abgestimmte Angebote für verschiedene Lebenslagen

„Aufgrund der gestiegenen Anforderungen und zunehmender materieller Unsicherheiten ist für ein gutes Aufwachsen aller jungen Menschen mehr denn je öffentliche Verantwortung gefragt. Unsere Gesellschaft muss Jugendliche respektieren und anerkennen, ihnen für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Denn Mensch sein bedeutet mehr als zu funktionieren – Demokratie, Solidarität und Selbstentwicklung sind schon für Jugendliche notwendige Werte, die erlernt werden müssen. Dies geht jedoch nur mit einer schlüssigen und stimmigen Jugendpolitik, die auf die Bedürfnisse der jungen Menschen abgestimmte Angebote für verschiedene Lebenslagen macht. Notwendig ist, Jugendpolitik als zentrales Politikfeld, als Zukunftspolitik zu begreifen und zu gestalten.

In der Gesellschaft wird allerdings oft ein Jugendbild transportiert, das einseitig negative Extreme des Heranwachsens herausstellt und überzeichnet. Das betrifft insbesondere Jugendliche aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte, bei denen besonders auf diejenigen geschaut wird, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Jugendliche, die trotz ungünstiger Startbedingungen des Elternhauses sehr große Erfolge erzielen und Aufstieg durch Bildung schaffen, werden viel seltener erwähnt. Politik läuft immer wieder Gefahr, dieses einseitige und damit verzerrte öffentliche Bild von Jugend zum Maßstab für politische Entscheidungen zu machen.“

Maßnahmen nicht selten zu stark defizitorientiert

„Das hat Maßnahmen zur Folge, die nicht selten zu stark defizitorientiert, die zu wenig aktivierend und emanzipatorisch sind. Hinzu kommen verstreute Kompetenzen auf die verschiedenen Ressorts und föderalen Ebenen. Als Resultat ist festzustellen: Es fehlt in Deutschland an einer schlüssigen, wirkungsvollen und bedarfsgerechten Politik für junge Menschen.

Das Ziel muss sein, eine Jugendpolitik zu entwickeln, die die Jugendphase als Ganzes, insbesondere auch die spezifischen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen, in den Blick nimmt, überzeugende und stimmige Lösungen entwirft und umsetzt. Politik für junge Menschen muss aus einem Guss sein. Sie muss politikfeldübergreifend und abgestimmt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ein gutes Aufwachsen ermöglichen. Deshalb muss ein eigenständiges Politikfeld Jugend begründet werden. (…)

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern,

1. zur Stärkung der Jugendpolitik auf Bundesebene und in der Bundesregierung:

  • eine Staatssekretärin oder einen Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu benennen, der oder die explizit für Jugendpolitik zuständig ist;
  • die Zusammenarbeit zwischen den Bundesministerien im Bereich Jugendpolitik als Querschnittspolitik zu stärken;
  • einen „Jugendpolitik-TÜV“ zu etablieren. Dabei sollen alle politischen Entscheidungen und Maßnahmen und auch alle bereits gültigen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention überprüft werden; (…)

2. zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen:

  • zu prüfen, inwieweit die Funktion einer Ombudsperson mit eigenen Rechten und einem eigenen Etat ausgestattet, geschaffen werden kann, um die Umsetzung der UNKinderrechtskonvention in Deutschland zu überwachen und voranzutreiben; (…)
  • einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Optionspflicht im
    Staatsangehörigkeitsgesetz gestrichen wird, weil diese integrationshemmend und nicht sachgerecht ist. Auch nach dem 18. Lebensjahr sollen junge Menschen beide
    Staatsbürgerschaften behalten können;

3. zur Verbesserung der Bildungssituation von jungen Menschen:

  • zeitnah einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in der Bildungszusammenarbeit auf der Grundlage eines neuen Artikels 104c des Grundgesetzes vorzulegen, um sich an der Finanzierung des flächendeckenden Ausbaus von Ganztagsschulen zu beteiligen. Um die Gleichbehandlung der Länder zu gewährleisten, ist dabei vorzusehen, dass diese Vereinbarungen von den Ländern nur einstimmig beschlossen werden können;
  • einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem ein Rechtsanspruch auf einen
    Ganztagsschulplatz bis zum Jahr 2020 für alle Schulformen einzuführen ist; einen
    Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem ein leistungsfähiges BAföG für Schülerinnen und
    Schüler eingeführt wird;
  • sich dafür einzusetzen, dass überall im Bildungssystem (…) Inklusion verwirklicht wird;
  • sich dafür einzusetzen, dass Schulsozialarbeit an jeder Schule eingeführt und eine entsprechende Finanzierung sichergestellt wird;
  • darauf hinzuwirken, dass die Berufswegeplanung ab dem 7. Schuljahr eingeführt wird;
  • geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Abbrecherquote in der Schule bis 2015 von 8 auf 4 Prozent zu halbieren und um die Zahl der jungen Erwachsenen ohne abgeschlossene Berufsausbildung von 17 Prozent auf 8,5 Prozent bis 2015 zu halbieren sowie um die Abbrecherquote im Studium signifikant zu senken; (…)
  • sich dafür einzusetzen, dass kulturelle Bildung für alle Kinder und Jugendliche selbstverständlicher und inklusiver Bestandteil schulischer und außerschulischer Angebote wird; (…)

4. zur Verbesserung der Situation junger Menschen am Arbeitsmarkt:

  • einen Gesetzentwurf zur Regulierung der Leiharbeit, zur Abschaffung der
    sachgrundlosen Befristung und zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro vorzulegen; (…)
  • Maßnahmen zu ergreifen, damit zunehmend Bewerbungsverfahren entsprechend der
    Zielrichtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in der Privatwirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung anonymisiert durchgeführt werden;
  • ein Recht auf einen Schulabschluss einzuführen;
  • jedem Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Recht auf eine qualifizierte
    Ausbildung zu garantieren; (…)
  • ein Programm „2. Chance auf Berufsausbildung“ mit dem Ziel aufzulegen, allen
    Jugendlichen eine zweite Chance auf Ausbildung zu ermöglichen. Dabei sind junge
    Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Schul- und Berufsabschluss zu
    unterstützen, um ihnen eine Perspektive auf Erreichen eines Berufsabschlusses zu
    geben;
  • junge Erwachsene bei den Sanktionen im SGB II mit anderen Altersgruppen gleichzustellen und die verschärften Sanktionen für unter 25Jährige aus dem SGB II zu streichen; (…)

5. zur Verbesserung der Partizipation von jungen Menschen:

  • die bewährten Jugendfreiwilligendienste konsequent auszubauen, mittelfristig allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ein FSJ oder FÖJ absolvieren möchten, einen Platz anzubieten; (…)
  • innerhalb der Freiwilligendienstlandschaft eine Struktur zu etablieren, die durch zivilgesellschaftliche Verantwortung geprägt ist;
  • einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Wahlalter im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz auf 16 Jahre abgesenkt werden soll; (…)“

Quelle: MdB Stefan Schwartze; Pressedienst des Deutschen Bundestages

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